Wichtig ist, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt. Ich glaube, dass sowohl Merkel, als auch Putin ihre Minimalvorhaben erfüllt haben. Merkel hatte zwei Ziele. Erstens, der Öffentlichkeit in Deutschland zu demonstrieren, dass sie mit Putin hart reden kann. Das hat sie auf der Pressekonferenz bewiesen, als sie all diese kritischen Momente beleuchtet hat, die ja auch in den deutschen Medien heute das Russlandbild prägen, wie die Verfolgung Homosexueller in Tschetschenien bis zur Verhaftung von Demonstranten bei Protesten in Russland. Das brachte ihr Applaus zuhause. Merkels zweites Ziel war die Sicherstellung, dass der G20-Gipfel funktionieren wird. Dafür hat sie sich bei Trump und nun auch bei Putin abgesichert.
Die Geschichte über Schwulenverfolgung in Tschetschenien basiert bisher im Prinzip auf einem Zeitungsartikel. Ist dies nicht eine etwas anmaßende Einmischung in die russische Innenpolitik von Seiten der Kanzlerin?
Solche Äußerungen sind eindeutig auf die deutsche Innenpolitik gerichtet. Es ist Wahlkampf. Merkel hat ja auch von hybriden Kriegen gesprochen und den schon vergessenen Fall Lisa aufgewärmt und von Manipulationen gesprochen, was viele in Deutschland nicht nachvollziehen können.
Die Kanzlerin erwähnte auch die erwiesenermaßen banale Geschichte von einer Email an die in Litauen stationierte Bundeswehr, die zu einer russischen Desinformationskampagne aufgebauscht wurde. Glaubt die Kanzlerin an so etwas oder ist sie schlecht informiert?
Ich glaube nicht, dass die Kanzlerin schlecht informiert ist. Sie weiß einfach, wie sie die innenpolitische Debatte in Deutschland für ihren Wahlkampf nutzen kann. Ich fand das auch absolut überzogen. Diese Dinge gehören nicht auf eine Pressekonferenz. Dieser Stil ist aber nicht neu bei Merkel und ich glaube, dass Putin damit umgehen kann und auch zurückschlägt. So macht jeder Politik für sein Land. Ob sich dadurch allerdings die russisch-deutschen Beziehungen verbessern werden, ist eine andere Frage.
Was hat das Treffen denn für Präsident Putin gebracht
In den letzten Jahren wurde ja oft geschrieben, Russland sei so isoliert, niemand wolle mit Putin reden. Das kann jetzt niemand mehr sagen. Trump wird sich vielleicht noch vor dem G20-Gipfel zu einem Sondergespräch mit Putin treffen, Merkel war jetzt in Sotschi, wo sie eigentlich vorläufig nicht mehr hinfahren wollte, Erdogan kommt jetzt zum zweiten Mal nacheinander nach Russland. Viele Staatsführer geben sich jetzt in Russland die Klinke in die Hand.
Von beiden wurde die gute Rolle der Wirtschaft betont. Aber die Sanktionen kamen ja überhaupt nicht zur Sprache?
Das ist ein Trauerspiel. So kann das eigentlich nicht weitergehen. Die russische und deutsche Wirtschaft haben so viel zusammen vor, jetzt wo es in Russland wirtschaftlich wieder bergauf geht. Die deutsche Wirtschaft will das nutzen, aber kann nicht.
Im Grunde genommen haben Merkel und Putin in Sotschi aneinander vorbei geredet. Während Merkel von Menschenrechten sprach, hat Putin die Wirtschaftsbeziehungen betont. Das zeigt die Sprachlosigkeit in den derzeitigen deutsch-russischen Beziehungen. Die Russen setzen auf Interessen und Frau Merkel auf liberale Werte.
Präsident Putin hat gleich am Abend mit Präsident Trump telefoniert. Traut man sich etwa nicht, möchte sich Trump absichern, dass er nichts verpasst?
Ich denke, dass das eher ein Signal an Merkel gewesen ist von Seiten Putins, im Sinne von: Du hast mit Trump über Russland geredet und jetzt rede ich mit Trump über Deutschland. So etwas ist aber auf dem diplomatischen Parkett legitim. Putin will im Weltgeschehen mitmischen und Merkel befürchtet, dass Trump und Putin über ihren Kopf hinweg eine gemeinsame Männersprache finden und sie möglicherweise bei wichtigen Entscheidungen in Bezug auf Syrien oder die Ukraine übergehen. Letztendlich werden sich aber alle gemeinsam auf weltpolitischer Bühne in Hamburg treffen mit einem neuen französischen Präsidenten oder einer Präsidentin, mit einem Trump, der dort natürlich auftrumpfen wird, mit einem nicht mehr isolierten Putin und mit einer Gastgeberin Merkel, die hier gut moderieren muss, keine Konflikte eingehen darf, um ihre ambitionierte Agenda für das G20-Treffen durchzusetzen.
Quelle : sputnik.de
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