Trump und Nordkorea

  18 April 2017    Gelesen: 458
Trump und Nordkorea
Drohungen, Provokationen, Säbelrasseln: Die USA und Nordkorea schaukeln sich immer mehr hoch. Jetzt soll China vermitteln. Doch neben Diktator Kim Jong Un gibt es noch eine andere unberechenbare Größe - Donald Trump.
US-Vizepräsident Mike Pence hat nie gedient. Doch sein Vater Ed kämpfte einst im Koreakrieg und bekam dafür 1953 die Bronze Star Medal verliehen. Der Sohn erbte den Heldenorden und hat ihn bis heute in seinem Büro hängen.

Es war also auch ein persönlicher Moment, als Pence am Montag die entmilitarisierte Zone (DMZ) zwischen Süd- und Nordkorea besuchte. Er zog eine Fliegerjacke an und ließ sich bis auf 15 Meter an die Demarkationslinie heranführen. Von drüben fotografierten nordkoreanische Soldaten die Szene.

"Für mich und meine Familie ist es sehr bedeutsam, so viele Jahre nach dem Kriegsdienst meines Vaters hier zu sein", sagte Pence anschließend in einem CNN-Interview. "Ich glaube, er lächelt gerade vom Himmel auf uns herab."

Pences Abstecher in die DMZ war natürlich mehr als nur eine sentimentale Reise in die Vergangenheit. Donald Trumps Stellvertreter überbrachte eine politisch-militärische Botschaft - an Nordkorea und seinen atomwaffenwilden Diktator Kim Jong Un, aber auch an Südkorea, China und den Rest der Welt.

"Die Ära der strategischen Geduld ist vorbei", sagte Pence in Anspielung auf die bisherige US-Koreapolitik. Entweder werde sich China für die Lösung des Problems einsetzen, "oder die USA und unsere Alliierten werden es tun".

Erinnerungen an die Kubakrise

Das war keine neue Drohung. Doch ihr Schauplatz - in nordkoreanischer Sichtweite - war eindeutig: Für Washington ist Nordkorea Krisenherd Nummer eins geworden. Syrien? Russland? Mexiko? Nein: Trumps Albtraum ist Nordkorea - doch wie der sprunghafte, streitlustige Präsident und sein unberechenbarer Gegenspieler das nun meistern, raubt nicht nur den Amerikanern den Schlaf.

Google berichtet, mehr Menschen denn je suchten nach dem Begriff "Dritter Weltkrieg". Angestaubte Schutzhandbücher für Atomangriffe zirkulieren im Internet. Der Sicherheitsexperte Robert Litwak vom Woodrow Wilson Center erinnerte in der "New York Times" an die nukleare Paranoia zum Höhepunkt des Kalten Krieges: Dies sei wie die "Kubakrise in Zeitlupe". Die Kubakrise führte Russland und die USA 1962 an den Abgrund des Atomkriegs.

Die jüngsten Äußerungen beider Seiten in der aktuellen Krise machen wenig Mut. Was er Nordkorea zu sagen habe, wurde Trump am Montag beim traditionellen Ostereierlauf des Weißen Hauses gefragt. Seine Antwort: "Sie müssen sich benehmen!" Woraufhin der nordkoreanische Uno-Vizebotschafter Kim In Ryong aus New York zurückschoss. "Auf der Halbinsel kann jeden Moment ein thermonuklearer Krieg ausbrechen", warnte er auf einer Pressekonferenz.

Unberechenbarer Faktor im Weißen Haus

Am Wochenende hatte sich die Lage dramatisch hochgeschaukelt. Kim ließ mit einer Militärparade die Muskeln spielen, scheiterte dann aber mit einem Raketentest. US-Kriegsschiffe kreuzten vor Nordkoreas Küste. Das Weiße Haus dementierte Meldungen von einem Präventivschlag, die es offenbar selbst lanciert hatte, eine offensichtliche Verunsicherungstaktik. Mit Pjöngjangs sechstem Atomwaffentest wird unterdessen weiter gerechnet - und was danach geschehen würde, das bleibt beängstigende Spekulation.

Denn während bisher Nordkorea der unberechenbare Faktor war, sitzt nun ein weiterer im Weißen Haus. Keiner weiß, was Trumps nächsten Reflex auslöst - ein TV-Bild, eine Bemerkung seiner Tochter Ivanka oder, wie neulich, eine zehnminütige Nordkorea-Lektion des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, die ihn zu der Erkenntnis bewegte: "Es ist nicht so einfach." Trump fehlt das Interesse an Details, das politische Wissen - und das Bewusstsein für die in diesem Fall verheerenden Folgen.

"Alle Optionen für Nordkorea stehen zur Debatte", twitterte der demokratische US-Abgeordnete Adam Schiff. "Inklusive absolutes Desaster."

Weshalb Pence die aufgeheizte Rhetorik am Montag denn auch gleich wieder zurückschraubte: "Wir werden unsere Bemühungen verstärken, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Nordkorea auszuüben", sagte er in Südkorea. "Wir hoffen, dass wir dieses Problem friedlich lösen können."

So bleibt China Trumps letzte Hoffnung, da es die einzige Macht ist, die Einfluss hat auf Nordkorea. Eine ironische Wendung, hatte Trump im Wahlkampf doch noch inbrünstig gegen Peking gepoltert. Doch Politik ist für ihn nichts als eine Reihe von Transaktionen, wie ein Immobiliendeal: Überzeugungen werden nach Bedarf gewechselt, verworfen, dementiert.

China ist bereit, zu vermitteln

Deshalb will er von seinen früheren Beschimpfungen Chinas plötzlich nichts mehr wissen. Deshalb versuchte er Xi in Florida mit einer bizarren Mischung aus Luxus, Schokotorte und Säbelrasseln zu beeindrucken. Deshalb legt er, typisch Trump, trotzdem immer noch die eine oder andere Drohung nach, sei es ein amerikanischer "Alleingang" oder Sanktionen gegen Peking.

China - das im Koreakrieg auf Nordkoreas Seite gestanden hatte - signalisierte Bereitschaft, sich als Vermittler zur Verfügung zu stellen. Denn ein atomar bewaffnetes Nordkorea ist nicht in seinem Sinne. Aber auch nicht ein Kollaps des Regimes, das ihm als Puffer dient gegen Südkorea mit seinen US-Stützpunkten - ganz zu schweigen von den Toten und Flüchtlingsströmen eines neu entflammenden Kriegs jenseits seiner Landgrenze zur Halbinsel.

Die Lage bleibt trotzdem völlig unkalkulierbar, für die Akteure wie die Beobachter. "Ich habe die Kubakrise mitgemacht, den Vietnamkrieg, die zwei Irakkriege", sagte Armeeveteran Lawrence Wilkerson, Ex-Stabschef des früheren US-Außenministers Colin Powell, im TV-Sender MSNBC. "Ich muss sagen, ich habe mich noch nie so um dieses Land und die Welt gesorgt wie jetzt."

Quelle : spiegel.de

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