Kräfteschau gegen Kims Kohle

  10 April 2017    Gelesen: 405
Kräfteschau gegen Kims Kohle
Die USA verlegen einen Flugzeugträger vor die koreanische Halbinsel, Japan spricht von "ständiger Alarmbereitschaft": Der Westen will Nordkorea von seinem Atomprogramm abbringen. Doch Kim Jong Uns Geldströme dafür sind kaum zu stoppen.
Mit seinem jüngsten Raketenangriff auf einen Stützpunkt der syrischen Luftwaffe hat US-Präsident Donald Trump indirekt auch China eine Lektion erteilt. Die kaum verhüllte Botschaft lautet: Wenn ihr mir nicht helft, Diktator Kim Jong Un von seiner nuklearen Aufrüstung abzubringen, könnte ich auch einen Präventivschlag gegen Nordkorea starten.

Trumps Syrien-Aktion ist in Ostasien aufmerksam registriert worden. Sie schürt die aktuelle Unsicherheit in der Region zusätzlich. Denn Nordkoreas Machthaber Kim fordert die USA immer dreister heraus. Aufgrund neuer amerikanischer Satellitenaufnahmen befürchten Experten, dass Kim dabei ist, einen sechsten Nukleartest vorzubereiten. Der jüngste Luftschlag gegen das syrische Militär ist nach den Worten von US-Außenminister Rex Tillerson auch eine Warnung: Eine amerikanische Antwort sei wahrscheinlich, wenn von anderen Staaten eine Gefahr ausgehe, sagte Tillerson. "In Bezug auf Nordkorea sind wir sehr klar, dass unser Ziel eine denukliarisierte koreanische Halbinsel ist."

Denn schon in wenigen Jahren könnte Kim in der Lage sein, mit Nuklear-Raketen die USA anzugreifen.

Angesichts dieser Gefahr wächst der Druck auf China, seinen Verbündeten endlich in die Schranken zu weisen. Bislang ließ Peking den Diktator indes gewähren. Denn ein Kollaps der Kim-Dynastie könnte Massen von Flüchtlingen in die nordostchinesische Grenzregion treiben und dort für Instabilität sorgen. Zudem verlöre China seinen Puffer gegenüber dem US-Verbündeten Südkorea.

China setzt Sanktionen kaum oder nur lasch um

Doch nun müssen die Machthaber in Peking ihre strategische Toleranz gegenüber Nordkorea mit einem neuen Risikofaktor abwägen: Trump. Am Sonntag ließ der US-Präsident den Konvoi um den Flugzeugträger "USS Carl Vinson" in Richtung der Koreanischen Halbinsel im westlichen Pazifik entsenden. Ein Armeesprecher sprach von einer Vorsichtsmaßnahme, um die Präsenz und Bereitschaft zu stärken. Auch Trumps Verbündeter Japan fürchtet eine "neue Stufe der Bedrohung" durch Nordkorea. Japan müsse permanent, "24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr" in Alarmbereitschaft sein, deshalb brauche das Land neue militärische Optionen, erklärte der frühere Verteidigungsminister Itsunori Onodera.

Falls Trump auf die Idee kommt, Nordkorea anzugreifen, hätte dies unkalkulierbare Folgen für das Gleichgewicht der Mächte in Ostasien.

Denn anders als Syriens Baschar al-Assad wäre Nordkoreas Kim durchaus in der Lage, einen Gegenangriff auf die US-Verbündeten Südkorea oder Japan auszuführen. Allein mit seiner Artillerie könnte er große Teile von Seoul verwüsten; die südkoreanische Hauptstadt liegt nur wenige Kilometer von der Demarkationslinie am 38. Breitengrad entfernt.

Doch was könnte China tun, um Kims Atomkurs zu stoppen

Auf den ersten Blick besitzt das Reich der Mitte mächtige wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten auf den kleinen Verbündeten. Seit Südkorea im Februar 2016 die Industriezone Kaesong schloss - dort fertigten nordkoreanische Arbeiter Billigprodukte für südkoreanische Firmen - hängt das Regime in Pjöngjang zu rund 90 Prozent vom Handel mit China ab.

Die immer neuen Sanktionen, welche die Vereinten Nationen gegen Nordkorea verhängt haben, hat China kaum oder nur lasch umgesetzt - das lässt sich aus der chinesischen Zollstatistik ablesen. Im Februar kündigte Peking zwar an, Kohleeinfuhren aus Nordkorea zu stoppen. Damit verlöre das Regime eine wichtige Einnahmequelle. Wie ernst diese Ankündigung gemeint ist und wie schmerzhaft sie Nordkorea trifft, muss sich noch zeigen.

Stellvertreter-Firmen in China

Bislang leidet Nordkorea offenbar kaum unter dem Stopp der Kohleexporte: Denn das Kim-Regime überlebt vor allem dank Geld- und Warenströmen, die sich äußerst schwer eindämmen lassen, weder von den USA noch von China. "Die Grenze zwischen China und Nordkorea ist rund 1300 Kilometer lang, sie lässt sich nicht wirksam abriegeln", sagt Lim Eul Chul, vom Zentrum für Internationale Kooperation für Nordkoreanische Entwicklung in Seoul.

In China betreibt das Kim-Regime über Landsleute oder chinesische Mittelsleute Hunderte Firmen - Handelshäuser, Restaurants - die alle möglichen Produkte und Dienstleistungen vertreiben. Deren Nordkorea-Verbindungen sind von außen oft nicht zu erkennen. Die Stellvertreter-Firmen überweisen ihre Einnahmen selten über Banken nach Nordkorea. Vielmehr geben sie das Geld wieder in China aus, um Waren und Technologien einzukaufen, die Nordkorea braucht.

Das Regime in Pjöngjang ermutigt die eigenen Untertanen dazu, Geschäfte zu treiben. "Kim bringt einzelne Individuen erfolgreich dazu, im Land zu investieren", sagt Experte Lim, beispielsweise in neue Freizeitparks oder in das Transportwesen. Dafür gewähre der Herrscher großzügige Anreize, die bis zur Hälfte des jeweiligen Investitions-Volumens betragen können.

"Nordkorea ist zwar offiziell eine Planwirtschaft, aber parallel dazu hat sich eine Art Marktwirtschaft entwickelt, ohne die auch die Planwirtschaft längst nicht mehr funktionieren würde," sagt Lim.

Eine effiziente Geldmaschine

Zudem verschafft sich Nordkorea auf illegalen Wegen Geld - durch Schmuggel von Drogen oder Falschgeld. Eine wichtige Rolle dabei spielen Kuriere, die mit Diplomatenpässen reisen und deren Gepäck von ausländischen Grenzposten nicht kontrolliert werden darf.

Kim hat sein verarmtes Land in eine effiziente Geldmaschine verwandelt. Zu den Geschäftsmethoden gehören raffinierte Hacker-Angriffe auf ausländische Banken, die Nordkorea zur Last gelegt werden. Allein bei dem spektakulären Cyber-Überfall auf die Zentralbank von Bangladesch im vergangenen Jahr sollen Hacker im Auftrag des Regimes über 100 Millionen US-Dollar erbeutet haben.

Durch striktere wirtschaftliche Sanktionen lässt sich Kim also nicht von seinen ehrgeizigen nuklearen Rüstungsplänen abbringen. Insofern kann auch China Trump nicht helfen. Stattdessen, empfiehlt Nordkorea-Experte Lim, solle Trump das wiederholt geäußerte Vermittlungsangebot der Chinesen annehmen und politische Gespräche mit Pjöngjang beginnen.

Falls Kim Jong Un sich auf so einen Dialog einlässt, dann wohl nur, um Zeit für sein Atomprogamm zu gewinnen. Denn nach dem jüngsten US-Angriff auf Syrien dürfte er noch eifriger an Raketen tüfteln lassen als bisher. Frei nach der Diktatoren-Logik: Hätte Assad Atomwaffen besessen, hätte Trump ihn vielleicht nicht so kurz entschlossen angegriffen.

Quelle : spiegel.de

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