Viele Menschen hatten sich mit Gasmasken für die Proteste gerüstet. Die Demonstranten werfen dem sozialistischen Präsident Nicolás Maduro die Errichtung einer Diktatur vor und fordern Neuwahlen. Seit Anfang April starben mehr als 30 Menschen, mehr als 1300 wurden festgenommen.
Auch vier Abgeordnete des Parlaments wurden verletzt. Vizepräsident Freddy Guevara wurde dabei von einer Tränengasbombe getroffen. Er erlitt einer Beinverletzung. "Eine von seiner Diktatur verursachte Verletzung ist eine Ehrenmedaille", sagte er an die Adresse Maduros. Guevara ist einer der Hoffnungsträger der Opposition. Der 31-Jährige kommt aus der Studentenbewegung und will Neuwahlen erzwingen. Zudem fordert er die Freilassung politischer Gefangener. Er will die Proteste, die sich an der zeitweiligen Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments entzündet hatten, bis zum Erfolg fortführen. Guevara rief das Militär wiederholt zum Bruch mit Maduro auf.
Maduro tanzt im Staatsfernsehen
Dieser hatte diese Woche bei der nationalen Wahlbehörde die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung mit rund 500 Mitgliedern beantragt, das hatte die Proteste nochmals befeuert. Die Opposition fürchtet durch die geplante Zusammensetzung mit vielen Sympathisanten der Sozialisten Änderungen hin zu einer Diktatur. Zudem versuche Maduro damit, den geforderten Neuwahlen zu entgehen.
Am Mittwoch wurde zudem ein Video in sozialen Medien geteilt, das Maduro beim Tanzen in der Wahlbehörde zeigt, während draußen die Polizei mit Tränengas massiv gegen die Demonstranten vorgeht.
Venezuela ist trotz der größten Ölreserven der Welt unter Maduro in die schlimmste Versorgungskrise seiner Geschichte geraten, der Präsident führt das auf den zeitweise stark gefallenen Ölpreis zurück. Wegen der Bedienung der Auslandsschulden und einer Hyperinflation fehlen die Mittel, um die Einfuhr von ausreichend Lebensmitteln und Medikamenten zu bezahlen. Schlangen vor oft leeren Supermärkten und Menschen, die im Müll nach Essbarem suchen, sind Alltag. Zudem hat die Gewalt zugenommen: 2016 wurden fast 28.500 Menschen in Venezuela ermordet.
Überraschende Kritik am Präsidenten gab es aus den eigenen Reihen. Generalstaatsanwältin Luisa Ortega sagte dem "Wall Street Journal": "Wir können nicht ein friedliches und legales Verhalten von den Bürgern verlangen, wenn der Staat Entscheidungen trifft, die nicht mit dem Gesetz vereinbar sind." Sie verteidigte zudem die bestehende Verfassung mit einer bisher zumindest auf dem Papier noch bestehenden Gewaltenteilung.
Sorge um inhaftierten Oppositionsführer
Unterdessen gibt es Rätselraten um den inhaftierten venezolanischen Oppositionsführer Leopoldo López. Nach zahlreichen Gerüchten um einen dramatisch verschlechterten Gesundheitszustand begab sich seine Frau Lilian Tintori zu einem Militärhospital, in das er angeblich eingeliefert worden sei. Der 46-jährige López soll sich seit Ausbruch der Unruhen in Isolationshaft befinden. Tintori teilte wenig später mit, ihr sei gesagt worden, ihr Mann sei nicht in dem Hospital.
Nach Wochen der Ungewissheit forderte sie aber ein Lebenszeichen und Klarheit. Der Vizechef der regierenden Sozialisten, Diosdado Cabello, betonte: "Sie haben Leopoldo nichts getan, sie erfinden eine Show." Er vermutet dahinter Versuche, in der aufgeheizten Situation die Anhänger der Opposition zusätzlich anzustacheln.
Der Chef der Partei Voluntad Popular ("Volkswille") verbüßt wegen angeblicher Anstachelung zur Gewalt bei regierungskritischen Protesten eine fast 14-jährige Haftstrafe, 2014 waren insgesamt 43 Menschen bei Protesten gegen Maduro gestorben. Das Urteil war scharf kritisiert worden.
Quelle : spiegel.de
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