In diesen Städten droht ein Fahrverbot für Dieselautos

  04 Mai 2017    Gelesen: 983
In diesen Städten droht ein Fahrverbot für Dieselautos
Ein geplantes Spitzentreffen von Industrie und Politik über die Zukunft von Diesel-Motoren der Klasse Euro 5 ist überraschend geplatzt. Ohne Einigung werden Einschränkungen immer wahrscheinlicher.
Vertreter der deutschen Automobilindustrie haben nach Informationen der „Welt“ einen Diesel-Gipfel mit der grün-schwarzen Landesregierung von Baden-Württemberg kurzfristig platzen lassen. Die Industrie brauche „weitere Zeit für interne, technische Abstimmungen“, hieß es in Verhandlungskreisen.

Bei dem ursprünglich für Donnerstag in Stuttgart geplanten Spitzentreffen, an dem sich auch Zulieferer und Wissenschaftler beteiligen, sollte darüber diskutiert werden, wie Diesel-Motoren der Klasse Euro 5 so nachgerüstet werden könnten, dass ihren Haltern keine Fahrverbote in Innenstädte drohen. Aus diesem Grund hat die Zusammenkunft bundesweite Bedeutung.

Das hochrangig besetzte Treffen in Stuttgart soll nun „zeitnah nachgeholt“ werden, wie es seitens der Landesregierung und der Autobauer heißt. Doch dass es dabei eine Einigung gibt, ist wenig wahrscheinlich. Die Städte sind unter Druck, die Vorgaben zur Luftreinhaltung der EU zu erfüllen und müssen rasch Maßnahmen ergreifen. Die Autoindustrie kämpft gegen die seit der Dieselaffäre von Volkswagen schwindende Akzeptanz der Selbstzünder. Allein im April sank der Anteil der Dieselautos an den Neuzulassungen in Deutschland um 19,3 Prozent.

Technisch ist es offenbar möglich, einen großen Teil der Euro-5-Diesel so nachzurüsten, dass sie deutlich sauberer sind und den Werten von Euro 6 nahekommen – auch wenn unabhängige Tests fehlen. „Nachrüsttechnologien, beispielsweise für Euro-5-Diesel-Fahrzeuge, sind Stand heute noch nicht erprobt“, sagt Ulrich Chiellino, Leiter Verkehrspolitik beim ADAC. „Wir können ihre Wirkung erst bewerten, wenn wir entsprechende Produkte getestet haben.“

Umwelthilfe gegen Beteiligung der Halter

Noch wichtiger ist aber die Frage, wer für die Umrüstung zahlen soll. Weder die Politik noch die Industrie sehen sich dabei in der Pflicht. „Es ist klar, dass die Hersteller dafür aufkommen müssen“, heißt es im Stuttgarter Verkehrsministerium.

Die Autobauer kontern, „gemäß den gesetzlichen Bestimmungen einwandfreie Produkte“ geliefert zu haben. Es habe Überlegungen der Hersteller gegeben, die Kosten zu dritteln, berichtet der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch. „Ein Drittel sollte der Halter übernehmen, ein Drittel der Steuerzahler und nur ein Drittel die Industrie“, sagt er. Die Besitzer zur Kasse zu bitten, komme nicht in Frage.

Knapp sechs Millionen Fahrzeuge betroffen

Hamburg hatte diese Woche angekündigt, zwei Abschnitte großer Straßen für Diesel, die nicht den Euro-6-Anforderungen entsprechen, sperren zu wollen. In Stuttgart werden ab Anfang 2018 die Diesel von mehreren Straßen in der City verbannt. In weiteren Städten, darunter München und Berlin, werden ähnliche Verbote diskutiert – oder sind aufgrund von Klagen zu erwarten. Jedes dritte Auto in Deutschland ist ein Diesel. Und 39 Prozent dieser 15,1 Millionen Diesel haben einen Euro-5-Motoren. Das bedeutet, dass von einem flächendeckenden Bann in den Innenstädten 5,92 Millionen Pkw betroffen wären.

Die DUH hat Klagen eingereicht, weil in 16 Städten die Schadstoffgrenzwerte stellenweise nicht eingehalten werden. Auch die geplanten Verbote in Stuttgart und Hamburg gehen auf die DUH zurück. In Aachen, Berlin, Bonn, Darmstadt, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Gelsenkirchen, Köln, Limburg, Mainz, München, Offenbach, Reutlingen und Wiesbaden beschäftigt die schlechte Luft laut DUH Gerichte oder es liegen bereits Urteile vor.

„Fahrverbote sind aus Sicht des ADAC nicht zielführend“, sagt Chiellino. Sie würden die Mobilität von mehr als 13 Millionen Dieselfahrern einschränken. „Die Folgen der Diesel-Manipulationen auf die Verbraucher abzuwälzen, die sich vor wenigen Jahren im guten Glauben ein vermeintlich sauberes Dieselfahrzeug gekauft haben, wäre sozial ungerecht“, so Chiellino.

Dobrindt gegen blaue Plakette

Unterstützung für diese Position kommt vom Deutschen Städtetag. „Die Städte wollen Fahrverbote verhindern, denn wir wollen und dürfen den Verkehr in den Städten nicht lahmlegen. Deshalb tun wir alles, um die Luftqualität zu verbessern“, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der „Welt“. Aber wenn sich die Stickoxid-Grenzwerte in einigen Städten weiterhin nicht einhalten lassen, seien begrenzte Fahrverbote in einzelnen Städten zu befürchten.

„Denn erste Gerichtsurteile geben diese Richtung an, um über die bisherigen Maßnahmen hinaus die Gesundheit der Menschen zu schützen.“ Als Instrument dafür würden die Städte kurzfristig eine Blaue Plakette für Dieselfahrzeuge mit geringeren Schadstoffwerten brauchen, so Dedy. Eine solche einzuführen, ist aber Sache des Bundes. Doch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt die Blaue Plakette ab.

Städte könnten die Diesel auch ohne Unterstützung des Bundes aussperren. Als wegweisend gilt ein Verfahren, das die DUH gegen die Stadt Düsseldorf angestrengt hatte. Die Richter am Verwaltungsgericht haben geurteilt, dass es durchaus möglich sei, zur Verbesserung der Luft Fahrverbote zu verhängen. Dafür brauche man keine Blaue Plakette. „Die gegenwärtigen bundesrechtlichen Regelungen erlauben (...) schon heute die Anordnung von Fahrverboten für (bestimmte) Dieselfahrzeuge“, heißt es in dem Urteil.

Die Richter folgten dem Vorschlag der Kläger, dass die Kommunen einfach ein Durchfahrt-Verboten-Schild, das sogenannte Verkehrszeichen 251, mit einem Zusatzschild anbringen könnten, wonach die Beschränkung nur für bestimmte Dieselfahrzeuge gilt. Noch ist das Düsseldorfer Urteil nicht rechtskräftig, doch noch in diesem Jahr könnte das Bundesverwaltungsgericht über die Revision entscheiden.

Neben juristischen Erfolgen schöpft die DUH aus dem vor einer Woche vorgelegten neuen „Handbuch Emissionsfaktoren“ Hoffnung. Damit errechnen Stadtplaner, wie hoch die Schadstoffbelastung an bestimmten Orten sein wird. „Damit sind alle Luftreinhaltepläne Makulatur“, sagte DUH-Chef Resch. Denn daraus ergebe sich, dass auch der steigende Anteil neuer Euro-6-Dieselfahrzeuge nicht dazu führen wird, dass die Grenzwerte eingehalten werden. „Jetzt müssen die Städte handeln.“

Quelle : welt.de

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