Gesetz zum autonomen Fahren

  30 März 2017    Gelesen: 386
Gesetz zum autonomen Fahren
Für Verkehrsminister Dobrindt wird mit dem Gesetz zum automatisierten Fahren das "modernste Straßenverkehrsrecht der Welt" beschlossen. Wer glaubt, dass nun mit den selbstfahrenden Autos alles eitel Sonnenschein ist, der irrt.
Wenn der Bundestag heute Abend den Gesetzentwurf zum autonomen Fahren verabschiedet, wird eine letzte Hürde ausgeräumt, die bis dato den Fahrzeugherstellern im Weg stand, um ihre Technologie auf deutschen Straßen zu testen und sie in Zukunft auch problemlos zu verkaufen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sieht in der Neuregelung das "modernste Straßenverkehrsrecht der Welt". Im Zentrum steht die "Gleichstellung" zwischen Fahrer und Computer", schreibt Dobrinth in einem Gastbeitrag für die "Passauer Neue Presse". "In Zukunft darf auch der Computer ans Steuer. Der Fahrer kann im Netz surfen, Filme streamen, E-Mails checken."

Zugegeben, mit diesem Satz lehnt sich der Verkehrsminister weit aus dem Fenster. Denn so sehr die Hersteller fast aller Marken inzwischen darauf drängen, ihre Systeme zum autonomen Fahren in Gänze in ihren Fahrzeugen der potenziellen Kundschaft präsentieren zu dürfen, so ungern würden sie die volle Verantwortung an das Auto übergeben. Egal, wie sicher die Systeme im Moment scheinen: Die Aufforderung an den Fahrer, spätestens dann, wenn es die Elektronik verlangt, die Verantwortung zu übernehmen, wird sich nicht umgehen lassen.

"Blackbox" muss sein

Und das ist auch gut so. Man erinnere sich nur an den Tesla-Fall, wo ein Fahrer der Meinung war, sich einen Film während der autonomen Fahrt anzusehen. Das System versagte, erkannte den weißen Trailer eines Lkw nicht und rauschte ungebremst in den Anhänger. Das Resultat: Der Fahrer starb noch am Unfallort. Der Elektropionier aus den USA, der die Möglichkeit, dass seine Fahrzeuge autonom fahren können, immer herausstellte, ruderte plötzlich zurück. Man habe das so nie behauptet und verlange von dem Fahrer immer, die Hände am Lenkrad zu lassen, argumentierte Tesla nach dem Unglück.

Diese Haltung ist durchaus nachvollziehbar. Nicht nur der Mensch ist in seinen Handlungen fehlerbehaftet, auch ein Computer ist fehlbar. Dobrindt argumentiert daher zwar, dass die letzte Verantwortung im automatisierten Fahrmodus beim Hersteller liegt, verlangt aber gleichzeitig den Einsatz einer "Blackbox". In Fällen von Rechtsstreitigkeiten soll der Fahrtenschreiber nach einem Unfall Auskunft geben, wer zum Schluss gefahren ist. Ein Umstand, der die Verbraucherschützer und die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff auf den Plan ruft.

Voßhoff bemängelt unter anderem, dass der Gesetzentwurf nicht festlege, welche Fahrdaten genau gespeichert würden. Dadurch bestehe die "Gefahr, dass quasi durch die Hintertür elektronische Fahrtenschreiber für automatisierte Privatfahrzeuge eingeführt werden". Allerdings ist diese Kritik schnell auszuräumen, denn die "Blackbox" soll immer nur die letzten 30 Minute aufzeichnen und wird dann wieder überschrieben.

Der Schwarze Peter bleibt beim Fahrer?

Viel wichtiger ist, dass das System durch den Fahrer jederzeit per Hand übersteuerbar oder deaktivierbar sein muss – und "rechtzeitig" mit Ton- oder Lichtsignalen anzeigt, wenn das nötig wird. Fahrer müssen also wieder eingreifen können, wenn die Sensoren etwa durch Regen oder andere Widrigkeiten gestört sind. Ist eine Computerfunktion nur für Autobahnen gedacht, darf man sie nicht auf Landstraßen nutzen. Mit diesen Einschränkungen bleibt der Schwarze Peter nach Ansicht des Deutschen Anwaltverein beim Autofahrer. "Bei einer immer stärkeren Automatisierung des Straßenverkehrs wäre eine strengere Einbeziehung der Hersteller in die Haftung nur konsequent", fordert Präsident Ulrich Schellenberg. Der Autofahrerclub ADAC mahnte verbindliche Vorgaben dazu an, dass eine "Übernahmeaufforderung" an den Fahrer nicht zu kurz im Voraus kommt. Über ethische Regeln für die Programme berät eine Expertenkommission.

Wirklich eindeutig geklärt ist die Situation damit für den Moment also nicht. Deshalb wird kein Hersteller beim Kauf eines Fahrzeuges mit der Fähigkeit zum selbständigen Fahren die Verantwortung vom Fahrer nehmen und auch nur eine Situation herausstellen, wo die Systeme ohne Überwachung arbeiten. Mercedes und Volkswagen sind von der Funktionsweise ihres adaptiven Tempomaten mit automatischer Bremsfunktion zum Beispiel so überzeugt, dass sie Geschwindigkeiten bis zu 210 km/h zulassen. Ein Tempo, das manch Autofahrer nicht anpeilt, wenn er das Steuerrad selbst in der Hand hält. Kaum in Zweifel zu ziehen sind auch autonome Parkhilfen, die das Auto völlig ohne Zutun des Fahrers in die entsprechende Parklücke schieben. Aber auch hier warnt eine Anzeige im Fahrzeug den Piloten, dass er das Umfeld im Auge behalten möge. Gleiches gilt für Innovationen, bei denen der Wagen mithilfe des Smartphones und einer entsprechenden App in die Parkbucht gesteuert wird.

Assistenten schleichen sich ein

Während diese Features aber noch den Fahrzeugen der Ober- und oberen Mittelklasse vorbehalten sind, erfreut sich der automatische Notbrems-Assistent bereits in Kleinwagen großer Beliebtheit bei Autobesitzern. Ein System übrigens, das so still und leise Einzug in die Fahrzeugwelt gehalten hat, dass sich kein Mensch darüber Gedanken macht, welch rechtlicher Hintergrund wohl vorliegt, wenn es doch mal kracht. Denn hier sorgt die Elektronik beispielsweise dafür, dass die Bremswirkung so verstärkt wird, dass der Wagen vor einem Zusammenstoß wirklich zum Stehen kommt. In der Erweiterung des Systems versprechen die Hersteller auch eine Fußgängererkennung. In der Summe sind das durchaus Dinge, die die Verkehrssicherheit erhöhen und einen Teil der heute noch alltäglichen Unfälle aus dem Register streichen könnten.

Genau aus diesem Grund scheint das Interesse an den neuen Helferlein auch groß. Laut einer Umfrage der Prüforganisation Dekra steht bei Neuwagenkäufern vor allem der Notbrems-Assistent hoch im Kurs. Weniger dringend werden relativ neue Technologien wie Spurhalteassistent oder eine Verkehrszeichenerkennung bewertet. Noch, sollte man sagen. Denn es ist hier wie überall im Leben so, dass die Begehrlichkeiten wachsen, wenn man sie erst einmal kennengelernt hat.

Für die Autohersteller sind die kleinen Helfer natürlich auch ein Zusatzgeschäft. Nicht zufällig wird die Technologie zuerst in den Flaggschiffen eingebaut. Insbesondere Premiumhersteller wie BMW, Daimler und Audi wollen sich damit vom Rest abheben. Stecken Kameras, Sensoren, Radar und dazugehörige Steuerung auf Bremsen und Lenkung einmal im Auto, werden zusätzliche Anwendungen für die Hersteller nur wenig teurer. "Jedes Mal, wenn wir einen neuen Legobaustein haben, können wir ihn einbauen", sagt Daimler-Entwicklungsvorstand Ola Källenius.

Im Moment gilt "Level 2"

Aber noch einmal: Nichts von dem, was bislang in Fahrzeugen möglich ist, entspricht im wörtlichen Sinne dem "selbstständigen Fahren". Die Hersteller bezeichnen die momentane Stufe als "Level 2". Darunter versteht die Branche "teilautomatisiertes Fahren" – der Mensch kann jederzeit eingreifen und überwacht die Systeme. Die Folge ist "Level 3", worunter man ein "hochautomatisiertes Fahren" versteht. Erst auf dieser Stufe darf sich der Fahrer den Tätigkeiten zuwenden, die Dobrindt beschrieben hat.

Die Hersteller selbst rechnen mit einer Einführung nicht vor 2020. Die letzte Stufe, "Level 4", die Vollautomatisierung, bei der Fahrer nur noch im Notfall eingreifen, sehen Hersteller im kommerziellen Betrieb frühestens ab 2030. Und Roboterautos zum reinen Passagiertransport auf der Rückbank sind echte Zukunftsmusik. Das musste jetzt auch das Taxiunternehmen Uber einsehen, das seine vollautonomen Taxifahrten in den USA vor wenigen Tagen nach einem Unfall vorerst einstellte. Allerdings war hier nicht das "Roboterauto" schuld, sondern ein die Vorfahrt missachtender Verkehrsteilnehmer. Wäre dieses Auto mit einem Notbremsassistent ausgestattet gewesen, wäre das vielleicht nicht passiert.

Insofern ist es bis zum vollständigen autonomen Fahren doch noch ein Stück des Weges, den Dobrindt mit seinem Gesetz aber etwas freier gemacht hat. In Zukunft dürfte es also für die Hersteller auch einfacher werden, in Deutschland Tests auf entsprechend höheren Leveln durchzuführen. Die sind immens wichtig, um die Funktionsweise der Elektronik im Realbetrieb zu untersuchen. Bisher war das nur in den USA möglich. Aber dort unterscheiden sich nicht nur die Topografie, sondern auch Verkehrszeichen und -verhältnisse von den hiesigen.

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