In einem der düsteren Stadtteile von Los Angeles, in Florence, hatte der ausgebildete Metzger aus Hamburg gemeinsam mit einem Freund im Jahr 1971 seine Firma "Porche Foreign Auto Car Dismantling" gegründet. Nun wird der aufmerksame Leser an dieser Stelle einen Schreibfehler vermuten und das fehlende S bei Porsche beklagen. Tatsächlich hat aber alles seine Richtigkeit. Der Sportwagenbauer aus Zuffenhausen sah es schon damals nicht gerne, wenn sein Name abseits seiner eigenen Pfründe verwendet wurde. So ließ Klein einfach das S in Porsche weg, nannte sein Unternehmen "Porche" und war so unangreifbar.
Edelschrott, soweit das Auge reicht
Über die Jahre sammelte Klein auf einem Areal von 16.000 Quadratmetern Schrott. Schrott, der es in sich hatte. Auf sein Anwesen kamen nur verunfallte oder anders zu Tode gekommene Luxuswagen. In der Regel Traumautos aus den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren: Rolls-Royce, Mercedes-SL-Pagoden, Heckflossen-Benz, ein paar 190er und 300-SL-Gerippe, alte BMW, Jensen Interceptor, Ferrari, Lamborghini und Porsche. Ausgebrannt, verbeult, verbogen, zersägt, unvollständig oder zum Teil ausgeschlachtet waren die Wracks vor 16 Jahren, als Löwisch und Rebmann das Areal zum ersten und letzten Mal betraten. Doch waren es seinerzeit nur stumme Zeitzeugen einer längst vergangenen Auto-Ära, sind es heute wahre Schätze in verbogenem Blech.
Rudi Klein kaufte seinen ersten verunfallten Mercedes 300 SL 1968. Schnell erwarb er weitere Unfallautos "für'n Appel und 'n Ei". Penibel achtete er darauf, dass wirklich nur Edelschrott auf seinem Anwesen landete. So ging der 280er-Mercedes von Burt Lancaster ebenso in seinen Besitz über wie das Rolls-Royce-Cabrio von Tony Curtis oder der Ferrari 250 LM von Sonny & Cher. Auch Vorkriegsautos aus deutscher Produktion, die US-amerikanische Militärs aus Europa mitgebracht hatten, fanden den Weg auf das Gelände von Klein. In der Ölkrise 1974 sicherte er sich mit Weitsicht großvolumige und vor allem teure Autos jeden Zustandes. Allein 20 der legendären Mercedes 300 SL sammelte er in den USA ein und schickte sie mit satten Gewinnen nach Deutschland zurück.
Der kleine Wahnsinn
In den 80er-Jahren stürmten Auto-Restaurierer aus aller Welt seinen Hof und zahlten irre Preise für den Edelschrott. Doch anstatt noch mehr Geld aus den verbeulten Wracks zu schlagen, stellt Klein es sich frei, die Fahrzeuge auch auf Anfrage nicht zu verkaufen, ruft horrende Summen auf oder behauptet, er würde den Wagen selber restaurieren. Löwisch beschreibt diesen Kleinschen Eigensinn so plastisch, dass dem Leser mit Blick auf die Fotos von Rebmann der Mund offen stehen bleibt. Im Besitz von Klein befand sich auch ein BMW 502, der 1956 nur in zwei Exemplaren als "Marburg" oder "Nürnberg" von Autenrith in Darmstadt karossiert wurde. Als der Hersteller anfragte, ob man den Wagen zurückkaufen könne, sagte Klein einfach "Nein!" Warum? Zu wenig Geld? Wohl kaum, er "hat einfach kein Interesse".
BMW war aber nicht der einzige Hersteller der bei Klein auf Granit biss. Auch Mercedes oder Porsche ließ der Deutsche abblitzen. Eine Ausnahme gab es aber, weiß Löwisch zu berichten: "Nur der Piëch, der kriegt was von mir", soll Rudi Klein damals gesagt haben. "Der Piëch ist der Einzige, der was von Automobilen und Technik versteht." Tatsächlich bekam der einstige VW-Chef neben einem Horch 780, den wohl die Hitler-Geliebte Eva Braun einst fuhr, auch einen Horch 855. Beide Fahrzeuge sind noch heute als Leihgaben im Audi-Museum in Ingolstadt zu sehen.
Mit Liebe zum Detail
Doch noch beredter als die Geschichten von Löwisch sind die Bilder, die Rebmann mit einer Mittelformatkamera Fuji 680GX und einer Kleinbildkamera Canon 1V gemacht hat. Der "Irrsinn" und die Eigenwilligkeit, mit der Klein die Fahrzeuge sammelte, spiegeln sich in der Aufbewahrung wider. Ohne erkennbares System stapeln sich Millionenwerte übereinander. Rebmann erkennt das ebenso wie die bizarren Veränderungen, die sich an den Karosserien vollziehen und den Charakter dieser mobilen Schätze verändern. Da ist eine Beule nicht mehr nur eine Delle im Blech, Rost ist nicht nur die bloße Korrosion. Nein, dort wo ein Autoleben endet, beginnt auf die eine oder andere Art und Weise ein anderes. "Dort wo der Lack ab ist, hat die Oxidation aus den Autos fast surreale Gebilde geschaffen", schreibt Löwisch.
Vor allem die unter freiem Himmel abgestellten Edel-Karossen beschleunigen ihre Mutation. Oft würde man den Hinweis auf einstige Größe gar nicht mehr erkennen, wenn das Kameraauge von Rebmann nicht zu Hilfe käme. Zum Beispiel, wenn lediglich die Motorhaube eines Jaguar E-Type wie ein bizarres Kunstwerk aus dem Boden wächst oder der Bentley, der zwischen all dem Schrott fast untergeht doch noch entdeckt wird. An anderer Stelle bemächtigt sich die Vegetation der Wracks und saugt sie förmlich in sich auf. Mit viel Liebe zum Detail, dem richtigen Blick und der Autokenntnis, die für ein echtes Junk-Yard-Fotobuch unerlässlich ist, lichtet Rebmann auch den Mercedes 170 S ab, dessen Innenleben so verstaubt ist wie der noch original in der Armatur befindliche Röhren-Rundfunkempfänger.
Auch die in den USA nun wirklich rare ADAC-Plakette an einem Porsche 911 entgeht Rebmanns Kamera nicht. Ebenso wenig wie die Fuchs-Felgen, für die Porsche-Liebhaber heute unvorstellbar viel Geld bezahlen würden. Und so wundert es nicht, dass auch der oben erwähnte BMW 502 und ein Porsche 356 C Carrera von 1964 mit Königswellen-Motor von Dr. Ernst Fuhrmann, 130 PS und Doppelzündung nicht unentdeckt bleiben. Auch ein Frühwerk des legendären Designers Giorgio Giugiaro, der Iso Grifo, der unter der Haube einen potenten US-V8 mit 5,4 bis sieben Liter Hubraum hatte, entgeht dem Objektiv von Rebmann nicht.
Aber neben all den Rostlauben, den willkürlich zusammengestellten Fahrzeugen finden sich Autos, deren Anblick dazu verleitet, nach dem Schlüssel zu fragen, um eine Proberunde bei Rudi Klein zu erbitten. Eines ist das Mercedes 500 K Special Coupé, das die Stuttgarter seinerzeit für Haus-Rennfahrer Rudolf Caracciola umgebaut hatten.
Nie zuvor und nie wieder danach entstanden solche Bilder auf dem kalifornischen Klassikerfriedhof von Rudi Klein. Er verstarb bereits kurze Zeit nach dem Besuch von Löwisch und Rebmann im Jahr 2001. Seine Söhne haben nach dem Tod das Gelände verkleinert, die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und einen Großteil der Fahrzeuge verkauft. In den letzten 16 Jahren hat kein Journalist das einstige Heiligtum des Hamburgers betreten. Insofern ist das Buch der beiden Autoren nicht nur eine einfache Chronik von geschrotteten Traumautos, sondern auch ein Stück künstlerisch abgelichteter und vor allem unwiederbringlicher Autogeschichte.
Quelle: n-tv.de
Tags: