Die Wahrheit über Münster und Erdogan

  10 April 2018    Gelesen: 1767
Die Wahrheit über Münster und Erdogan

Am Samstagnachmittag erreicht uns die schreckliche Nachricht aus Münster. Was danach geschieht sprengt den Pressekodex, zeigt welche Rolle die Opfer beim Amoklauf in Münster bislang eingenommen haben und welche Gestalten dabei tatkräftig ihren Dünnpfiff abgeben.

Kommentar - Am Samstagnachmittag erreichte uns die schreckliche Nachricht aus Münster. Nur kurze Zeit später begann die Hysterie im Netz um die Deutungshoheit über die Amokfahrt. Kurz danach folgten Berichte über eine Rede des türkischen Präsidenten Erdogan, der angeblich Münster erwähnt haben soll. Erdogan nannte zwar weder Münster noch weitere Details, dennoch gilt der Bezug in den deutschen Medien als wahrscheinlich bis hin zu sicher, denn die Nachrichtenticker liefen daraufhin heiß. Bei manchen Verschwörungstheoretikern brannten daraufhin vollends die Sicherungen durch, während andere ein besonderes Interesse daran hatten, jetzt erst recht aus dem Vollen zu schöpfen.

Der springende Punkt bei all dem war, dass die Medien sich dabei selbst übertrafen, sämtliche Punkte des Pressekodex auf einmal verletzten. Von der Wahrheit keine Spur, Sorgfalt spielte dabei überhaupt keine Rolle, eine Richtigstellung gibt es bis dato nicht und damit nicht genug, auch nicht den Ansatz der Unschuldsvermutung, die man erwägen könnte. 

"Besonders der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fällt dabei auf: Unter offensichtlicher Anspielung auf Münster griff Erdogan seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron an"
Deutsche Welle

Stattdessen wird doch tatsächlich weiterhin wild spekuliert, wird vermutet und teilweise ist man sogar felsenfest davon überzeugt, dass der türkische Präsident alle moralischen Werte über Bord geworfen hat, um aufzuzeigen, dass die Amokfahrt in Münster auch Frankreich ereilen werde, weil Macron wohl offenbar Amokfahrten salonfähig mache. 

Das sind keine Nachrichten von "Der Postillon", die satirische Beiträge im Stil von Zeitungsartikeln und Agenturmeldungen verbreitet, sondern Nachrichten von namhaften Medienanstalten, die seit Samstagnachmittag dem türkischen Präsidenten Erdogan unterstellen, bei seiner Rede am Samstagnachmittag in Zusammenhang mit Münster "Ihr seht doch, was die Terroristen in Deutschland machen, oder? Das wird auch in Frankreich geschehen. Ihr werdet sinken, solange der Westen diese Terroristen nährt" gesagt zu haben. Nicht einmal "Der Postillon" hätte sich erlaubt, derart geschmackloses aufzugreifen und satirisch zu untermalen.

"Der türkische Staatspräsident Erdogan hat den tödlichen Vorfall in Münster indirekt für einen verbalen Angriff auf seinen französischen Amtskollegen Macron genutzt."
Deutschlandfunk

Diese medial verbreitete Nachricht steht mittlerweile sinnbildlich für die Berichterstattung über die Türkei, vor allem aber über Erdogan. Es steht sinnbildlich dafür, dass in der deutschen Medienlandschaft bewusst und weniger unbewusst permanent falsch berichtet wird und daher auch nur wenig Substanz dahintersteckt. Man könnte eine ganze Latte von massiven Übersetzungsfehlern der deutschen Presselandschaft in den letzten Jahren aufzählen, oder die verzerrte und verdrehte Darstellung von Ereignissen in der Türkei oder Reden Erdogans, da fällt einem die Kinnlade runter. Von herausgerissenen Sätzen, die erst im Kontext betrachtet Aufschluss darüber geben was er denn nun gesagt hat, spreche ich schon gar nicht. 

"Erdogan missbraucht Münster für Angriff auf Macron"
BILD

Die deutsche Presselandschaft ist schon lange nicht mehr neutral und der Presserat könnte die massenhaften Falschmeldungen gar nicht bearbeiten, müsste sie sich doch eingestehen, dass der Pressekodex nur das Papier wert ist, auf dem sie niedergeschrieben steht. Die Medien berichten mittlerweile so, wie es gerade ins politische Tagesgeschäft passt. Nicht nur in Bezug auf die Türkei oder Erdogan, sondern auch mehr oder weniger in allen anderen Themen. Die namhaften Medien machen Billig-Boulevard-Portalen bereits derart Konkurrenz, dass die mit ihren Meldungen nicht mehr hinterherkommen und das nachsehen haben.

Damit nicht genug, fängt auch noch die politische Diskussion an und damit die politische Instrumentalisierung des Dramas. Angefangen von Serap Güler, Memet Kilic oder AfD-Politikern, niemand ist ernsthaft daran interessiert, auch nur einen kurzen Moment innezuhalten und sich das Geschwurbel in den Medien oder die geteilten Beiträge in sozialen Netzwerken erst einmal einwirken zu lassen, um dann dazu den eigenen Senf abzugeben.

"Besonders grotesk der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der das Attentat für einen Angriff auf den französischen Amtskollegen Emmanuel Macron nutzte"
WELT

Dabei dachte man nicht erst an die Opfer, sondern an das Kalkül, etwas herausschlagen zu können. Angefangen von PKK- und YPG-Verherrlichern, die in der Rede Erdogans sowie dem Amoklauf in Münster einen Zusammenhang mit einer ebenfalls für den Samstagnachmittag geplanten Solidaritätsdemo in Münster erkannten. Für manche dieser Verherrlicher ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Demo torpediert werden sollte. Als ob der Amokfahrer sich an der Hausnummer geirrt habe.
Wo Terrorverherrlicher sind, finden sich mittlerweile auch deutsche Rassisten, die ein gewisses Unbehagen über die Tat in Münster verspüren und zum Ausdruck bringen: "Seltsames Gschmäckle: Deutsche fahren Amok in Münster und Cottbus – False Flag? Weiß Erdogan mehr?" heißt es dann. 

Und dann, als wäre das nicht genug, springt auch noch die Gülen-Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen in die Bresche, die einerseits über ihr Flaggschiff aus Stockholm, dessen Präsidenten Abdullah Bozkurt oder die niederländische Vertreterin Sakine Calkin Moralpredigten gegenüber Erdogan abhalten. Die werden zudem über eigene Medienportale weiterverbreitet, die zwar von sich geben, nichts mit der Bewegung an sich zu tun zu haben und geflissentlich auch zu verbergen versuchen, deren Nachrichtenstruktur aber verrät, woher der Wind weht. 

"Nach der gestrigen Attacke von Münster hat der türkische Präsident Erdoğan ähnliche Taten in Frankreich angekündigt. „Der Westen wird versinken, wenn er diese Terroristen weiterhin nährt“, sagte der AKP-Vorsitzende."
ANF News Deutsch


Weil sich gleiches gesellt, bläst die ANF News, das propagandistische Flaggschiff der PKK, ebenfalls ins gleiche Horn und mit ihr die Ahval News, Hawar News und was noch alles sich so als Opposition ausgibt. Interessant ist daran noch, dass die deutschen Journalisten und Journalistinnen genau solche Medien sehr gerne teilen, widergeben oder in ihren Artikeln sogar verwenden. Die größte türkische Oppositionszeitung, die "Sözcü" oder anderen kleineren Online-Portale, die investigativ berichten und vor Jahren noch als Quelle der Inspiration herangezogen wurden, sind heute schlichtweg nicht gefragt. Das kann nur bedeuten, dass diese türkischen Medien nicht mehr ins Schema passen, und das überraschende daran ist, dass das erst nach 2014 bemerkbar wurde und sich bis heute entsprechend fortsetzt.

Kann man es da einem Übel nehmen, dass die deutsche Presselandschaft gemieden oder gar als eine Gewalt der Politik und nicht als vierte Gewalt betrachtet wird? Das Image-Problem der Medien ist selbstverschuldet, und dennoch lässt man nichts unversucht, die Türken und Türkischstämmigen zu beeinflussen. Grotesk wirken daher die Versuche zahlreicher Medien, ja sogar öffentlich-rechtlicher Anstalten, unter anderen in türkischer Sprache Türken sowie Türkischstämmige zu erreichen oder gar Sendeplätze einzurichten, in der ausschließlich in türkisch berichtet werden soll. Auch hier scheint es einen Zusammenhang zu geben, denn wann fing man denn damit an, die türkische Gemeinde in Deutschland medial bereichern zu wollen? Stichwort 2014!


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