US-Präsident Donald Trump hat gar die Möglichkeit eines Präventivschlags gegen das nuklear bewaffnete Land angedeutet. Sollte das mit Pjöngjang verbündete China das Nordkorea-Problem nicht lösen, "werden wir es tun", sagte Trump der "Financial Times".
Das Problem: Nordkoreas Atomwaffen- und Raketenprogramm ist so weit gediehen, dass selbst ein eng begrenzter Angriff auf das Land mit unkalkulierbaren Risiken verbunden wäre. Und die jüngsten technologischen Entwicklungen Nordkoreas legen nahe, dass das Land eifrig dabei ist, sich noch besser gegen einen amerikanischen Erstschlag zu wappnen.
Nordkorea noch schwieriger angreifbar
Im Februar sorgte Nordkorea mit dem Test einer Mittelstreckenrakete des Typs "Bukgeukseong-2", auch als KN-15 bekannt, für Aufsehen. Zwar schien das Geschoss nach Ansicht westlicher Experten nicht leistungsfähiger zu sein als die bereits bekannte "Musudan"-Mittelstreckenrakete. Doch anders als die "Musudan" besitzt die KN-15 einen Feststoffantrieb - und er könnte das nordkoreanische Regime noch schwieriger angreifbar machen als ohnehin schon.
Nordkoreas bisher bekannte Flüssigtreibstoff-Raketen gelten als relativ veraltet. Sie besitzen zwei Tanks: Einer enthält den Brennstoff, der andere flüssigen Sauerstoff. Wird beides vermischt und entzündet, schießt die Rakete auf einem Feuerstrahl in den Himmel. Allerdings können die explosiven Flüssigkeiten nur begrenzte Zeit im Innern einer Rakete gelagert werden, zudem ist der Transport eines betankten Systems heikel oder gar unmöglich. Deshalb müssen insbesondere größere Flüssigkeitsraketen unmittelbar vor dem Einsatz betankt werden. Sie sind dadurch verwundbar für präventive Angriffe.
Feststoffraketen können dagegen auch im betankten Zustand durch die Gegend gefahren werden, benötigen keine zusätzlichen Tankfahrzeuge und sind dadurch wesentlich schwieriger auffindbar. Zudem sind sie binnen Minuten nach dem Abschussbefehl startklar. Auch gegenüber der "Nodong", einer weiteren nordkoreanischen Flüssigkeitsrakete, biete die KN-15 "viel mehr Mobilität, Überlebensfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit", schrieb der Raketenexperte John Schilling auf "38 North".
Schneller Schritt zum Feststoffantrieb
Entsprechend groß war das Aufsehen, als Nordkorea im Mai 2015 eine Feststoffrakete erfolgreich testete. Es handelte sich dabei um die für U-Boote konstruierte "Bukgeukseong -1" oder KN-11. Mit dem Test des Nachfolgemodells im Februar dieses Jahres hat das Regime in Pjöngjang nun gezeigt, dass es auch eine landgestützte Version der Waffe besitzt - auch wenn noch unklar ist, ob sie bereits zuverlässig genug für den militärischen Einsatz ist.
Bemerkenswert ist nach Ansicht von Experten, dass Nordkorea die "Bukgeukseong -1" gleich unter Wasser gezündet und die "Bukgeukseong -2" von einer geländegängigen mobilen Abschussrampe aus abgefeuert hat - statt von Versuchsrampen. "Nordkorea hatte zuvor kaum Erfahrung mit Feststoffantrieben", sagt der Münchner Raketenexperte Markus Schiller. "Und jetzt hat das Land plötzlich zweistufige Feststoffraketen mit einer Reichweite von 2000 Kilometern." Das nähre den Verdacht, dass es Hilfe von außen gegeben habe.
Schiller gehörte lange zu jenen Fachleuten, die Nordkoreas Raketenprogramm für weit überschätzt hielten - vor allem wegen der viel zu seltenen Tests, die zur Entwicklung militärischer Systeme unerlässlich sind. Inzwischen aber habe sich in Pjöngjang offenbar die Einsicht durchgesetzt, "dass sie mehr schießen müssen, um ernst genommen zu werden", so Schiller. Auch bei der Nato wächst die Sorge. "Über Nordkoreas Raketen lacht heute niemand mehr", meint ein Diplomat im Brüsseler Nato-Hauptquartier.
Besitzt Nordkorea bereits Atomraketen?
Sollte Nordkorea auf breiter Front auf mobile und schnell feuerbereite Feststoffraketen setzen, würde dies die Chancen der USA deutlich verringern, mit einem Präventivschlag alle Raketen zuverlässig auszuschalten. Das aber wäre die Voraussetzung dafür, einen potentiell verheerenden Gegenschlag Pjöngjangs zu verhindern.
Wie verheerend er wäre, ist unklar. Kim Jong Un hat im März 2016 erstmals persönlich behauptet, eine Atomwaffe zu besitzen, die klein und leicht genug für eine Rakete wäre. Auf Fotos posierte er neben einer Metallkugel, bei der es sich um eine Atombombe handeln sollte. Das südkoreanische Verteidigungsministerium erklärte anschließend, Nordkorea besitze die notwendige Technologie nicht. US-Admiral William Gortney war vorsichtiger: Es wäre "weise", davon auszugehen, dass Pjöngjang die Technologie sehr wohl besitze, sagte Gortney am Tag nach Kims Machtdemonstration vor dem US-Senat.
Zudem verfügt Nordkorea auch noch über andere Massenvernichtungswaffen - etwa das Nervengift VX. Daran wurde die Welt nachdrücklich erinnert, als Kim Jong Uns Halbbruder Kim Jong Nam im Februar auf dem Flughafen von Kuala Lumpur mit VX ermordet wurde. Sollte Nordkoreas Machthaber hinter dem Attentat stecken, so wie es malaysische Behörden vermuten, wäre ihm die Demonstration öffentlichkeitswirksam gelungen.
Sorge in Japan und Südkorea
Eine Rakete wiederum kann VX genauso transportieren wie eine Atomwaffe oder konventionellen Sprengstoff - "das ist der Rakete egal", meint Schiller. Und strategisch gesehen, schrieb kürzlich der US-Militärexperte Robert Bateman, "macht es keinen großen Unterschied, ob man innerhalb von Minuten von einem Nervengift getötet wird oder in einem nuklearen Blitz stirbt".
Das beträfe derzeit wohl vor allem die US-Verbündeten Südkorea und Japan, die beide innerhalb der Reichweite von Nordkoreas Artillerie und Raketen liegen. Die USA sind derzeit noch außer Gefahr: Die Langstreckenraketen Nordkoreas gelten als noch nicht militärisch einsatzfähig. Doch auch das könnte sich in absehbarer Zeit ändern.
Quelle : spiegel.de
Tags: