IS kettet Zivilisten in Bombenautos fest

  25 Februar 2017    Gelesen: 556
IS kettet Zivilisten in Bombenautos fest
In Mossul drängt die irakische Armee den IS weiter zurück. Je stärker die Dschihadisten unter Druck geraten, desto barbarischer werden ihre Mittel. Berichte, wonach Kinder und Behinderte in Bombenautos angekettet werden, sind nur die Spitze des Eisbergs.
In Mossul nehmen irakische Streitkräfte am Freitagmorgen den ersten Stadtteil im Westen der einstigen IS-Hochburg ein. Das ist ein strategischer Erfolg. Denn die Rückeroberung der Wohnviertel in diesem Teil der Metropole - mit Altstadt, Markt und Regierungsviertel - gilt wegen der engen Bebauung als besonders schwierig. Zudem schätzen die Vereinten Nationen, dass sich noch immer etwa 750.000 Zivilisten in den Stadtteilen westlich des Tigris aufhalten. Das macht den Einsatz von schwerem Kriegsgerät und Kampfjets nahezu unmöglich - wenn auch nicht gänzlich darauf verzichtet wird. Die Kämpfer des Islamischen Staates (IS) geraten so zunehmend unter Druck - und wehren sich mit geradezu barbarischen Methoden gegen ihren drohenden Untergang.

US-Brigadegeneral Matthew Isler ist derzeit für die US-geführte Anti-IS-Koalition in Bagdad stationiert. Er berichtet vor Journalisten, die IS-Terrormiliz zwinge mittlerweile sowohl Kinder als auch Behinderte dazu, sich in mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge zu setzen und diese in Gruppen irakischer Soldaten zu steuern. Im Militärjargon werden die präparierten Trucks "Vehicle Borne Improvised Explosive Device" (VBIED) - gesprochen "Vee-Bids" - genannt. "Wir haben Menschen gesehen, die in ein VBIED gesetzt und dort festgekettet wurden", berichtet Isler. "Wir haben Kinder gesehen, die als Fahrer in die Autos gesetzt wurden, und Menschen, die nicht in der Lage waren, zu laufen. Ich habe keine Ahnung, ob sie sich dazu verpflichtet haben." Isler glaubt, dass den Dschihadisten nach über vier Monaten des Kampfes um Mossul die Freiwilligen für solche Selbstmordkommandos ausgegangen sind.

Bisher waren sie ein effektives Mittel, um die irakische Armee in Schach zu halten. Erst Ende Januar hatte die Terrormiliz Propagandavideos veröffentlicht, die zeigen, wie IS-Attentäter in Sprengstoffautos auf Panzerfahrzeuge der irakischen Armee zurasen und davor explodieren. Auch in Syrien nutzen die Islamisten diese Taktik. Nur 24 Stunden nach der Rückeroberung der nordsyrischen Stadt Al-Bab vom IS steuerte ein Attentäter seinen Wagen in eine Gruppe Rebellenkämpfer und tötete mindestens 29 Menschen. Immer öfter sind die Attentäter minderjährig - teilweise sogar noch im Vorschulalter. Berichte über entführte jesidische Kinder, die in IS-Terrorcamps zu Selbstmordattentätern ausgebildet werden, gibt es seit geraumer Zeit.

Etliche Fahrer machten Rückzieher

Erst vor wenigen Tagen tauchte ein Bekennervideo von zwei minderjährigen Jungen auf, die dem IS die Treue schwören und sich wenig später in einem gepanzerten IS-Fahrzeug nahe Mossul in die Luft sprengen. In dem 26-minütigen Clip erklärt einer der beiden Brüder, Amjad Abu Yousef al-Sinjari, er stamme aus Qababi, ein Dorf nahe Sindschar, das 2014 von den Dschihadisten überrannt worden war. Die beiden Jungen geben an, in einem Camp in al-Sham, Syrien, ausgebildet worden zu sein. "Wir wollen die Feinde Allahs liquidieren und sie zerreißen, selbst wenn es unsere Eltern sind", sagt Amjad, der kaum älter als 13 Jahre sein kann.

General Isler zufolge beobachten die irakischen Streitkräfte seit Kurzem, dass die IS-Kämpfer auf ihre Opfer nun auch unmittelbaren Zwang anwenden. So wäre zu erklären, dass sie die Zivilisten im Fahrzeug anketten: Sie wollen verhindern, dass die Fahrer fliehen können. "Wir haben VBIED gesehen, die zu ihren Missionen aufgebrochen sind, dann aber abdrehten und sich verstecken", so Isler. "Wir haben auch IS-Kommandos gesehen, die sich auf die Suche nach VBIED-Fahrern gemacht haben, die verschwunden sind, ohne ihren Auftrag auszuführen." Die ersten angeketteten Fahrer seien schließlich am Westufer des Tigris gesehen worden - kurz nachdem irakische Soldaten den Ostteil Mossuls eingenommen hatten.

Perfide Methoden der IS-Kämpfer

Um die Stadt zu halten, setzt der Islamische Staat die Bewohner Mossuls seit Monaten dem vollen Horror des Krieges aus. Scharfschützen postieren sich Berichten zufolge bewusst auf Häuserdächern von Zivilisten - in der Annahme, dass sie dann nicht von Kampfjets, Kampfhubschraubern oder Drohnen ins Visier genommen werden. Auch im Straßenkampf nutzen IS-Kämpfer nach Angaben der Vereinten Nationen immer wieder Unbeteiligte als menschliche Schutzschilde. Zudem seien Krankenhäuser zu Militärbasen umgerüstet worden. Die Preise für Lebensmittel sind laut UN immens gestiegen. Teilweise würden den Bewohnern Lebensmittel, Wasser und Medikamente schlichtweg verweigert.

Auch selbstgebaute Drohnen kommen zum Einsatz - und zwar nicht nur gegen die irakischen Streitkräfte, sondern auch gegen Zivilisten. Wie die "New York Times" Ende Januar berichtete, setzte der IS allein innerhalb von zwei Monaten mindestens 26 Drohnen ein, um Sprengsätze auf irakische Soldaten abzuwerfen. Auch Märkte und Wohngegenden sollen die Dschihadisten einem Bericht des kanadischen Nachrichtenmagazins "MacLeans" zufolge ins Visier genommen haben. Demnach hätten IS-Drohnen Granaten auf willkürlich ausgewählte Zivilisten abgeworfen. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Und womöglich steht den Bewohnern in jenen Stadtteilen West-Mossuls, die nach wie vor unter der Kontrolle des IS stehen, das Schlimmste erst noch bevor.

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