Dresden erinnert an Opfer von 1945 – und die eigene Schuld

  14 Februar 2017    Gelesen: 607
Dresden erinnert an Opfer von 1945 – und die eigene Schuld
Dresden hat der Opfer der Bombenangriffe vom 13. Februar 1945 gedacht. Oberbürgermeister Hilbert stellte dabei klar, dass damals auch in seiner Stadt „Täter am Werk“ gewesen waren.
einmal vorbei mit der angespannten Ruhe. Ein Dutzend Polizisten führen eine Frau ab, die ein Schild vor sich trägt: „Nur wer ohne Anstand – wird der Opfer nicht gedenken. Aufklärung statt verleugnen.“ Die Inszenierung ist geplant. Im Schlepptau der Demonstrantin pöbelt eine kleine Gruppe meist älterer Männer, warum die Beamten denn eine „wehrlose Frau” abführen würden. „Wenn das jetzt ein Libanesen-Clan wäre, würde die Polizei gar nicht eingreifen“, behauptet einer.

Die Beamten lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Jede nicht genehmigte Kundgebung wird an diesem 13. Februar verhindert. Notfalls mit Gewalt. Dresden gedenkt zum 72. Mal der Opfer alliierter Luftangriffe. Am 13. und 14. Februar 1945 hatten britische Bomberverbände die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Einer Historikerkommission zufolge kamen dabei in Dresden etwa 25.000 Menschen ums Leben.

Seit Jahren wird das Gedenken von Rechtsextremen instrumentalisiert. Sie rechnen die Opferzahlen hoch, um so „alliierte Kriegsverbrechen” zu belegen. Die Stadt versucht, dagegen zu arbeiten. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stellte klar, dass Dresden keine „unschuldige” Stadt gewesen sei. Die Botschaft des FDP-Politikers: Man darf Ursache und Wirkung nicht vertauschen. Ohne den deutschen Angriff auf Polen hätte es auch keine Bombenangriffe gegeben.

AfD-Anhänger verteilen Flyer vor Kunstwerk

Doch die Aussage Hilberts kam nicht überall gut an. Inzwischen steht er wegen Morddrohungen unter Polizeischutz. Auch den AfD-Anhängern vor der Frauenkirche, die eindeutig in der Minderheit sind, ist Hilbert ein Dorn im Auge. „Was Hilbert gemeint hat: Dresden ist eine schuldige Stadt“, sagt Sören, der seinen Nachnamen nicht nennen will und AfD-Flyer vor dem Busmahnmal des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Haloumi verteilt.

Er kämpfe für ein würdiges Gedenken für die deutschen Opfer, sagt der 25-Jährige. Die Busse vor der Frauenkirche hätten mit Deutschland nichts zu tun. Die AfD ist wütend über das temporäre Kunstprojekt. In ihrem Flyer wird Haloumi deshalb in die Nähe von Islamisten gerückt, seine Kunst als „Plagiat” geschmäht. „Ein starkes Zeichen für die Verluste, Hoffnung und Frieden wäre die Errichtung des von Terroristenhand gelenkten Lkws gewesen, der in Berlin zwölf Menschenleben auslöschte und eine Vielzahl von Verletzten hinterließ“, schreibt die AfD.

Paul und Finn, beide 15 Jahre alt, können darüber nur den Kopf schütteln. „Wir hatten vor fünf Jahren in Dresden so viele Touristen, jetzt sind die meisten weg. Wenn die Leute Dresden hören, denken sie nur noch an Pegida“, sagt Paul. „Schauen Sie mal, wie schön die Stadt ist. Bitte erzählen Sie das in Berlin.” Die beiden wollen die Schule nach der zehnten Klasse beenden und dann zur Polizei. „Die Mehrheit hier ist nicht rechts”, sagt Finn. Die Busse vor der Frauenkirche finden beide zwar nicht besonders schön. „Aber als Ort des Gedenkens kann ich damit gut leben”, meint Paul.

Menschenkette mit Tausenden Teilnehmern

Bereits am Morgen hatte OB Hilbert eine weiße Rose an einem Gedenkstein auf dem Altmarkt niedergelegt. Hilbert betonte, wie wichtig es sei, „daran zu erinnern, was der Krieg an Leid über die Menschen bringt“. Zugleich verwies er auf Verbrechen der Nazizeit wie Judenverfolgung, Euthanasie und Bücherverbrennung, bei denen gerade auch in seiner Stadt „Täter am Werke waren“. Vor wenigen Tagen hatte Hilbert geschildert, wie sein Urgroßvater von der Gestapo erschossen wurde.

Am Abend taucht Hilbert dann erneut vor der Frauenkirche auf. An seiner Seite: Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Auch vor dem Hintergrund der Kritik an der Businstallation erinnerte Hibert in einer Rede vor Hunderten Bürgern an die Hilfe, die Dresden einst zuteil wurde. „Die Frauenkirche, die Stadt, wäre nicht wiedererrichtet worden, wenn uns nicht aus aller Welt geholfen worden wäre“, sagt Hilbert.

Heute seien Aleppo oder Städte in der Ostukraine in einer ähnlichen Lage wie damals Dresden. Anschließend formieren Tausende Bürger eine Menschenkette über den Neumarkt durch die ganze Stadt – das ist Tradition am 13. Februar.

Quelle : welt.de

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