„Verloren, versoffen oder gestohlen“

  15 Dezember 2015    Gelesen: 694
„Verloren, versoffen oder gestohlen“
Der erste Güterzug mit Containern aus China auf der Südroute der „Neuen Seidenstraße“ ist am Wochenende in Georgien eingetroffen. Am Zentralbahnhof der Hauptstadt Tiflis empfing der georgische Premierminister Iraklij Garibaschwili den mit den Flaggen Chinas, Kasachstans, Aserbaidschans, Georgiens, der Türkei und der EU geschmückten Zug.
Der Nachrichtenagentur Georgien Online sagte Garibaschwili, die Reise von China nach Georgien dauere künftig lediglich 8-10 Tage. Nach weiteren 3-5 Tagen träfen die fernöstlichen Güter dann – vom georgischen Hafen Poti über das Schwarze Meer nach Istanbul oder Odessa verschickt – in Westeuropa ein. Gegenwärtig dauert der maritime Transport um Südasien herum und durch den Suezkanal nach Westeuropa rund 40 Tage.

Unmut angesichts russischer Dominanz

In Russland wird derweil Kritik laut, dass die ausländischen Logistikpartner – von den chinesischen Exporteuren über die internationalen Speditionen bis zu den europäischen Empfängern – es offensichtlich vorziehen, um das Land einen Bogen zu machen.

Schließlich wurde im Herbst 2014 von den russischen, weißrussischen und kasachischen Eisenbahnen sowie führenden Containergesellschaften eigens das Gemeinschaftsunternehmen OTLK gegründet. Sein Ziel: die transkasachische Verbindung aus China nach Russland und weiter nach Westeuropa als Standard zu etablieren. Dabei ging es ursprünglich darum, die Konkurrenz seitens der klassischen Nordroute, also der Transsibirischen Eisenbahn, in Schach zu halten.

Dass nun ausgerechnet die Südroute – ohne jede russische Beteiligung – das Rennen zu machen scheint, löst in Moskau Kritik und Empörung aus. Was ist der Grund? Insidern zufolge hat OTLK sich in einem Wust aus kommerziellen und politischen Themen verrannt. So gibt es Ärger mit den kasachischen und weißrussischen Partnern. Beide seien aufgrund der russischen Dominanz in dem Projekt zunehmend verstimmt. Zu Verdruss geführt hat wohl auch, dass die russische Seite nach dem Abschuss eines russischen Militärjets durch ein türkisches Flugzeug darauf dringe, keine Verbindungen mehr nach Istanbul zu planen.

Doch die Verstimmungen sind älter, und auch der am Wochenende in Tiflis eingetroffene Zug war nicht der erste, sondern bereits der vierte oder fünfte auf der Strecke. Wobei die Chinesen – im Unterschied zu den russischen Nachbarn immer bedacht, die Zahl ihrer Feinde überschaubar zu halten – nach allen Seiten hin Flexibilität zeigen und für jede Lösung offen sind.

Exorbitant hohe Preise

Kommerziell scheint es unsinnig zu sein, die russische Schieneninfrastruktur nördlich des Kaspischen und Schwarzen Meers nicht zu nutzen und stattdessen zweimal auf Eisenbahnfähren (quer über das Kaspische und das Schwarze Meer) auszuweichen. Doch das gilt nur auf den ersten Blick. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die exorbitant hohen Preise der russischen Eisenbahnen, also des Monopolisten RZhD, als der eigentliche Hemmschuh.

In Russland liegt der Kilometerpreis je Container bei rund 0,90 US-Dollar – in Kasachstan bei deutlich weniger als einem Drittel davon. Bei diesem Unterschied, behaupten Eingeweihte, rechne sich auch die zweifache Eisenbahnfähre über das Kaspische und das Schwarze Meer.

In seinem Blog lästert der russische Korruptionsjäger und Kreml-Kritiker Alexej Nawalnij: „Die Neuigkeiten sind einfach katastrophal. Alles ist verloren, versoffen oder gestohlen. Jedes Geographie-Schulbuch preist die einzigartige geographische Lage Russlands. Wie kann man so etwas auf’s Spiel setzen? Doch genau das ist geschehen. Erst haben sie die Backen aufgeblasen, sich mit den alten Partnern verzankt, dann die neuen belogen und doch nicht hinters Licht geführt. Nun ist alles hin.“

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