Den Organisatoren der öffentlichen Veranstaltung ging es vor allem um eins: Aufzuzeigen, inwieweit sich die deutschen Sicherheitsbehörden nach dem Berliner Weihnachtsmarkt-Attentat am Breitscheidplatz neu aufgestellt haben. Um in Zukunft solche Anschläge zu vereiteln.
„Berlin ist die Hauptstadt der Spione“, begann Bernd Palenda, Leiter des Verfassungsschutzes des Landes Berlin, ein grundsätzliches Statement. „Berlin ist von daher seit jeher für die Dienste interessant, weil wir hier relative soziale Stabilität hatten und haben. Wie Sie bereits der Presse entnehmen konnten, gibt es kaum noch eine Differenzierung zwischen Freund und Feind. Spionieren unter Freunden ist verboten? Diese Regel ist mittlerweile obsolet geworden“, sagte er mit Blick auf die neusten Enthüllungen der BND-Spionage in den USA.
Geheimdienstzentren nach US-Vorbild kein Weg für Deutschland
Frank Rieger, technischer Geheimdienst-Experte, machte deutlich: „Was wir nach jedem Anschlag sehen, ist eine Reaktion der Sicherheitsbehörden nach dem Motto: ‚Wir müssen etwas tun, egal was. Wichtig ist, dass wir etwas tun‘“, so der Pressesprecher vom Chaos Computer Club (CCC) in Berlin. „Aber ich sage, man sollte auch etwas Sinnvolles tun.“ Darauf erwiderte Palenda: „Da haben Sie Recht, unnütze Dinge sollten wir wirklich nicht tun“, so der Verfassungsschutz-Chef: „Wir müssen Prävention stärken und zielgerichtete Maßnahmen ergreifen. Natürlich können wir nicht überall LkW-Poller aufstellen.“
Professorin Anna Daun entgegnete: „Das Aufstellen von Betonblöcken zum Schutz gegen heranrasende LKWs erhöht sicher nicht unser Sicherheitsgefühl“, so die Politikwissenschaftlerin von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. „Wenn wir, wie in Frankreich geschehen, viele Boller an den Straßenseiten aufstellen, fühlen sich viele Bürger nicht sicherer, wohl eher das Gegenteil.“
Daun sah die Lösung eher in der Stärkung zentraler Geheimdienst-Zentren: „Wir haben bereits das Gemeinsame Terror Abwehrzentrum (GTAZ).“ Raphael Bossong, Politologe von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, ergänzte: „Seit 2015 gibt es in Deutschland und auch zwischen den Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste der EU eine deutlich verstärkte Zusammenarbeit. Da wird bereits viel getan.“ Rieger lehnte die Schaffung von Terrorabwehr-Zentren nach US-amerikanischem Vorbild ab, sie seien definitiv kein Vorbild für Deutschland.
„Wenn Sie sich die sogenannten ‚Fusion Center‘ in den USA anschauen, dann sehen sie, dass dort Macht, Einfluss und Daten konzentriert werden“, so der Geheimdienst-Experte weiter. „Teilweise nur, um politisch unbequeme Gegner abzuhören“. Daun fragte später: „Kommt bald ein europäisches FBI?“ Rieger: „Nein, auch das kann kein Vorbild für Deutschland sein.“ Das FBI habe schließlich über V-Leute aus der Bevölkerung „False-Flag-Aktionen“ in den Vereinigten Staaten organisiert, behauptete Rieger.
Politische Elite „bereitet sich vor“
Für Rieger sind es einfache Beispiele, die die Gesellschaft vor Terror schützen könnten. „Einfaches Beispiel: Mehr Video-Überwachung in Bahnhöfen verhindert keine Treppenschubser, Bahnhofs-Treter, keine Terrorakte“, so der CCC-Sprecher. „Früher gab es fast bei jeder Zugfahrt einen Schaffner. Der stand, solange sein Zug hielt, neben den Gleisen auf dem Bahnsteig. Solange der Schaffner dort stand, ist nie etwas passiert. Wir brauchen mehr Schaffner. Mehr solcher einfachen Lösungen.“ Eine weitere These von Rieger: „Bei jedem großen Anschlag der letzten Jahre kannten die Behörden den Attentäter.“
Sein Abschluss-Statement lautete: „Derzeit werden in Deutschland Polizei, Sicherheitsbehörden und Geheimdienste gestärkt, unter dem Vorwand einer gestiegenen islamistischen Terrorismusgefahr. In Wahrheit jedoch, bereitet sich die politische Elite auf das vor, was kommt: Nämlich Unruhe in der Bevölkerung, revolutionsartige Umtriebe, letztlich ein gesellschaftlicher Wandel. Die Elite will dann vorbereitet sein“. Daraufhin fragte Politologin Daun: „Sind wir nicht reif? Haben wir die Stasi und die Gestapo nicht hinter uns?“ Rieger darauf: „Klares Nein!“
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