"China muss aufhören, uns zu vergewaltigen"

  06 April 2017    Gelesen: 1027
"China muss aufhören, uns zu vergewaltigen"
Wenn es um China geht, hat Donald Trump den Mund ziemlich voll genommen. Heute trifft er den chinesischen Staatschef. Das Treffen dürfte zeigen, wie begrenzt die Macht des US-Präsidenten ist.

An diesem Donnerstag empfängt US-Präsident Donald Trump den chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping in seinem Privatclub Mar-a-Lago in Florida. Selbst in normalen Zeiten wäre ein solches Treffen wichtig: Die USA und China sind die größten Wirtschaftsnationen der Welt, zusammen stehen sie für 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft.

Noch sehr viel spannender ist das Treffen angesichts der bisherigen Äußerungen des amerikanischen Präsidenten. Trump hat China im Wahlkampf und auch danach wiederholt unfaire Handelspraktiken vorgeworfen – und dabei so scharfe Töne angeschlagen, dass ein Handelskrieg zwischen China und den USA möglich scheint.

"Trump steht innenpolitisch unter Zugzwang, seine Wahlkampfversprechen einzulösen", sagt Björn Conrad vom Mercator Institute for China Studies in Berlin. "Nachdem er mit der Gesundheitsreform gescheitert ist, könnte es durchaus sein, dass er mit einer harten Linie gegenüber China in der Handelspolitik bei seinen Wählern zu punkten versucht."

Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Treffen von Trump und Xi.

Wer hat das Treffen vorbereitet?

Auf US-Seite ist das Jared Kushner, der Schwiegersohn Trumps. Kushner ist im Weißen Haus für viele Dinge zuständig – neben dem Kontakt zu ausländischen Regierungen unter anderem für den Nahost-Konflikt und für die Reform der Strafjustiz. In den vergangenen Tagen war er im Irak. Er hat so gut wie keine Expertise in Sachen China.

Auf der chinesischen Seite koordinierte Cui Tiankai die Vorbereitungen. Er hat nur einen Job: Cui ist seit 2013 Botschafter Chinas in Washington. Der Diplomat hat unter anderem in den USA studiert und bei den Vereinten Nationen als Dolmetscher gearbeitet.

Was will China?

Peking will vor allem einen Handelskonflikt verhindern. Der bekennende Globalisierungsgegner Trump wirft China vor, sich durch unfaire Handelspraktiken auf Kosten der Amerikaner zu bereichern: Das Land treibe durch Subventionen und eine künstlich niedrig gehaltene Währung Exporte in die USA voran – und behindere zugleich Exporte von US-Unternehmen nach China. Tatsächlich verkauft die Volksrepublik deutlich mehr Güter in die USA als sie von dort einführt: Das US-Handelsdefizit mit China betrug im vergangenen Jahr 347 Milliarden Dollar.

Trump droht, entsprechend seinem Wahlkampfmotto "America first", mit Gegenmaßnahmen wie Schutzzöllen in Höhe von 45 Prozent. Xi warnt, ein solcher Konflikt kenne keine Gewinner. Vorsorglich hieß es jüngst in einem Leitartikel des von Peking kontrollierten Parteiblatts "Global Times": Sollte es Strafzölle geben, werde es zu einer Reaktion nach dem Motto "Auge um Auge, Zahn um Zahn" kommen.

Was wollen die Amerikaner?

Themen gibt es genug, neben der Handelspolitik etwa den Streit um den chinesischen Anspruch auf das Südchinesische Meer und Nordkorea. Das alles will Trump wohl auch ansprechen. Aber: "Präsident Trump sieht dieses Treffen wirklich als ersten Schritt, um ein konstruktives und ergebnisorientiertes Verhältnis aufzubauen, aus dem beide Länder Nutzen ziehen", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter kürzlich bei einem Presse-Briefing im Weißen Haus.

Mit anderen Worten: Konkrete Erwartungen an das Treffen hat Trump nicht – wie auch, sein Außenministerium ist personell noch immer so unterbesetzt, dass es nicht richtig arbeitsfähig ist. In einem Interview mit der "Financial Times" sagte Trump kürzlich, er wolle mit Xi bei diesem Treffen noch nicht über mögliche Schutzzölle gegen chinesische Waren sprechen. Positiv gewendet könnte man also sagen, es geht ihm (wie bei seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel) nur um ein erstes Kennenlernen. Man könnte allerdings auch unterstellen, dass er noch gar keine konkreten Ziele hat, über die er mit Xi sprechen könnte.

Stimmt der Vorwurf der Währungsmanipulation überhaupt?

Trump ist sich sicher: China manipuliert seine Währung. Und zwar, indem das Land den Renminbi künstlich niedrig hält und so seine Waren auf dem Weltmarkt billiger macht – und damit Arbeitsplätze in den USA vernichtet. "Wir sind ein Sparschwein, das ausgeraubt wird", wütete Trump. Anders ausgedrückt: "Wir können es nicht dulden, dass China unser Land weiter vergewaltigt."

China weist den Vorwurf der Währungsmanipulation entrüstet von sich. Dabei ist es offensichtlich, dass die Volksrepublik den Kurs manipuliert: Der Yuan darf lediglich um die von der politisch nicht unabhängigen Zentralbank gesetzten Marke in einer festgelegten Bandbreite schwanken.

Die Frage ist also: Drückt China seine Währung künstlich, um die Exportwirtschaft zu stützen? Das war in der Vergangenheit wohl der Fall, doch in letzter Zeit nicht mehr. Im Gegenteil: China stützt den Renminbi. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die immensen Währungsreserven des Landes kräftig fallen. Der Rückgang ist ein deutliches Zeichen für die große Anstrengung, die Chinas Zentralbank mittlerweile unternehmen muss, um den Wechselkurs des Renminbi zu verteidigen. Das macht sie vor allem deshalb, um die Kapitalflucht einzudämmen.

Welche Rolle wird Nordkorea spielen?

Erstaunlicherweise sprachen die Regierungsvertreter das Thema Nordkorea beim Presse-Briefing nicht von sich aus an. Erst auf Nachfrage hieß es, Nordkorea sei von dringendem Interesse für die US-Regierung, Trump habe sehr deutlich gemacht, dass China seinen beträchtlichen wirtschaftlichen Einfluss geltend machen müsse, um eine friedliche Lösung des Problems herbeizuführen. Das hat Trump in der Tat: "China hat großen Einfluss auf Nordkorea", sagte Trump der "Financial Times". Wenn China das nordkoreanische Problem nicht löse, "werden wir es tun".

Bislang hat sich der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un von Drohungen allerdings nicht beeindrucken lassen, und dass die chinesische Regierung diffuse Interview-Äußerungen zum Anlass nimmt, Kim unter Druck zu setzen, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Was also will Trump tun? "Nun, wir überlassen es dem Präsidenten, das zu diskutieren", sagte ein Regierungsvertreter in Washington. "Aber ich denke, dass er ein klares Signal an Präsident Xi aussenden wird." Kurzum: Auch mit Blick auf Nordkorea ist es möglich, dass Trump gar nicht weiß, was genau er in seinen Verhandlungen mit Xi erreichen will.

Was ist mit Taiwan?

Nach seinem Wahlsieg nahm Trump einen Anruf der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen an, was für Peking eine massive Provokation war – aus Sicht der chinesischen Regierung ist Taiwan eine abtrünnige Provinz; Staaten, die mit China Handel treiben und diplomatische Beziehungen unterhalten wollen, dürfen den Inselstaat nicht anerkennen.

Im Januar, kurz vor seinem Amtsantritt, stellte Trump diese Ein-China-Politik sogar explizit infrage. "Alles ist Gegenstand von Verhandlungen, auch die Ein-China-Politik", sagte er dem "Wall Street Journal". Doch im Februar knickte er ein: Am Telefon sagte er Xi zu, den Alleinvertretungsanspruch der Volksrepublik anzuerkennen. Hier dürfte es also keine Konflikte mehr geben. Das hatte bereits der Besuch von US-Außenminister Rex Tillerson in Peking deutlich gemacht. Tillerson benutzte dabei Formulierungen über "gegenseitigen Respekt", die Experten zufolge klangen, wie vom Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas diktiert – und die letztlich besagen, dass die USA Chinas Anspruch auf Taiwan und auf das Südchinesische Meer akzeptieren.

Wird Arabella Kushner dabei sein?

Diese Frage wurde beim Briefing in Washington nicht gestellt und kann hier leider nicht beantwortet werden. Denkbar wäre es. Für alle, die mit den Details amerikanisch-chinesischer Beziehungen nicht so vertraut sind: Arabella Kushner ist Trumps fünfjährige Enkelin. In dieser familiär betriebenen Administration scheint sie gleichzeitig eine der wichtigsten Diplomatinnen für die amerikanische China-Politik zu sein: Arabellas Mutter, Ivanka Trump, postete Anfang Februar zum chinesischen Neujahrsfest ein Video, in dem ihre Tochter ein chinesisches Lied singt und dabei mit einem Drachen spielt. Kurz davor waren Arabella und Ivanka auf dem Neujahrsempfang des chinesischen Botschafters in Washington erschienen. Dieser Auftritt "könnte die chinesisch-amerikanischen Beziehungen beleben", schrieb die "Global Times" darauf. Gut möglich, dass das Mädchen, das angeblich Mandarin lernt, seit sie 18 Monate alt ist, auch nach Mar-a-Lago gebracht wird.

Warum findet das Treffen in Mar-a-Lago statt?

Anfangs sprachen Vertreter des Weißen Hauses davon, der Präsident fahre ins "Winter White House", wenn Trump sich übers Wochenende nach Florida verabschiedete. Mittlerweile ist man zu der Bezeichnung "Southern White House" übergegangen – Trump ist ganz offensichtlich einfach gern in Mar-a-Lago und nutzt jede Gelegenheit, in seinem Privatclub zu sein statt in Washington. Die beiden First Ladys, Melania Trump und Peng Liyuan, werden ebenfalls dort sein. Peng ist übrigens in China eine bekannte Sängerin.

Werden Xi und Trump Golf spielen?

Nein. Anders als der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe, mit dem Trump im Februar in Mar-a-Lago war, spielt Xi nicht Golf. Aus Sicht der Kommunistischen Partei Chinas ist Golf ein Zeichen für Dekadenz.

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