Krieg ist ein böses Wort. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström verzichtete ausdrücklich darauf in ihrem Statement zur Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Stahl- und Aluminiumimporte mit satten Zöllen zu belegen. Die Schwedin riet, das Wort nicht leichtfertig im Mund zu führen - um im gleichen Augenblick einen Begriff zu verwenden, der eindeutig Kriegsvokabular ist: Vergeltung. "Wir schließen Vergeltungsmaßnahmen nicht aus", sagte sie. Denn die Entscheidung der Amerikaner sei "ganz sicher keine gute Entwicklung" und sie selbst "sehr beunruhigt".
Diese diplomatische Zurückhaltung, gepaart mit Sachkenntnis und Anstand, unterscheidet den Politikstil des twitternden Rüpels in Washington vom Rest der zivilisierten Welt. Europa und alle anderen Staaten tun gut daran, sich nicht auf das Niveau eines irrlichternden Präsidentendarstellers zu begeben. Andererseits ist Malmströms Verzicht auf den Begriff "Krieg" bloße Rhetorik und sogar Budenzauber. Die Europäer rüsten sich seit Monaten für die Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten. Was logisch ist: Trump hat oft genug bewiesen, dass ihm die Zufriedenstellung seiner Anhänger wichtiger ist als ein gedeihliches Miteinander und eben auch als Handelsfrieden.
Scharmützel liefert sich Amerika schon seit Monaten sowohl mit Europa als auch Asien. Chinesische Hersteller von Solarmodulen und südkoreanische Waschmaschinenproduzenten, der österreichische Technologiekonzern Voestalpine und die deutschen Unternehmen Salzgitter sowie Dillinger Hütte als Stahllieferanten gehörten zu den Unternehmen, gegen die wegen des Vorwurfs, ihre Waren zu Dumpingpreisen in die USA zu verkaufen, Strafzölle verhängt worden waren.
Trumps Begründung ist dreist
Die vagen Hoffnungen der EU, dass Trump sich allein China zur Brust nehmen wird - was in Brüssel aus guten Gründen stillschweigend in Kauf genommen worden wäre, da die Volksrepublik tatsächlich ihren Stahl verschleudert und damit seit Jahren auch Europas Stahlhersteller bedroht - zerschlugen sich. Trump kennt nur die Keule und den Rundumschlag. Deshalb: Strafzölle gegen den Rest der Welt. Sein Vorgehen ist purer Protektionismus. Ihm geht es nicht um "fairen" Handel, wie er sagt, sondern die Stärkung der heimischen Wirtschaft.
Aber die Globalisierung wird nicht außer Kraft gesetzt, nur weil ein US-Präsident sein Land, das politisch und ökonomisch mächtigste der Welt, zur unerreichbaren Insel im Ozean erklärt. Zum Handel gehören immer zwei Seiten. Wenn also all die bösen Staaten, die Trump vor Augen hat, "unfaire Deals" anboten, warum waren dann die USA so blöd und willigten über Jahrzehnte in diese miserablen Geschäfte ein?
Die ganze Dreistigkeit Trumps zeigt sich in der Begründung der Zölle. Stahleinfuhren "als Bedrohung der nationalen Sicherheit" einzustufen, ist ein vorgeschobenes Argument und eine Beleidigung seiner europäischen Partner. Dumm ist seine Fehleinschätzung, wonach "Handelskriege gut und leicht zu gewinnen" seien, wenn man einfach aufhört, Waren bilateral hin- und herzuschicken.
Die Reaktion der EU wird entscheidend sein
Die EU kann sich Trumps passiv-aggressive Handelspolitik nicht bieten lassen. Zu viel steht auf dem Spiel für die Welt. Und das sind nicht "nur" ein paar Tausend Arbeitsplätze in der europäischen Metallindustrie. Gabriel Felbermayr, der Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am Ifo-Institut und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München, brachte es in einem Interview mit n-tv.de auf den Punkt: Der Wissenschaftler sprach von einem "Generalangriff" der USA mit dem Ziel, die WTO-Regeln als Grundlage des globalen Handels zu schleifen. "Die Reaktion der EU wird entscheidend dafür sein, ob das Handelssystem überlebt."
Das stimmt. Die Frage aber ist: Wie soll die EU antworten? Trump hat die Europäer in eine Zwickmühle zwischen Pest und Cholera gebracht. Sie müssen genau abwägen, wie scharf sie zurückschießen. Eine extreme Reaktion könnte selbst einen krassen Verstoß gegen die WTO-Vereinbarungen darstellen und global zu einer Abwärtsspirale der politischen und ökonomischen Stabilität führen. Gar nichts zu tun und nur zu appellieren, würde als Schwäche ausgelegt werden: Weitere Staaten würden Ausnahmen von den WTO-Vereinbarungen für sich beanspruchen.
Das absolut nachvollziehbare Gedankenspiel, Trump es auf ganzer Linie und mit gleichen Mitteln heimzuzahlen, birgt allerdings eine große Gefahr. Greift Europa zu rabiaten Mitteln, wird Trump - man muss es so rabiat sagen - aus vollen Rohren schießen. Das zeigt bereits seine Ankündigung, mit Autos europäischer Hersteller mit Strafzöllen zu belasten, was sich vor allem gegen Deutschland richtet. Trump wird schon allein wegen seiner narzisstischen Störung nicht kleinbeigeben und erklären: Ich habe - wie immer - alles richtig gemacht, aber die Europäer, Asiaten, Mexikaner und Asiaten waren "unfair". Wie sehr, ob überhaupt und - wenn ja - wie lange Amerika von Trumps Protektionismus profitiert, ist allerdings unklar. Wie es sich künftig den Stahl in ausreichendem Maße besorgen wird, den selbst herzustellen es momentan nicht in der Lage ist, bleibt abzuwarten.
Die EU ist gut beraten, es vorerst bei spitzen Nadelstichen zu belassen und auf eine Klage vor der WTO gegen Washington zu setzen. Aber auch hier steckt Europa in der Bredouille: Bis über die entschieden ist, können Jahre vergehen. Die USA unter Trump werden alles tun, die Entscheidung zu verzögern. Bis dahin kann der Handelskrieg schon schlimme Auswirkungen haben, die auch Trumps Inselvolk hart treffen werden.
Besonnenheit sollte in jedem Fall das Gebot sein, nicht nur der Stunde. Reagiert Europa seinerseits mit einem Bruch der WTO-Regeln, könnten sich weitere Staaten abschotten und sich gegenseitig mit Zöllen belasten. Das gilt selbst für Europa, das fürchten muss, mit dem Stahl, der nicht mehr in die USA verkauft wird, überzogen zu werden. Niemand kann und wird diesen Handelskrieg gewinnen, schon gar nicht, wenn er auch noch mit Steuerdumping verbunden wird. Der Wohlstand von Milliarden Menschen auf der Welt in Gefahr, egal ob er auf bescheidenem oder westlichem Niveau liegt.
Quelle: n-tv.de
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