Im Weißen Haus ist schon wieder eine Stelle frei: Diesmal ist es der oberste Wirtschaftsberater des US-Präsidenten, der seinen Posten vorzeitig räumt. Gary Cohn gibt sein Amt dem Vernehmen nach im Streit um Trumps Strafzölle auf.
Es sei ihm eine Ehre gewesen, seinem Land zu dienen, und er sei Trump dankbar für diese Möglichkeit, hieß es in einer kurzen Stellungnahme des früheren Investmentbankers. "Ich bin dem Präsidenten dankbar für diese Möglichkeit und wünsche ihm und seiner Regierung großen Erfolg in der Zukunft." Der Rücktritt als Chef des nationalen Wirtschaftsrats soll in einigen Wochen vollzogen werden.
Mit Cohn verliert Trump eine echte Kapazität: Als einstiger Chef der US-Großbank Goldman Sachs galt Cohn in Sachen Wirtschaftspolitik als vergleichsweise moderat und sachverständig. Mit seinem Abgang dürfte sich vor allem der protektionistische Kurs der USA verschärfen: Trump dankte Cohn in einer Mitteilung für seine Arbeit. Er werde bald eine Entscheidung über die Nachfolge treffen, teilte er auf Twitter mit. "Viele Menschen wollen den Job - ich werde eine weise Entscheidung treffen."
Architekt der US-Steuerreform
Der 57-jährige Cohn war maßgeblich an der jüngst verabschiedeten Steuerreform beteiligt, soll mit Trump aber in fast allen anderen Feldern überkreuz gelegen haben. So war es etwa Cohn, der Trumps nationalistischer Wirtschaftspolitik unter dem Motto "America First" den gemäßigteren Zusatz "but not alone" ("aber nicht alleine") beifügte. Seine Einbindung in die engeren Zirkel im Weißen Haus versprach zumindest ein gewisses Maß an internationaler Ausrichtung der US-Regierung unter Trump.
Cohn galt als Bollwerk gegen das protektionistische Lager - mit anfänglichen Erfolgen. So soll er maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Trump China im vergangenen Frühjahr nicht offiziell als Währungsmanipulator brandmarkte sowie auf eine Aufkündigung des nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada verzichtete und stattdessen eine Neuverhandlung in die Wege leitete.
Vorfälle in Charlottesville
Cohn gilt als Architekt von Trumps Steuerreform und wurde lange auch als Kandidat für den Posten des Notenbank-Chefs gehandelt. Doch die umstrittenen Äußerungen des Präsidenten zu den rechtsextremen Ausschreitungen in Virginiaim vergangenen Sommer sorgten offenbar für einen Knacks im Verhältnis zwischen dem Republikaner und seinem Spitzenmann für die Wirtschaft. Obwohl Neo-Nazis für die Gewalt verantwortlich gemacht wurden, sprach Trump davon, es habe auf "beiden Seiten" des Konflikts in Charlottesville "sehr anständige Leute gegeben". Cohn habe dies offensichtlich missfallen, wie aus dem Regierungsumfeld verlautete. Schon damals wurde über seinen Abgang spekuliert.
Sein Rücktritt ist der jüngste in einer ungewöhnlich langen Reihe von Abgängen in einer solch frühen Phase einer US-Präsidentschaft. Aus dem Umfeld des Weißen Hauses hieß es, der verlorene Kampf gegen Trumps Zollpläne sei einer von mehreren Gründen für Cohns Rücktritt gewesen. Dazu gehöre auch, dass er seine führende Aufgabe bei der Umsetzung von Trumps Steuerreform als erfüllt ansehe.
Jubel im protektionistischen Lager
Kurz vor der Rücktrittserklärung bekräftigte Trump seine Zolldrohungen und nahm dabei vor allem die EU ins Visier. Den europäischen Autobauern drohte er erneut mit einer Sonderabgabe auf Einfuhren in Höhe von 25 Prozent. Die EU-Kommission will am heutigen Mittwoch über Gegenmaßnahmen entscheiden. Die Rede ist von Zöllen auf US-Waren wie Jeans, Motorräder und Whiskey - eine Maßnahme, die insbesondere bei Stammwählern führender US-Republikaner zu spüren sein dürfte.
In Fachkreisen schlägt Cohns Rückzug hohe Wellen. Im Devisenhandel zum Beispiel verzeichneten Beobachter einen deutliche Kursreaktion beim Dollar: Die US-Währung gab in ihrem Verhältnis zum Euro nach. Cohn sei ganz klar ein mäßigender Einfluss auf Trump zugeschrieben worden, kommentierte etwa Volkswirt Paul Mortimer-Lee von der Bank BNP Paribas die Lage. Sein Abschied schüre die Sorge vor einer Ausweitung des Handelskriegs. "Der Präsident dürfte nun den immer lauter werdenden Stimmen der Protektionisten Gehör schenken."
"Es gibt kein Chaos, nur große Energie"
"Die wirtschaftlichen Nationalisten scheinen die Oberhand zu gewinnen", meinte Monica de Bolle vom Peterson Institute for International Economics in Washington. Trump selbst kommentierte seinen hohen Personalverschleiß unter anderem mit den Worten, Medienberichte über ein "Chaos im Weißen Haus" seien falsch.
"Es werden immer Leute kommen und gehen, und ich will einen starken Dialog, bevor ich endgültige Entscheidungen treffe", erklärte Trump. "Es gibt kein Chaos, nur große Energie." Es gebe immer noch Positionen, die er neu besetzen wolle, da er "immer nach Perfektion" strebe, behauptete er - ungeachtet der Tatsache, dass Cohn und andere hochrangige Mitarbeiter im Weißen Haus offensichtlich aus eigenem Antrieb hinwarfen, und nicht etwa gefeuert wurden.
Trump hatte sich in der vergangenen Woche mit seiner Entscheidung für Schutzzölle über die Bedenken von Kritikern in den eigenen Reihen wie Cohn hinweggesetzt. Der Streit in der Regierung soll schon seit Wochen toben. Der "New York Times" zufolge drohte Cohn mit seinem Rücktritt, sollten tatsächlich harte und umfangreiche Maßnahmen eingeführt werden. Am Ende setzten sich wirtschaftspolitische Falken wie Navarro, und Handelsminister Wilbur Ross durch, die eine härtere Gangart befürworten.
Quelle: n-tv.de
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