Russen sollen Gewalt gegen Homosexuelle in Tschetschenien stoppen

  14 April 2017    Gelesen: 1161
Russen sollen Gewalt gegen Homosexuelle in Tschetschenien stoppen
Mehr als 100 Festnahmen, Folter, mindestens drei Tote: Tschetschenien geht brutal gegen Homosexuelle und Transgender vor - auch wenn die Führung dementiert. Nun nimmt die Uno den Kreml in die Pflicht.
Die tschetschenischen Behörden geben sich zwar alle Mühe, das Thema herunterzuspielen. Doch inzwischen sorgen die Berichte von staatlichen Übergriffen auf mehr als 100 Homosexuelle und Transgender auch international für Protest.

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte wandte sich mit einem Aufruf direkt an Russland, Druck auf die Führung in Tschetschenien zu machen. Der Kreml müsse die Verfolgung stoppen, heißt es auf der Webseite des Büros des Hohen Kommissars. Homosexuelle lebten in einem Klima der Angst, das auch durch die homophobe Rhetorik der Behörden entstünde. Die Investigativ-Journalistin Elena Milaschina von der russischen "Nowaja Gaseta"hatte als erste über die Vorfälle berichtet.

Sie stützt sich bei ihren Enthüllungen auf Informationen von LGBT-Aktivisten, aber auch Vertretern verschiedener Behörden, dem Innenministerium, der tschetschenischen Staatsanwaltschaft und örtlichen Geheimdienstkreisen.

Laut den Vereinten Nationen werden die Festgenommen physisch und psychisch gefoltert. Die Rede ist von Schlägen, Elektroschocks und erzwungenen Outings gegenüber den Familien.

Ein Betroffener, "Adam" genannt, schilderte dem britischen "Guardian" Szenen aus zehn Tagen Haft. Mindestens einmal täglich kamen demnach die Peiniger in Adams Zelle, montierten ihm Metallklammern an Finger und Zehen. Durch diese Klammern zuckten Stromschläge in seinen Körper. Gelang es ihm, trotz der Schmerzen nicht zu schreien, habe es Schläge mit Holzknüppeln und Metallstangen gesetzt.

"Sie haben uns, mich und die anderen Häftlinge, als 'Tiere' beschimpft, uns gesagt, dass wir dort drinnen sterben würden", sagte Adam, der Tschetschenien inzwischen verlassen hat, dem "Guardian" weiter. Irgendwann sei er dann seiner Familie übergeben worden - mit dem Hinweis: "Euer Sohn ist eine Schwuchtel. Macht mit ihm, was ihr für richtig haltet."

Neben weitere Protestnoten von internationalen Menschenrechtsorganisationen hat es am Mittwoch erste Kundgebungen vor der russischen Botschaft in London gegeben. Mehrere Hundert Menschen forderten dort ebenfalls eine klare Haltung der russischen Regierung.

Die beschuldigten Behörden in Tschetschenien haben ihre eigene Art, mit den Vorwürfen umzugehen. Aus dem Innenministerium hieß es Anfang des Monats, bei dem Zeitungsbericht müsse es sich wohl um einen Aprilscherz handeln. Ein Sprecher des autoritär regierenden Präsidenten Ramsan Kadyrow erklärte: "Man muss niemanden festnehmen oder unterdrücken, den es in unserer Republik gar nicht gibt." Doch selbst wenn es in Tschetschenien Homosexuelle gäbe, hätten die Sicherheitskräfte mit ihnen kein Problem, "weil die eigenen Verwandten sie dorthin schicken würden, von wo sie nicht mehr zurückkehren würden".

Der Kreml spottet - und winkt ab

Während man daran zweifeln darf, dass Tschetschenien "schwulenfrei" ist, ist die häufige Abkehr der Familien von homosexuellen Kindern eine Tatsache. In der muslimisch geprägten Teilrepublik sind Homophobie und Stigmatisierung von Schwulen, Lesben und Transgender so groß, dass Familien mitunter die eigenen Kinder aus Scham verstoßen, wenn deren sexuelle Identität öffentlich wird. Auch Adams Vater habe nach dem Vorfall nicht mehr mit ihm gesprochen und mit Gewalt gedroht, heißt es in dem "Guardian"-Bericht - bis der Sohn heimlich aus seinem Elternhaus geflohen sei.

Allzu große Hoffnungen, dass der Kreml tatsächlich auf die Führung in der Hauptstadt Grosny einwirken könnte, gibt es allerdings nicht. Man werde die Berichte über Angriffe auf Homosexuelle überprüfen, hatte Dmitri Peskow, Sprecher von Präsident Wladimir Putin, schon Anfang April erklärt. Er selbst sei aber "kein großer Spezialist in Sachen nichttraditioneller Orientierung", spottete Peskow. Das Thema stehe nicht "auf der Agenda des Kreml".

Quelle : spiegel.de

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