Präsident Trump steckt in seiner ersten echten Krise

  16 Februar 2017    Gelesen: 1686
Präsident Trump steckt in seiner ersten echten Krise
Sicherheitsberater weg, die Geheimdienste stechen Geschichten durch, die Rolle Russlands steht wieder im Fokus: Im Weißen Haus herrschen chaotische Zustände. Was genau kann Donald Trump gefährlich werden?
Für einen Moment herrschte am Mittwoch Normalität. Donald Trump empfing seinen Amtskollegen Benjamin Netanyahu, Israels Premier. Es war ein interessanter Termin der beiden, vor allem aber: Er verlief ohne größere Unfälle, das ist dieser Tage schon eine Nachricht im Weißen Haus.

In Trumps Mannschaft geht es seit Tagen derart chaotisch zu, dass selbst führende Republikaner sich ernste Sorgen über den Zustand der Regierung machen. Der Präsident hat seinen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn gehen lassen, weil der den Vizepräsidenten angelogen hatte. Eine seiner wichtigsten Beraterinnen befindet sich in einem Konflikt mit dem Ethikgesetz. Und US-Ermittler haben herausgefunden, dass Mitglieder von Trumps Team vor der Wahl mehrfach Kontakt mit hochrangigen russischen Geheimdienstbeamten hatten. Zu allem Überfluss erklärte Trumps Wunschkandidat für den Posten des Arbeitsministers, Andrew Puzder, seinen Verzicht auf das Amt - er soll eine Frau ohne Papiere beschäftigt haben.

Trump kommt vor lauter Skandalen derzeit kaum zum Regieren. Seine Parteifreunde im Senat machen Druck, die Hintergründe des Flynn-Rücktritts aufzuklären. Geheimdienste, Ministerien und Mitglieder aus Trumps Umfeld streuen massenhaft neue Details, die das Team im Weißen Haus ins schlechte Licht rücken. Die Stimmung erinnert manche in Washington schon an die Watergate-Affäre vor 45 Jahren, aber bei all der Hysterie ist es wichtig, im Blick zu behalten, was den US-Präsidenten wirklich belastet.

Kontakte nach Russland

Besonders aktuell ist die Frage nach dem Kontakt zwischen Trumps Leuten zu russischen Stellen im Wahlkampf. Dass es Kontakte gab, ist laut "New York Times" ein Fakt. Die Berichte darüber sind allerdings recht nebulös. Weder ist klar, wer genau mit wem telefonierte, noch ob Trump oder Hillary Clinton überhaupt Thema in den entsprechenden Gesprächen waren. Offen ist zudem, ob jene Trump-Vertrauten, die angeblich mit Moskau sprachen, heute als Berater im Weißen Haus sitzen.

Klar ist nur, dass jeder Kontakt zwischen einem amerikanischen Wahlkampfteam und russischen Geheimdiensten äußerst ungewöhnlich ist und viele Fragen nach sich zieht. Wusste Trump vom angeblichen Hack auf die Server der Demokraten? Bestellte er über Vertraute womöglich eine Einmischung russischer Cybergruppen? Ausgeschlossen ist das nicht. Trump forderte Moskau auf einer Pressekonferenz im Juli sogar öffentlich auf, die E-Mails von Clinton zu hacken. Trump steht unter Druck, schnellstmöglich sämtliche Details offenzulegen. Andernfalls entsteht der Eindruck, er habe etwas zu verbergen. Und je länger das Thema die Regierung lahm legt, desto größer ist für Trump die Gefahr, dass er als Präsident wahrgenommen wird, der zu allem kommt - nur nicht zur Umsetzung seiner Versprechen.

Der Fall Flynn

Die zweite Affäre, die Trump in ernste Nöte bringt, ist jene um Michael Flynn. Der ehemalige Sicherheitsberater telefonierte in den Tagen nach Weihnachten mit dem russischen Botschafter, unter anderem von einem Strand in der Dominikanischen Republik. Die NSA lauschte mit und fand heraus, dass - anders, als Flynn es gegenüber Vizepräsident Mike Pence und anderen Beamten im Weißen Haus dargestellt hatte - in den Telefonaten sehr wohl auch die Frage der Sanktionen thematisiert wurde.

Flynn stürzte über diese Lüge. Aber die Kernfrage ist, ob Flynn mit dem Botschafter telefonierte, ohne irgendjemand anderen in Trumps Übergangsteam darüber in Kenntnis zu setzen. Das kann sein. Aber die Tatsache, dass er gleich mehrfach mit dem russischen Diplomaten sprach, noch dazu rund um die Entscheidung des scheidenden Präsidenten Barack Obama, wegen der mutmaßlichen Cyberangriffe neue Sanktionen gegen Moskau zu verhängen, lässt es nicht sehr wahrscheinlich erscheinen, dass Flynn niemals Rücksprache hielt. Wollte womöglich sogar Trump selbst über Flynn die Regierung in Moskau beruhigen und darauf einstellen, dass sich der Kurs der US-Regierung in Sachen Sanktionen ändern werde, sobald er im Amt ist?

Wäre das der Fall, wäre das ein noch weitaus größerer Skandal als die Causa Flynn. Der Präsident hätte dann nicht nur massive politische Probleme, er könnte auch rechtliche Schwierigkeiten bekommen, weil der sogenannte Logan Act es Personen außerhalb der Regierung verbietet, im Namen der USA Außenpolitik zu machen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Kongress den Fall genau unter die Lupe nimmt. Mehrere Republikaner haben sich bereits dafür ausgesprochen. Marco Rubio, Senator aus Florida, drängt Flynn dazu, auch selbst auszusagen.

Das Verhältnis zum Vize

Ebenfalls unangenehm für Trump ist die Frage nach seinem Verhältnis zu Mike Pence. Die Beziehung der beiden ist belastet, seit bekannt wurde, dass Trump seinen Vize fast zwei Wochen lang nicht in den Vorfall mit der Lüge Flynns einweihte. Pence war darüber dem Vernehmen nach schwer verärgert. Bislang hat er sich als loyaler Stellvertreter gezeigt, der vor allem den Kontakt zum Kongress pflegte und die Regierungsarbeit in der Öffentlichkeit verteidigte. Sollte er sich der Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung der Causa Flynn aussprechen, wäre das ein Zeichen dafür, wie sehr das Vertrauen zu Trump beschädigt ist. Für eine reibungslosere Regierungsarbeit braucht Trump Pence aber unbedingt.

Undichte Stellen

Ein viertes Problem für Trump ist die Anarchie im Weißen Haus. Täglich scheinen die undichten Stellen größer zu werden, was auch daran liegt, dass Trump ein System konkurrierender Kraftzentren geschaffen hat. Das eine führt Reince Priebus, der Stabschef des Präsidenten. Er ist ein Vertreter des Parteiestablishments, und seine Kritiker schieben ihm die Verantwortung für die katastrophale Resonanz auf Trumps Exekutivanordnungen zu.

Auf besonderes Misstrauen stößt er bei Trumps engen Vertrauten. Deren Anführer, Ex-"Breitbart"-Chef Stephen Bannon, hat sich in der Regierungszentrale eine enorm starke Stellung geschaffen, die ihm die Möglichkeit gibt, sogar in Fragen der nationalen Sicherheit mitzureden. Das dritte Kraftzentrum, wenn man denn davon überhaupt sprechen will, ist jenes von Sean Spicer, dem Sprecher des Präsidenten. Er müsste eigentlich die Kommunikationsstrategie des Weißen Hauses in den Affären koordinieren. Leider klappt das überhaupt nicht. Weder scheinen Trumps Beamte auf dem gleichen Wissensstand zu sein, noch gibt es eine klare Linie.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Spicer bald gehen muss. Das Problem: Der Job, für Trump zu sprechen, ist in diesen Tagen alles andere als attraktiv.

Quelle : spiegel.de

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