„Das Treffen hat mehr einen technischen Charakter. Deutschland hat die G20-Präsidentschaft inne, der Gipfel findet Anfang Juli in Hamburg statt. Selbstverständlich wird der Präsident Russlands dorthin kommen, und diese Problematik wird Gegenstand der Erörterungen und sozusagen der offizielle Teil sein. Man darf nichts Schicksalhaftes davon erwarten. Denn das, was im Vorfeld der G20 diskutiert wird, sind die allgemeinen Fragen, und die Sitzungen selbst sind dagegen von der aktuellen Entwicklung abhängig.“
Russland und Deutschland – Beziehungen „abgestürzt“
Was die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland angeht, so sind sie sozusagen „abgestürzt“. Der russische Faktor diene als Instrument des innenpolitischen Kampfes, so der Experte.
„In Deutschland findet jetzt der Wahlkampf statt — als Teil des großen europäischen Prozesses dieses Jahres. Die Ergebnisse sind mehr oder weniger voraussagbar – Merkel bleibt. Aber in welcher Koalition, ist weniger klar. Dementsprechend wird alles diesem untergeordnet sein. Und der russische Faktor wird hier leider ein Instrument des innenpolitischen Kampfes in dem Spiel, allerdings etwas weniger als in Amerika. Gleichfalls ist man sich in Europa darüber unklar, was von Donald Trump zu erwarten ist. Diese ganze Situation verursacht eine große Spannung, was es nicht gerade förderlich ist, optimal auf die Beziehungen zu Russland zu reagieren.»
Zwischen zwei Stühlen – Wahlkampagne und Wirtschaft
Der Politikwissenschaftler und Direktor des Zentrums für politische Information, Alexej Muchin, meint, dass die Bundeskanzlerin kaum harte politische Aussagen in Bezug auf Russland machen werde.
„Es ist klar, dass Angela Merkel nun zeigen muss, dass alles, was sie bis jetzt getan hat, politisch sinnvoll war. Dabei muss sie eine harte Stellung gegenüber Wladimir Putin einnehmen. Dadurch soll sie die gewünschten Wähler anziehen. Auf der anderen Seite steht Angela Merkel selbst unter einem starken Druck der deutschen Wirtschaftslobby. Als Ergebnis dieses Drucks sehen wir die Umsetzung des Projekts Nord-Stream-2. Es bringt die Positionen der russischen und deutschen Unternehmer wieder näher. Später, nach ihrer Wahl, wird Angela Merkel möglicherweise ihre Feindseligkeit gegenüber Russland verringern und diese geschäftlich gesehen sinnlose Konfrontation abbauen“, so Muchin.
Die Ukraine und Syrien – kaum detailliert und ohne greifbare Ergebnisse
Die Ukraine, die Minsker Vereinbarungen sowie der Kampf gegen den Terrorismus würden auch Gegenstand der Gespräche in Sotschi sein, doch ohne greifbare Ergebnisse, meint Lukjanow. Diskutiert werde eine endlose Saga darüber, was mit dem Minsker Prozess zu tun sei. Er sei jetzt eingefroren, und weder Europa noch Amerika hätten eine klare politische Linie für was auch immer. Terrorismus sei ein Thema, das alle vereinigen könnte, aber dabei auch niemanden vereint habe. Diese Etappe sei schon vorbei. Man dürfe nicht davon ausgehen, dass dieses Thema als eine politische Brücke dienen könnte.
Das Thema der Ukraine würde kaum detailliert erörtert werden. Genauso wie Syrien, meint Muchin.
„Jetzt liegt es nicht in Deutschlands Interesse, viel Aufheben um diese Fragen zu machen. Sowohl in Syrien als auch in der Ukraine ist die europäische Politik äußerst erfolglos gewesen. Putin hat diesbezüglich Merkel stets etwas vorzuwerfen, und zwar dass Deutschland und Frankreich in Wirklichkeit nicht als Garant der Minsker Abkommen handeln, sondern diese Angelegenheit den ukrainischen Behörden überlassen haben, die dieses Abkommen natürlich nicht einhalten. Ich denke, dass Wladimir Putin diese Gelegenheit nutzen und Angela Merkel dazu auffordern wird, ein echter Garant der Minsker Abkommen zu sein und Kiew dazu zu zwingen, diese einzuhalten. Zumal die Lage im Donbass in Bezug auf Politik und Wirtschaft offenbar irreversibel wird. Ich beziehe mich auf die jüngste Stromabschaltung in Lugansk durch Kiew.“
Russland und der Westen – gemeinsame Richtung nicht zu erwarten
In seiner Analyse der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland, zwischen Russland und dem Westen insgesamt, betont Lukjanow, dass sie heutzutage leider wenig versprechend seien:
„Russland wird nicht als Gegenstand des politischen Interesses wahrgenommen. Es wurde sowohl in Deutschland als auch in Frankreich und in den USA zum Mittel, um innere und äußere Fragen zu regeln. Selbstverständlich wird sich Russland damit nicht abfinden. Dies bedeutet, dass eine gemeinsame Richtung, zumindest mittelfristig, nicht zu erwarten ist.“
Quelle:sputniknews
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