Wahlkommission erklärt Erdogan zum Sieger

  17 April 2017    Gelesen: 1130
Wahlkommission erklärt Erdogan zum Sieger
Die Türkei wird allem Anschein nach in Zukunft von einem Präsidenten regiert. Die Wahlkommission erklärte die Befürworter der Verfassungsreform um Staatschef Erdogan am späten Abend zum Sieger des Referendums. Die türkische Opposition will die Niederlage allerdings nicht akzeptieren.
Die türkische Wahlkommission hat das "Ja"-Lager nach dem vorläufigen Abstimmungsergebnis zum Sieger des Referendums über die Einführung eines Präsidialsystems erklärt. Nach dem vorläufigen Resultat habe das "Ja"-Lager gewonnen, sagte Kommissionschef Sadi Güven am Sonntagabend in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu haben 51,3 Prozent der Wahlberechtigten für die Verfassungsänderung gestimmt. Das sei das Ergebnis nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen. Demnach gratulierte Präsident Erdogan unter anderen Ministerpräsident Binali Yildirim zu dem bei der Volksabstimmung erzielten "Sieg".

Das Ergebnis ist umstritten. Erdogan begrüßte die "historische Entscheidung" der Wähler. "Mit dem Volk haben wir die wichtigste Reform in unserer Geschichte realisiert", sagte Erdogan. Er rief das Ausland auf, das Ergebnis des Referendums zu respektieren. Auch Ministerpräsident Binali Yildirim erklärte zuvor das "Ja"-Lager zum Sieger. "Das letzte Wort hat das Volk gesprochen. Es hat "Ja" gesagt und einen Punkt gesetzt", sagte Yildirim.

Proteste der Opposition

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel rief zu Besonnenheit auf. "Es sieht nach dem erwartet knappen Ergebnis aus. Wie auch immer das Votum des türkischen Volkes am Ende ausfallen wird: Wir sind gut beraten, jetzt kühlen Kopf zu bewahren und besonnen vorzugehen. Es ist gut, dass der so erbittert geführte Wahlkampf, auch bei uns in Deutschland, jetzt vorbei ist."

Die größte Oppositionspartei CHP will mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmzettel erneut auszählen lassen. Man werde eine Neuauszählung von bis zu 60 Prozent der Stimmzettel verlangen, erklärt die Spitze der sozialdemokratischen Partei. Sie erklärte die Abstimmung für ungültig. Die prokurdische HDP erklärte, sie werde eine Neuauszählung von zwei Dritteln der Urnen verlangen. Es gebe Hinweise auf eine "Manipulation der Abstimmung in Höhe von drei bis vier Prozentpunkte".

Die türkische Wahlkommission hatte bei der Volksabstimmung auch nicht von ihr verifizierte Stimmzettel zugelassen. Auch dies kritisierte die CHP. Noch während des Urnengangs erklärte die Kommission auf ihrer Website, dass auch nicht von ihr gekennzeichnete Stimmzettel und Umschläge als gültig gezählt würden. Normalerweise werden diese von der Kommission gestempelt um sicherzustellen, dass keine Zettel oder Umschläge von außen verwendet werden.

Hintergrund der Entscheidung war, dass einige Bezirkswahlkommissionen bei der Abstimmung nicht verifzierte Stimmzettel und Umschläge an die Wähler ausgeteilt hatten. Mehmet Hadimi Yakupoglu, Vertreter der größten Oppositionspartei CHP, kritisierte die Entscheidung und sagte, er sei in der Kommission überstimmt worden. Wahlbeobachter im Südosten der Türkei sprachen von Behinderungen durch die Polizei.

Gespaltenes Land

Die Wahlkarte zeigte eine starke Spaltung des Landes: Während der kurdische Südosten und der Westen des Landes überwiegend mit Nein stimmten, stellten sich das anatolische Kernland und die Regionen an der Schwarzmeerküste mehrheitlich hinter die umstrittene Verfassungsreform. Die Hauptstadt Ankara war so wie Istanbul praktisch zwischen Ja und Nein gespalten. Izmir votierte mit mehr als zwei Drittel der Stimmen dagegen. Die Abstimmung wurde vorwiegend als Abstimmung für oder gegen Erdogan wahrgenommen, der Inhalt der Verfassungsänderung spielte kaum eine Rolle in den Debatten.

Erdogan-Berater Mustafa Akis hatte schon vor dem Endergebnis gesagt, er rechne mit einem Sieg. "Das Ergebnis ist in allen Aspekten legitim und demokratisch." Akis sagte, der Wahlkampf sei aus seiner Sicht fair verlaufen. "Diejenigen, die für ein "Ja" oder für ein "Nein" warben, hatten die Möglichkeit, sich durch Medien auszudrücken und mit der Öffentlichkeit zusammenzutreffen", sagte er. "Ich glaube, sie hatten gleiche Chancen. Ich habe keine Ungleichheiten gesehen."

Die Opposition hatte einen zutiefst unfairen Wahlkampf kritisiert, bei dem Erdogans AKP auf Staatsmittel zurückgegriffen habe. Das Präsidialsystem wird Erdogan mit deutlich mehr Macht ausstatten. Die Opposition warnte vor einer Ein-Mann-Herrschaft. Erdogan versprach Stabilität und Sicherheit. Er stellte zudem die Einführung der Todesstrafe in Aussicht.

Insgesamt waren rund 58,2 Millionen Wahlberechtigte zur Abstimmung aufgerufen: 55,3 Millionen in der Türkei und 2,9 Millionen im Ausland. Letztere hatten bis zum Sonntag vergangener Woche die Möglichkeit, in ihren jeweiligen Ländern abzustimmen. In Deutschland hatte die Wahlbeteiligung bei knapp 49 Prozent gelegen.

Quelle: n-tv.de , rpe/dpa/AFP/chr

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