Trump und Syrien

  06 April 2017    Gelesen: 423
Trump und Syrien
Emotionale Kehrtwende des US-Präsidenten: Nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien stellt sich Donald Trump plötzlich klar gegen Assad - und damit gegen Russland. Nur: Welche Taten lässt er seinen Worten folgen?

So aufgewühlt zeigt sich Donald Trump selten. "Kleine Babys!", wütet der US-Präsident über den jüngsten mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien. "Ihr Tod war ein Affront gegen die Menschlichkeit." Und: "Ich sage Ihnen, dieser Angriff auf die Kinder gestern hat einen mächtigen Eindruck auf mich hinterlassen."

Trump steht im Rosengarten des Weißen Hauses, neben ihm sein Gast, der jordanische König Abdullah II. Dessen Besuch war lange geplant, doch die Nachrichten aus Jordaniens nördlichem Nachbarstaat machen diesen Termin erst so richtig prägnant - und setzen den politischen Novizen Trump unter akuten Zugzwang: Plötzlich steht er vor seiner ersten globalen Doppelkrise.

Erst Nordkorea, nun Syrien: Der Reality-Star trifft auf die Realität. Der begegnet er typisch, indem er voranprescht, gesteuert von Instinkten und Gefühlen. "Was gestern passiert ist, war unzumutbar", sagt er bei seinem Auftritt mit Abdullah II., der völlig vereinnahmt wird vom Syrien-Horror. "Diese abscheuliche Tat des Assad-Regimes kann nicht geduldet werden."

Trump schweigt zu Details

Ein Satz mit buchstäblicher Sprengkraft: Hatte Trump den syrischen Diktator Baschar al-Assad nicht stets als "politische Realität", ja, eben geduldet, mutmaßlich um dessen Verbündeten Russland nicht zu nahe zu treten? "Assad sieht besser aus als die andere Seite", hatte Trump noch vor eineinhalb Jahren getönt, obwohl Assads Gräueltaten da längst offensichtlich waren.

Was also jetzt? Was hat ihn umgestimmt? Offenbar die aktuellen Bilder aus Syrien: "Für mich hat das viele Linien überschritten, nicht nur eine rote" - eine Anspielung auf die leeren Drohungen seines Vorgängers Barack Obama gegen Assad vor fast vier Jahren. "Meine Einstellung zu Syrien und Assad", sagt Trump und klingt fast, als sei er darauf stolz, "hat sich sehr verändert."

Aber was heißt das? Diplomatie? Sanktionen? Bomben? Bodentruppen? Was will Trump denn anders machen als Obama, der sich genauso empört zeigte, doch dann - ganz bewusst - taten- und erfolglos blieb? Und wo bleibt dabei Assads Waffenbruder Wladimir Putin, der plötzlich merken muss, dass der von ihm gesegnete neue US-Präsident viel unberechenbarer ist als geplant?

Trump schweigt sich aus über solche lästigen Details, wie immer. Entweder will er sich nicht allzu festlegen lassen, oder er weiß es selbst noch nicht so genau. Denn alles geht ja so schnell: Trumps Rückwärtsrolle - über die Experten lange rätseln werden, ob sie impulsiv ist oder durchdacht - ist die Top-Schlagzeile eines Tages, an dem sich die Ereignisse überschlagen.

Russland hält weiterhin zu Assad

Denn in das politische Washington platzte zugleich eine weitere Meldung: Trumps ultrarechter Chefberater Stephen Bannon verliert seinen Sitz im nationalen Sicherheitsrat. Dahinter steckt womöglich ein interner Machtkampf, bei dem sich die etabliert-altgedienten Experten um Sicherheitsberater H.R. McMaster gegen den Russland-nahen Ideologen Bannon durchgesetzt haben - was wiederum auch mit zum Syrien-Zickzack geführt haben könnte.

Begonnen hatte das Hin und Her in New York, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Frankreich berief eine Syrien-Sondersitzung ein, und wie es der Kalender will, führen die USA im April den Vorsitz unter Leitung ihrer neuen Botschafterin Nikki Haley, einer diplomatisch ebenfalls unerfahrenen Ex-Gouverneurin. Drama programmiert: Frankreich, Großbritannien und die USA haben in aller Eile eine Syrien-Resolution gezimmert. Die verurteilt den Giftgaseinsatz aufs Schärfste und setzt eine internationale Untersuchung ein. Hauptaugenmerk: die syrische Luftwaffe.

Doch es ist klar, dass Russland das nie akzeptieren wird. Das signalisiert Moskau schon vorab, indem es Assad ausdrücklich in Schutz nimmt. Im Sicherheitsrat geht Russlands Vizebotschafter Wladimir Safronkow - ein rabiater Ersatz für den kürzlich verstorbenen, allseits respektierten Uno-Veteran Witali Tschurkin - noch weiter. Bis hin zur Absurdität.

Die Resolution reflektiere die "Anti-Damaskus-Kampagne" des Westens, bellt er, und gehöre "auf die Müllhalde der Geschichte". Die Hintermänner des "angeblichen Vorfalls" seien nicht Assads Truppen, sondern "chemische Terroristen". Safronkows lange, wütende Tirade strotzt vor falschen Schuldzuweisungen, Ablenkungsmanövern, Nebelkerzen, Fake News - eine Strategie, die auch den Amerikanern inzwischen vertraut vorkommen dürfte.

Trump in derselben Situationen wie Obama

Nikki Haley pariert das mit einem ihrerseits flammenden Vortrag. Bebend hält sie zwei Fotos toter Kinder hoch: "Schaut auf diese Bilder. Wir können vor diesen Bildern nicht die Augen verschließen." Anders als Trump macht sie nicht nur Assad verantwortlich, sondern namentlich auch Russland. "Dieser Rat sieht sich als Verfechter des Friedens und der Menschenrechte", ruft sie. "Wir verdienen diese Beschreibung nicht, wenn wir heute nicht handeln."

Das kurze, doch bewegende Statement macht Haley im Handumdrehen zum neuen Uno-Star. Obwohl sie sich damit selbst widerspricht - hat sie Assad doch vor Kurzem erst als unverrückbares Mobiliar im Nahen Osten dargestellt. Ähnlich wie US-Außenminister Rex Tillerson, der noch vorige Woche postuliert hatte, Assads Schicksal müsse "vom syrischen Volk bestimmt" werden, nicht vom Westen.

Haley und Trump merken freilich, dass sie sich bei ihrem koordinierten - und bei den gemütsbewegten Wählern sicher populären - Syrien-Sinneswandel nicht mit Schall und Rauch begnügen können. Wie erwartet blockiert Moskau die Resolution, sie wird nun neu verhandelt, sprich verwässert. Wie auch immer: Sie hätte wohl so wenig Effekt wie all die Resolutionen vor ihr.

So findet sich Trump genau da, wo Obama vor dreieinhalb Jahren war. "Die USA stehen an der Seite unserer Alliierten auf der ganzen Welt und verurteilen diese abscheuliche Attacke", sagt er im Rosengarten. Und nun? Er winkt ab: "Ich sage ungern, wohin ich gehe und was ich tue."

Quelle : spiegel.de

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