Formel 1 rührt jetzt sogar das Herz

  15 Mai 2017    Gelesen: 758
Formel 1 rührt jetzt sogar das Herz
Die Formel-1-Saison biete inzwischen mit ziemlicher Sicherheit harte Rad-an-Rad-Duelle und spektakuläre Überholmanöver. Doch seit Barcelona zeigt sie auch noch Sportler mit Charakter und ein anderes Gesicht: ein herzliches, fast rührendes.
Die Formel-1-Rennen in Barcelona sind etwas Besonderes. Nicht nur, dass die Spanier ohnehin Motorsport begeistert sind und der Circuit de Catalunya immer ausverkauft ist, die Strecke ist auch für die Rennfahrer eine wahre Freude. Kurvenreich und vor allem breit genug für Überholmanöver kommt sie den neuen Hochgeschwindigkeits-Boliden der Königsklasse sehr entgegen. Allerdings ist sie nicht so breit, dass in der ersten Rechtskurve nach dem Start gleich drei Autos nebeneinander durch die Kehre gescheucht werden können. Und so verabschieden sich nach einer Kollision bereits zwei Podest-Aspiranten nach 740 Metern aus dem Rennen: die holländische Hoffnung Max Verstappen und der ewig kühle Kimi Räikkönen.

Doch auch solche Momente können etwas Anrührendes nach sich ziehen. Als der Finne nämlich seinen Dienstwagen auf dem Standstreifen abstellen muss, überträgt die Kamera Bilder eines in Tränen aufgelösten Jungen über die TV-Schirme und auf die großen Leinwände am Circuit de Catalunya. Der sechsjährige Thomas aus Frankreich beweint das Ausscheiden seines großen Idols. Eine Stunde später, als seine Kollegen noch ihre Runden drehen, werden Bilder gezeigt, wie der sonst eher frostige Räikkönen sich rührend um den kleinen Ferrari-Fan kümmert und mit ihm gemeinsam im Motorhome das Rennen anschaut. Wem hier nicht das Herz aufgeht …

Zurück zum Rennen: Das Ausscheiden von Verstappen hat auch etwas Ironisches. Noch vor dem Rennen hat der Holländer gescherzt: "Damit ich hier gewinne, müssen diesmal vier Autos ausfallen." Tatsächlich sind in Summe vier Fahrer ausgeschieden, profitiert haben diesmal aber andere. Einer der Gewinner ist zum Beispiel Pascal Wehrlein. Der Sauber-Pilot landet in Spanien auf Platz acht und holt die ersten WM-Punkte für das Schweizer Team. So weit vorn hat der Deutsche noch keines seiner Formel-1-Rennen beendet. Und das trotz einer Zeitstrafe, die er sich beim Einfahren in die Boxengasse geholt hat.

Für Dieter Zetsche werden Wünsche wahr

Aber das sind nur Randgeschichten. Das eigentliche Rennen spielt sich über 66 Runden zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel ab. Die beiden schenken sich nichts und lange sieht es nach einem Sieg des Ferrari-Piloten aus. Vettel gewinnt beim Start von Position zwei das Duell gegen Hamilton und setzt sich mit bis zu acht Sekunden von seinem Verfolger ab. Der viermalige WM-Champion geht auch als Erster aus der Spitzengruppe in Runde 15 an die Box und lässt sich frische Reifen aufziehen.

Mercedes holt den dreimaligen Weltmeister Hamilton sieben Runden später rein. Bottas übernimmt nun die Führung. Und Vettel steckt erstmal hinter dem Sotschi-Sieger fest. Hamilton kommt immer näher. Mit einem entschlossenen Zick-Zack-Manöver auf dem 4,655 Kilometer langen Kurs setzt sich Vettel wieder vor Bottas, der seinen Mercedes mit einem Motorschaden in der 39. Runde abstellen muss.

An der Spitze gibt es damit wieder einmal nur noch das Duell Vettel gegen Hamilton. Und was für eines! Nach dem Virtual Safety Car kommt Hamilton als Erster zu seinem zweiten Stopp in die Box, danach folgt der Deutsche. Bei der Ausfahrt verteidigt Vettel knallhart seine Führung gegen den Briten. Das ist Motorsport pur. Ein Umstand, den auch Mercedes-Chef Dieter Zetsche anerkennen muss: "Dass Mercedes nicht mehr ganz vorne ist, war ja der Wunsch aller Rennsportfans und diesem Wunsch konnten wir uns auf Dauer einfach nicht verschließen", sagt er augenzwinkernd in einem Gespräch mit n-tv.de. "Aber nach drei dominanten Jahren gibt es in dieser Saison wieder einen echten Wettbewerb. Etwas Besseres kann man einfach nicht haben. Logisch ist, dass wir am Ende trotzdem vorne sein wollen."

Formel 1 gewinnt Charakter zurück

Und tatsächlich geht der Wunsch in Barcelona in Erfüllung. Der Druck von Hamilton auf Vettel wird enorm. Am Ende ist es die Zusatzpower der Mercedes-Hybrid-Einheit, mit der der Silberpfeil am Ferrari vorbeischießt. Ein Umstand, der Vettel etwas resigniert in den Boxen-Funk schnaufen lässt: "Gegen diese Power habe ich keine Chance." Aber Ferrari will nicht aufgeben, klammert sich an die Hoffnung, dass Hamiltons weichere Reifen schneller abbauen. Aber das passiert nicht. Hamilton fährt das Rennen perfekt zu Ende und feiert seinen zweiten Saisonsieg. "Hätten wir den Lewis nicht, hätten wir nicht gewonnen. Das sind die zwei besten Fahrer, er und Sebastian", konstatiert Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda.

Mag sein, aber hier soll noch etwas anderes festgestellt werden. Die Formel 1 macht nicht nur den Piloten Spaß, auch die Zuschauer finden die Faszination an der Königsklasse wieder. Harte Rad-an-Rad-Duelle, weniger Taktikspielchen, dafür aber fahrerisches Können und auch mal ein Crash. Doch das ist nicht alles, was die Rennserie wieder sympathisch macht. Es sind die Geschichten am Rand des Rennens, wie die von Kimi und Thomas. Oder der Umstand, dass ein Sebastian Vettel selbst dann, wenn er nicht auf dem obersten Treppchen steht, fair und freundlich zu den Rennkollegen ist. Das macht nicht nur den Ferrari-Piloten zu einem großen Sportler, sondern gibt der Serie auch wieder Charakter.

Quelle: n-tv.de

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