Porsche Cayenne - keiner ist so dynamisch

  01 November 2017    Gelesen: 1403
Porsche Cayenne - keiner ist so dynamisch
Jaguar, Bentley, Alfa Romeo: Viele Nischen-Hersteller versuchen sich inzwischen auch an einem SUV – doch nur selten vermitteln die Hochbeiner die Markenwerte so gut wie die eigentlichen Kernmodelle. Außer bei Porsche.
Das Porsche mit der kommenden Cayenne-Generation das Rad zumindest optisch nicht neu erfunden hat, war schon bei der Enthüllung klar. Statt eines radikalen Schritts hat Designer Michael Maurer mit seinem Team das Blechkleid nur verfeinert, hier und da ein bisschen was abgenäht, damit sich alles insgesamt noch ein wenig mehr über den durchtrainierten Körper spannt. Wo das hinführen soll? Ganz klar, in Richtung 911er.

Keine einfache Übung

Das aber ist gar nicht so einfach, denn so mir nichts, dir nichts lässt sich beispielsweise die organisch-sinnliche Eleganz einer abtauchenden Fronthaube nicht auf das Package des Cayenne pressen. Am Ende resultiert der Versuch in einem auffälligen Powerdome, der zeigen soll, wie tief man denn die Haube doch ziehen kann – ohne den der Cayenne aber gefälliger wäre. Keine Diskussion gibt’s dagegen am Heck. Der Hintern ist deutlich knackiger als beim Vorgänger. Wie beim Allrad-Elfer prangt jetzt über die volle Breite das durchgehende LED-Band – ein effektives Mittel, das typisch rundlich ausladende Heck eines Porsche zu gliedern und zu straffen.

Die optische Verwandtschaft zur Sportwagenikone schlecht hin stellt Porsche freilich nicht ohne Grund her. Schließlich haben sich neben Maurers Team auch die Ingenieure so weit wie möglich am Herzstück der Marke orientiert. Heißt: Noch kein Cayenne, ja wahrscheinlich sogar noch kein SUV zuvor, war derart sportlich, dynamisch, agil. Und zwar nicht, weil die Techniker jeglichen Komfort aus dem Lastenheft gestrichen und einfach nur einen brettharten Unterbau übrig gelassen haben. Nein, vielmehr haben sie es geschafft, das einzigartige Elfer-Feeling ziemlich genau auf das SUV zu übertragen. Chapeau, das schaffen nicht viele! Weder fühlt sich ein F-Pace so richtig nach Jaguar an, noch hat ein Bentayga das vollends-erhabene Bentley-Gefühl.

High-Tech vom Feinsten

Ganz so einfach war dieses Kunststück freilich auch für die Weissacher Entwickler nicht, und sie haben tief in die Trickkiste der Fahrhilfen greifen müssen. Mit der superpräzisen Lenkung lässt sich das Dickschiff millimetergenau dirigieren, die neue Dreikammer-Luftfederung erlaubt eine beeindruckende Spreizung zwischen weich und straff – und legt den Cayenne bei Bedarf für Offroad-Ausflüge höher; auch wenn die so gut wie keiner macht. Die 48-Volt-Wankstabilisierung gleicht Karosseriebewegungen bis zu einer Querbeschleunigung von 0,8 G aus, die Allradlenkung wirkt sich gleichermaßen positiv auf Handlichkeit und Stabilität aus. Würde der Fahrer die Augen zu machen – was er selbst ab Ende 2018, wenn der Cayenne zumindest teilautonom fahren können soll, nicht darf –, er könnte sich durchaus in einem flachen, leichten Zweisitzer wähnen.

Auf keinen Fall aber in einem SUV, das an der Fünf-Meter-Grenze kratzt, problemlos Platz für fünf Erwachsene bietet und mit 770 Litern nochmal 100 Liter mehr Stauraum hat als sein Vorgänger. Und: Auch wenn der Cayenne dank verstärktem Aluminium-Einsatz und beispielsweise einer neuen Batterie deutlich abgespeckt hat, wiegt der leichteste Vertreter immer noch mindestens 1985 Kilogramm – standesgemäß motorisiert zeigt die Waage nicht weniger als 2175 Kilogramm.

Standesgemäß mit Turbo

Was standesgemäß bedeutet? Natürlich mit Turbo. Besser gesagt, mit zweien. Dem großvolumigen Vierliter-V8 pressen zwei Schaufelräder die nötige Luft zum Verbrennen in die Zylinder, die dort mit mindestens 11,9 Liter feinst zerstäubtem Benzin pro 100 Kilometer gemischt wird. Dass dieser Verbrauchswert bei einer einigermaßen Porsche-typischen Gangart utopisch ist, versteht sich von selbst; allerdings lag die Abweichung bei der ersten, durchaus flott gefahrenen Runde mit dem 440-PS-Topmodell in den Bergen bei "nur" vier Litern – knapp 16 Liter zeigte der Bordcomputer an.

Das ist nicht wenig, in Anbetracht der faszinierenden Leichtigkeit, mit der der Turbo den Koloss bewegt, aber vertretbar. Schließlich dauert es nur 3,9 Sekunden bis das Schwergewicht über die 100-km/h-Marke schießt und weiter in Richtung Begrenzer marschiert. Um dieser Kraft wieder Herr zu werden, fahren die Turbo-Modelle serienmäßig mit neuen, Wolfram-Carbid-beschichteten Bremsscheiben vor und auch der bei einem SUV bislang unbekannte, ausfahrbare Spoiler trägt zur Verzögerung bei. Neben den beiden für mehr Abtrieb sorgenden Stellungen (20 und 40 Millimeter ausgefahren) lässt sich das Luftleitblech um 80 Millimeter aufgestellt auch als Airbrake nutzen – das reduziert den Bremsweg aus Tempo 250 um immerhin zwei Meter.

Paradedisziplin: Antritt

Noch beeindruckender als die negative Beschleunigung diese Koloss ist allerdings der Antritt. Hier spielt der mit heftigen 770 Newtonmeter ausstaffierte Achtender seine Trümpfe aus, und wirkt deutlich spontaner als seine schwächeren V6-Brüder. Die fahren mit drei Liter Hubraum und einen Turbo, oder als 2,9-Liter-Biturbo (Cayenne S) vor, wobei die mittlere Ausbaustufe eigentlich die überflüssigste ist. Freilich, mit 440 PS und 550 Newtonmeter stemmt der S jeweils 100 Pferderstärken und Kraftzähler mehr auf die Kurbelwelle als die Basisversion, doch auch der Doppelturbo braucht ein wenig, bis er aus dem Quark kommt. Beziehungsweise, bis das Achtgang-Automatikgetriebe sich bemüht, runterzuschalten.

Diese Zeit überbrückt der V8 mit seiner souveränen Kraft aus dem Drehzahlkeller, während die beiden Sechszylinder kurzzeitig etwas in der Luft hängen. Akzeptiert man das – oder trimmt man den Wandler stets durch die Wahl des Sport-Modus Beine – kann man aber auch getrost zum Basismodell greifen. Der braucht zwar eine Sekunden länger auf Tempo 100 (4,9 statt 5,9) als das S-Modell und läuft nur 245 statt 265 km/h, kostet mit 74.828 Euro aber auch gut 17.000 Euro weniger. Für den Turbo hingegen ruft Zuffenhausen stolze 138.850 Euro – auch hier steht der Cayenne dem 911er also in nichts mehr nach

Innen erste Sahne

Die Nase vorn hat das SUV auch beim Innenraum. Nach dem Panamera erhält der Cayenne als zweites Porsche-Modell das komplett neue Interieur: Eine Reminiszenz aus der Rennsport-Historie ist der zentrale, immer noch analog ausgeführte Drehzahlmesser, der sich zusammen mit zwei hochauflösenden Digitaldisplays zum Kombiinstrument zusammenfügt. Digital geht es auch in der Mittelkonsole weiter, hier hat der schon in der Limousine für Begeisterung sorgende 12,3-Zoll-Bildschirm Einzug gehalten, und mit ihm das schwarzglänzende, kapazitive Tastenfeld zur Klimasteuerung. Neben den Hardware-Experten verdienen hier auch die Programmierer ein großes Lob, kaum ein anderes Infotainmentsystem ist derart durchdacht und einfach zu bedienen.

Und es wird noch einfacher: Der neue Cayenne versteht Sprachbefehle noch besser und viele Fahrzeugfunktionen lassen sich zukünftig durch einfache Kommandos steuern. Wen es friert, der braucht nur "Mir ist kalt" zu sagen, schon dreht das Superhirn die Temperatur höher. Anders als andere Hersteller setzt Porsche dabei nicht auf einen bereits fertig entwickelten Sprachassistenten wie Amazons Alexa oder Microsofts Cortana, sondern bastelt sich eine eigene Lösung, die – in Anbetracht des Aufwands nicht verwunderlich – bald in vielen weiteren Volkswagen-Konzernmodellen zu finden sein wird. Dann dürfen sich auch VW-Polo-Fahrer ein bisschen wie in einem Porsche fühlen.

Quelle: n-tv.de

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