Als eine der größten Errungenschaften ihrer Regierungsarbeit sieht die Ministerpräsidentin die Einigung bei den Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die trotz aller Kritik, die man im Einzelnen dagegen vorbringen mag, dem chronisch klammen Saarland eine finanzielle Zukunftsperspektive eröffnet hat. Kramp-Karrenbauer ist es gelungen, die unterschiedliche Kräfte im Land vom schwierigen Weg der Konsolidierung zu überzeugen. Sie nennt das den „saarländischen Weg“, zu dem eine ruhig arbeitende große Koalition aus ihrer Sicht am besten passt.
Kramp-Karrenbauer hat schon im Fernsehduell am Donnerstag hervorgehoben, dass die CDU sich klar für eine Fortführung des jetzigen Bündnisses ausspreche, während die SPD die Wähler im Unklaren lasse, ob sie nicht eher zu Rot-Rot-Grün tendiere. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Kramp-Karrenbauer kaum eine andere Option hat. Die AfD, die im Saarland zwischen Exzentrik und Radikalität oszilliert und momentan bei neun Prozent liegt, kommt als Partner sowieso nicht in Frage. Die Grünen (fünf Prozent) müssen um den Einzug in den Landtag fürchten, sind jedenfalls so schwach, dass es für eine Zweierkoalition nicht reichen dürfte. Dasselbe gilt für die FDP (vier Prozent). Und eine Dreierkoalition hat Kramp-Karrenbauer ausgeschlossen, auch wegen der Erfahrung aus dem Jahr 2012, als sie ein „Jamaika“-Experiment vorzeitig beendete. Daraus macht Rehlinger ein Argument für ihre Partei: Erst als sich die SPD an der Regierung beteiligt habe, sei es im Land vorangegangen.
Kramp-Karrenbauer wirbt auch um SPD-Wähler: um diejenigen, die zwar die Sozialdemokraten weiter an der Regierung sehen wollen, aber eine rot-rot-grüne Koalition ablehnen. Die Hoffnung der Ministerpräsidentin ist, dass diese SPD-Wähler zur CDU kommen und die, die ein Linksbündnis wollen, gleich die Linkspartei wählen. So würde die SPD klein gehalten. Tatsächlich dürfte Kramp-Karrenbauer für viele Sozialdemokraten wählbar sein, sie gehört sozialpolitisch zum linken Flügel der Union. Mit dem kernigen Innenminister Klaus Bouillon hat sie sich einen Kümmerer ins Kabinett geholt, der die Sorgen der Menschen auf dem Feld der inneren Sicherheit und der Flüchtlingspolitik aufnimmt. Dieses Profil beschränkt aber auch die Möglichkeiten der CDU in der bevorstehenden Auseinandersetzung: Einen Lagerwahlkampf oder gar eine „Rote-Socken-Kampagne“ kann und wird es nicht geben, zumal der Spitzenkandidat der Linkspartei, Oskar Lafontaine, im Saarland nach wie vor populär ist. Er hat schon klargemacht, dass seine Partei, die gegenwärtig bei 14 Prozent liegt, kein Problem hätte, mit der SPD zu koalieren. Ähnlich sieht das Rehlinger, die mit ihren 40 Jahren jung genug ist, um ein unbelastetes Verhältnis zum ehemaligen SPD-Bundesvorsitzenden zu haben.
Es geht um Landespolitik
Ein größeres Problem könnte der CDU durch die Berufung von Martin Schulz zum SPD-Kanzlerkandidaten erwachsen sein. Diese war in der obengenannten Umfrage noch nicht eingepreist. Aber schon der Taumel, den am vergangenen Freitag ein Besuch von Schulz im Saarland auslöste – eine Menschentraube in der Fußgängerzone von Saarlouis, ein übervoller Parteitagssaal am Abend in Orscholz –, lässt erahnen, dass die Messe noch nicht gelesen ist. Anke Rehlinger hat das längst registriert. Jetzt könnte sich auszahlen, dass sie sich in den vergangenen Jahren auf den klassischen sozialdemokratischen Themenfeldern Industriepolitik, soziale Gerechtigkeit oder Rente profiliert hat – sie passen sehr gut zur Kleine-Leute-Klaviatur von Schulz. Mag sein, dass die CDU recht hat und sich der Reiz des neuen Mannes auch im Fall von Schulz irgendwann abnutzt; im Moment scheint die Wahrscheinlichkeit aber hoch, dass zumindest die Genossen im Saarland, die ersten im Reigen der Wahlen, noch kräftig von ihm profitieren können.
Kramp-Karrenbauer wird deshalb versuchen, den Wählern klarzumachen, dass es in der Landtagswahl nicht um Bundespolitik, sondern um Landespolitik geht, um die Frage, wer soll saarländische Ministerpräsidentin sein. Diese Personalisierungsstrategie scheint schon wegen der persönlichen Beliebtheitswerte von „AKK“ vielversprechend, ist aber nicht ohne Risiko: Kramp-Karrenbauer gilt als Vertraute von Angela Merkel, das könnte ihr je nach Verlauf der kommenden Wochen auch zum Nachteil gereichen.
Das Gegenteil einer Populistin
Wie die Bundeskanzlerin ist sie so ziemlich das Gegenteil einer Populistin. Im kleinen Kreis kann sie durchaus gewinnend sein, für große Wahlkampfversprechen oder elektrisierende Zukunftsvisionen ist sie aber eher nicht zu haben. Ihre Besonnenheit könnte in diesen irren Zeiten als beruhigend wahrgenommen werden. Wer allerdings Schulz am Freitag in Orscholz gehört hat, wie er die Seelen der Zuhörer streichelte und dafür gebanntes Schweigen und Jubel erntete, der neigt eher der Auffassung zu, dass Emotionen, Stimmungen, Dynamiken in den kommenden Monaten eine größere Rolle spielen werden als berechtigte Verweise auf eine nach wie vor schwierige Haushaltslage.
Auch Rehlinger ist nicht der Typ Menschenfängerin. Dass sie Teil der jetzigen Regierung ist, engt ihren Spielraum enorm ein. Sie wird trotzdem versuchen, mit eigenen Forderungen, etwa nach einem „Jahrzehnt der Investitionen“, Kramp-Karrenbauer als Kleinkrämerin darzustellen, die über der Sanierung des Haushalts die Sanierung des Landes aus dem Blick verloren habe. Ob das gelingt, wird sich wohl erst am 26. März, um 18Uhr, zeigen.
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