Neuanfang mit Putin? Merkel nimmt Kurs auf Osten

  02 Mai 2017    Gelesen: 525
Neuanfang mit Putin? Merkel nimmt Kurs auf Osten
Das Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sotschi könnte einen Neustart in den bilateralen Beziehungen einleiten, schreibt die Zeitung „Iswestija“ am Dienstag.
Bundeskanzlerin Angela Merkel reist auf Einladung der russischen Seite heute nach Sotschi, wo sie sich mit Präsident Wladimir Putin trifft. Experten zufolge gibt es gleich mehrere Gründe für den Russland-Besuch Merkels. Vom 7. bis 8. Juli findet in Hamburg der G20-Gipfel statt, weshalb es für die Bundeskanzlerin äußerst wichtig ist, die Grundlage für das bevorstehende Treffen der 20 wichtigsten Industrienationen vorzubereiten.

Darüber hinaus hat US-Präsident Donald Trump den europäischen Verbündeten kein eindeutiges Signal gesendet, welche Position er gegenüber der EU und Russland einnehmen wird. Merkel beschloss wohl, nicht mehr auf Zeichen aus Übersee zu warten, und heikle Fragen beim Dialog mit Moskau selbst zu besprechen. Auch die kommende Wahl in Deutschland spielt dabei eine große Rolle.
Nach ihrer Reise in den Westen nahm Merkel Kurs auf den Osten. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Föderationsrats, Andrej Klimow, fährt die Bundeskanzlerin nach Russland, um eine deutlichere Vorstellung davon zu bekommen, womit der G20-Gipfel enden kann, und um im Vorfeld der Wahlen in Deutschland eine richtige Taktik in der russischen Richtung zu wählen.

„Nach Brexit und der Abkühlung gegenüber der EU seitens der USA wird Merkel Chefdirigent der EU und will weiter Bundeskanzlerin bleiben. Sie muss also ein richtiges Herangehen an die Beziehungen zu Russland ausarbeiten. Ihr Besuch kann das Zusammenwirken zwischen Moskau und Brüssel beeinflussen. Russland ist zu einem konstruktiven Dialog bereit“, sagte Klimow. Ihm zufolge fördert das Treffen in Sotschi einen besseren, informellen und vertrauensvollen Dialog.

Merkel könnte bei den Gesprächen mit Putin eine harte Position einnehmen. Dies würde es ihr wohl ermöglichen, zusätzliche ein bis zwei Prozent der Popularitätswerte in Deutschland zu bekommen. Strategisch gesehen würde ein solches Szenario aber unweigerlich zur Verschlechterung der bilateralen Beziehungen führen.

„Meines Erachtens wird sie ein anderes Herangehen wählen. Merkel sollte die Tatsache nutzen, dass sie die Franzosen, die jetzt mit den eigenen Wahlen beschäftigt sind, nicht behindern werden, und dass die Amerikaner nicht ins große Ukraine-Spiel einsteigen. Das bietet die Chance, Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Abkommen zu vereinbaren“, sagte der Politologe Alexander Rahr.

In ihren letzten Äußerungen sprach Merkel auch über die Partnerschaftsbeziehungen zu Moskau. Washingtons unbestimmte Position in Bezug auf Russland bietet Berlin die Möglichkeit, einen selbstständigen Dialog mit Russland zu führen. Laut dem stellvertretenden Direktor des Europa-Instituts, Wladislaw Below, sprach Merkel bei der Münchner Sicherheitskonferenz von der Notwendigkeit, Berührungspunkte mit Russland zu finden und in die Zukunft zu blicken.

„Merkel und Putin werden versuchen, gemeinsam festzulegen, was weiter gemacht werden soll. Darüber hinaus ist bis heute unklar, wie die Amerikaner ihre europäische Außenpolitik, darunter in Russland, ausbauen werden“, sagte Below.

Laut dem Direktor des Deutschen Zentrums für Eurasische Studien, Manuel Ochsenreiter, versteht Merkel ganz gut, dass unter der deutschen Bevölkerung sowie in Geschäftskreisen die Unzufriedenheit wegen der schwierigen Beziehungen zu Moskau zunimmt. Merkel stoße auf ein Problem, bei dem man einerseits im nationalen Interesse handeln müsse, wobei andererseits aber die transatlantische Partnerschaft den Handlungsspielraum einschränke, so der Experte.

Die Positionen Berlins und Moskaus gehen zu vielen Fragen auseinander, beispielsweise hinsichtlich der Syrien-Frage. Merkel weiß, dass der Syrien-Krieg Deutschland direkt beeinflusst und die Migrationskrise verschärft, weshalb nach einer Lösung gesucht werden muss. Was die Kritik an Russland wegen der Ukraine-Frage betrifft, so ist sich Deutschland darüber im Klaren, dass Kiew an der schleppenden Umsetzung der Minsker Abkommen schuld ist, weshalb die Zeit gekommen ist, die Rhetorik Moskau gegenüber zu mildern. Trumps Zögern bei der Formulierung der eigenen außenpolitischen Agenda bietet Berlin die Chance, die russisch-deutschen Beziehungen selbstständig zu entwickeln.

Quelle. sputniknews.com

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