Die Türkei-Frage spaltet Europa

  08 September 2017    Gelesen: 604
Die Türkei-Frage spaltet Europa
Während Präsident Erdogan in der Türkei den Rechtsstaat schleift, sucht Europa nach einer gemeinsamen Linie im Umgang mit dem Beitrittskandidaten: Auch Kanzlerin Merkel setzt sich mittlerweile für einen Abbruch der Gespräche ein. Doch einige EU-Partner zögern.
Die deutschen Forderungen nach einem Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei stoßen im Kreis der europäischen Partner auf wenig Gegenliebe. "Wir sollten die Türkei nicht verstoßen", sagte der britische Außenminister Boris Johnson am Rande eines EU-Treffens in der estnischen Hauptstadt Tallinn. "Sie ist für uns ein strategisch wichtiges Land." Ähnlich äußerten sich auch die Außenminister Ungarns, Litauens, Finnlands und Belgiens - womit ein verbindlicher Beschluss in der Sache äußerst unwahrscheinlich wird.

Die Debatte über einen möglichen Stopp der Beitrittsverhandlungen war zuvor durch eine überraschende Kehrtwende der Bundesregierung neu entfacht worden. Kanzlerin Angela Merkel hatte am Sonntag im Wahlkampf-Duell mit ihrem Herausforderer Martin Schulz angekündigt, beim nächsten EU-Gipfeltreffen darüber beraten zu wollen. Schulz hatte sich zuvor klar für einen Abbruch der Gespräche ausgesprochen. Ein solcher Schritt setzt allerdings eine einstimmige Entscheidung aller EU-Mitgliedstaaten voraus.

Der irische Außenminister Simon Coveney sagte, es sei "wichtig für die EU, nah an der Türkei zu bleiben und den Dialog fortzusetzen." Aus seiner Sicht solle dem Land jetzt nicht die Beitrittsperspektive genommen werden. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto verwies auf das Abkommen mit der Türkei zur Eindämmung des Flüchtlingszuzugs nach Europa und auf die ökonomische Stärke. "Die Türkei ist ein Land mit einer schnell wachsenden Wirtschaft", sagte er. "Es ist für uns von zentralem Interesse, dass wir mit der Türkei irgendeine Art von strategischer Partnerschaft eingehen."

Gespräche liegen schon auf Eis

Eine Absage an einen Abbruch kam auch aus Litauen: "Nein, nein, nein", sagte Minister Linas Linkevicius. "Wir sollten den Prozess fortsetzen - es ist nicht einfach, aber wir müssen zu Vereinbarungen stehen." Belgiens Minister Didier Reynders sah derzeit keinen Handlungsbedarf. "De facto" seien die Verhandlungen schon "gestoppt" und "eingefroren". "Es kommt nicht in Frage, irgendetwas anderes ins Auge zu fassen." Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nahm am zweiten Tag des EU-Treffens in Tallinn nicht mehr teil.

Die Beitrittsgespräche mit Ankara laufen seit 2005 und waren immer wieder von langen Phasen des Stillstands geprägt. Zuletzt hatte die Europäische Union 2015 und 2016 im Zuge der Zusammenarbeit mit Ankara in der Flüchtlingskrise die Verhandlungen auf zwei neue Kapitel ausgedehnt. Nach den Massenverhaftungen in der Türkei beschlossen die EU-Staaten jedoch im vergangenen Dezember, die Gespräche bis auf weiteres nicht mehr auszuweiten.

Quelle: n-tv.de

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