Rund 4000 zusätzliche Soldaten sollen jetzt an den Hindukusch. Ein Schritt, den man nur mit einer klaren und hochprofessionellen diplomatischen Strategie als Begleitinstrument wagt. Das könnte man denken. Aber offensichtlich nicht in Trumps Amerika.
Am Freitag verließ die Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, Laurel Miller, ihren Posten. Sie nahm ihren Spitzenberater Jonathan Carpenter mit. Einen Ersatz hat die Regierung Trump nicht parat.
Die Personalie sorgt unter amerikanischen Diplomaten, aber auch außerhalb dieses Zirkels, für Verwirrung. Zum einen, weil sie offensichtlich Teil einer Strategie ist, zum anderen, weil diese Strategie nicht allen einleuchtet.
Die Führung geht, das Büro bleibt
Schon unter Trumps Vorgänger Barack Obama gab es Pläne, das Büro des Sonderbeauftragten abzuschaffen und in die Abteilung für Süd- und Zentralasien des Außenministeriums einzugliedern. Die neue Regierung hätte diesen Schritt nun umsetzen müssen. Doch sie tat das offensichtlich nicht vollständig. Die Führung geht, doch das Büro bleibt zumindest vorübergehend bestehen.
Diplomaten verweisen nun darauf, dass es Verwirrung darüber geben könnte, wer Ansprechpartner ist und für die fragilen Kontakte zu Afghanistan und Pakistan die Verantwortung trägt – das kopflose Büro des Sonderbeauftragten oder die Süd- und Zentralasien-Abteilung des Außenministeriums.
"Alarmierend ist, dass der Transfer der Zuständigkeit nicht klar ist", sagte ein Diplomat, der namentlich nicht genannt werden wollte, dem Magazin "Politico". "Das Pentagon denkt über mehr Krieg in Afghanistan nach, während das Außenministerium das Büro schließt, das diesen wichtigen Schritt moderieren könnte", sagte ein anderer der "New York Times".
Die Macht der Waffen und die Macht der Worte
Diese Ungewissheit und Instabilität nimmt Trump offensichtlich bereitwillig im Kauf. Er setzt nicht nur auf eine neue Afghanistan- sondern auf eine gänzlich neue Außenpolitik.
Was die Außenpolitik betrifft zieht der US-Präsident anders als sein Vorgänger das Militärische der Diplomatie vor. Die Macht der Waffen imponiert ihm mehr als die Macht der Worte. An die Spitze des Verteidigungsministeriums setzte er mit James Mattis einen früheren General und gab ihm weitreichende Befugnisse. An die Spitze des Außenministeriums beorderte er folgerichtig mit dem Manager Rex Tillerson einen Mann aus der Ölindustrie, der bis zu seiner Ernennung alles andere als ein Berufsdiplomat war. Den Etat des Verteidigungsministeriums will Trump um etliche Milliarden aufstocken, den des Außenministeriums um rund 30 Prozent kürzen. Dabei sollen auch viele Posten, darunter die von seiner Meinung nach überflüssigen Sondergesandten, wegfallen.
Tillerson, der diesen Prozess umzusetzen hat, will seinem State Department eine neue Struktur geben und deutete an, dass er größere Personalentscheidungen erst danach fällen wolle.
Das dürfte einer der Gründe dafür sein, dass die Personalie der Sonderbeauftragten Miller nur eine in einer langen Reihe ist. Ende vergangenen Monats waren im Außenministerium noch rund 200 Posten unbesetzt, darunter eine ganze Reihe der Spitzenämter. Immerhin die wohl auffälligste Personallücke ist mittlerweile geschlossen: Ende Mai, fast ein halbes Jahr nach dem Regierungswechsel, bekam Tillerson einen Stellvertreter im State Department.
Militärisch setzte Trump dagegen Akzente. Er vergalt einen Chemiewaffeneinsatz in Syrien mit einer Salve von Marschflugkörpern und setzte in Afghanistan erstmals die größte konventionelle Bombe im Arsenal der US-Streitkräfte ein. Trump hielt Obamas Außenpolitik stets für zu zaghaft.
Trump will eine Verhandlungslösung militärisch erzwingen
Auch in Afghanistan will der neue US-Präsident einiges anders machen. Im Detail soll die neue Strategie im Juli vorliegen, die Eckpunkte zeichnen sich aber längst ab. Die Nachrichtenagentur Bloomberg zitiert einen hochrangigen US-Beamten mit der Aussage, dass Trump stärker auf einen regionalen statt einen länderspezifischen Ansatz setze. Im Umgang mit Afghanistan soll demnach viel mehr auf das Wirken von Russland und dem Iran eingegangen werden und diese klar in die Schranken gewiesen werden. Insbesondere der Iran, der seine Rolle als Regionalmacht stärken will und dem sich Obama öffnete, gilt Trump als Störenfried.
Außerdem wolle Trump anders als sein Vorgänger, der den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan einst für 2016 angekündigt hatte, keine derartigen Fristen mehr setzen. Obama wurde oft dafür kritisiert, weil die Sorge bestand, die Taliban würden deshalb schlicht den Abzug der Amerikaner abwarten, um dann zurück an die Macht zu drängen.
CNN zitiert einen US-Beamten mit den Worten, dass es Trump zudem durch die sich abzeichnende stärkere Militärpräsenz darum gehe die Taliban endgültig zu einer Verhandlungslösung zu zwingen. Auch, wenn er keineswegs wieder ein großangelegtes militärisches Engagement mit Zehntausenden Soldaten am Hindukusch erleben will.
Nicht nur unter Diplomaten gibt es Zweifel daran, dass Trumps Begeisterung für die militärischen Fähigkeiten der USA, die mit Abstrichen bei der Diplomatie einhergehen, der Sache dient. Ausgerechnet ein Zitat seines hochgeschätzten Verteidigungsministers Mattis wird ihm immer wieder vorgehalten. Der als nachdenklich geltende Kämpfer sagte, als er noch das US-Zentralkommando der Streitkräfte führte: "Wenn das Außenministerium nicht ausreichend finanziert ist, dann muss ich mehr Munition kaufen." Das war als Warnung gemeint.
Quelle: n-tv.de
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