Ein Militäreinsatz westlicher Länder in Syrien ist trotz anhaltend massiver Drohungen noch keine beschlossene Sache. Für die USA erklärte das Weiße Haus am Donnerstag (Ortszeit), eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. US-Präsident Donald Trump war zuvor mit seinen Sicherheitsberatern zusammengekommen. Sprecherin Sarah Sanders erklärte: „Wir werten weiter Geheimdiensterkentnisse aus und sind in engen Abstimmungen mit unseren Partnern und Alliierten.“
Ermittler der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) sind auf dem Weg nach Syrien. Sie sollen dort ab Samstag mit Untersuchungen eines angeblichen Giftgaseinsatzes beginnen.
Frankreich hat nach Macrons Worten Beweise für den Einsatz von Chemiewaffen seitens der syrischen Regierung. In Washington sagte US-Verteidigungsminister James Mattis, endgültige Beweise für den Chemiewaffeneinsatz der syrischen Regierung würden noch gesucht.
Trump telefonierte in der Nacht zum Freitag mit der britischen Premierministerin Theresa May. In einer Mitteilung der Downing Street hieß es, Trump und May seien sich einig, dass der Einsatz von Chemiewaffen durch das syrische Militär „nicht unbeantwortet“ bleiben könne und dass ein weiterer Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime verhindert werden müsse. Über ein geplantes Telefonat Trumps mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron lag zunächst keine offizielle Erklärung vor.
In New York suchte der Sicherheitsrat hinter verschlossenen Türen einen Ausweg aus der Krise.
Der Sender MSNBC berichtete, Blut- und Urinproben legten den Einsatz chemischer Waffen nahe. Der Sender berief sich ohne nähere Angaben auf zwei anonyme Regierungsmitarbeiter, die mit nicht bekannten Erkenntnissen eines nicht genannten Geheimdienstes vertraut seien. Es sollen Chlorgas und ein namenloses Nervengas eingesetzt worden sei. Die Politiker hätten laut dpa „Vertrauen in die Geheimdiensterkenntnisse, wenn auch nicht zu 100 Prozent“.
Eine französische Beteiligung an einer möglichen Militäraktion gilt als wahrscheinlich. Großbritannien will weiter mit den USA und Frankreich an einer gemeinsamen Reaktion arbeiten. Das verlautete nach einer Kabinettssitzung in London.
Premierministerin May habe den angeblichen Angriff vom vergangenen Samstag als „schockierend und barbarisch“ verurteilt, erklärte eine Sprecherin. Es sei „sehr wahrscheinlich“, dass die Regierung von Präsident Assad auch für den Angriff vom Samstag verantwortlich sei, wurde May wiedergegeben. Beweise für diese Behauptung legte May nicht vor.
Britische U-Boote sind nach übereinstimmenden Medienberichten bereits in Position und Reichweite, um Marschflugkörper nach Syrien zu starten. Das Verteidigungsministerium lehnte dazu jeden Kommentar ab.
Die syrische Armee ist schon seit Tagen in voller Alarmbereitschaft und hatte sich am Mittwoch von weiteren Stützpunkten zurückgezogen, um einer möglicherweise bevorstehenden Attacke weniger Angriffsfläche zu bieten. Fluglinien änderten ihre Flugrouten in der Region.
Der frühere US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, sagte den Funke-Zeitungen: „Nach der massiven Warnung wird Trump nicht mehr hinter seine Drohungen zurück können. Jetzt gar nichts zu machen, käme einem Gesichtsverlust gleich. Ich gehe davon aus, dass es eine US-Militäraktion in der einen oder anderen Form geben wird.“
Ein Vorfall in Tel Aviv zeigt, wie angespannt die Lage ist: Die Manöver von zwei Jets der israelischen Luftwaffe über der Stadt irritierten laut Haaretz die Bewohner, zahlreiche besorgte Anrufe gingen bei der Polizei ein. Viele Israelis glaubten, Zeugen von Kampfhandlungen geworden zu sein, weil die Jets den Eindruck erweckten, als würden sie schießen. Die Luftwaffe entschuldigte sich nach dem Proteststurm, dass sie entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit die Bevölkerung von den spektakulären Manövern nicht vorher informiert hatte. Angeblich dienten die Manöver der Vorbereitung zu den Feiern des israelischen Unabhängigkeitstages (Video am Anfang des Artikels)
Die tatsächlichen Militärbewegungen im Mittelmeer sind entgegen der allgemeinen Kriegs-Rhetorik noch nicht in dem Ausmaß verstärkt worden, dass man von einem großflächigen Angriff der Westmächte unmittelbar ausgehen müsste.
US-Marine (US Navy)
Der Einsatz von US-amerikanischen Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeerraum verläuft offenbar entlang einer maritimen Routine – ohne direkten Bezug zu einer möglichen Syrien-Intervention. Derzeit befindet sich nur die USS Donald Cook in der Region, während im Atlantischen Ozean weitere drei Kriegsschiffe der 6. Flotte liegen.
„Die Harry S. Truman, die dem Fleet Forces Command der Marine zugeteilt ist, reiste zuletzt im Jahr 2015 in den Nahen Osten, um sich der Anti-ISIS-Operation Inherent Resolve anzuschließen, bevor sie 2016 nach Hause zurückkehrte”, berichtete Stars and Stripes.
In diesem Zusammenhang berichtet The Daily Press, dass die Harry S. Truman Carrier Strike Group und ihre fast 6.500 Seeleute Norfolk verlassen haben und am Mittwoch in den Nahen Osten und das Mittelmeer reisen werden, um „einen regelmäßigen Einsatz zu planen”.
Zu den Schiffen gehören die Harry S. Truman, das neunte Geschwader Carrier Air Wing 1, der Kreuzer USS Normandy und die Schiffe der Destroyer Squadron 28, der die Zerstörer Arleigh Burke, Bulkeley, Forrest Sherman und Farragut zugeteilt sind.
Die Entfernung von Norfolk nach Syrien beträgt fast 6.000 Meilen. Das bedeutet, dass es zwei bis drei Wochen dauern würde, bis diese Kriegsschiffe das östliche Mittelmeer überhaupt erreichen.
Die deutsche Fregatte FGS Hessen wird in der ersten Hälfte des Einsatzes ebenfalls als Teil der Destroyer Squadron 28 agieren. Die Navy Times führen aus: „Beamte der US-Marine sagen, dass die FGS Hessen der einzige Schiffstyp in der westlichen Welt mit drei Arten von Boden-Luft-Raketen ist. Sein Radar hat eine Erfassungsreichweite von mehr als 200 Seemeilen für Luftziele”. Auf Nachfrage der Deutschen Wirtschaftsnachrichten, ob die FGS Hessen auch an einem möglichen Angriff auf Syrien beteiligt sein wird, sagte Kapitänleutnant der deutschen Marine, Marcel Nguyen Van: „Das können wir nicht bestätigen (…). Die Fregatte ,Hessen’ befindet sich aktuell in der Trägergruppe ,USS Harry S. Truman’. Das Training der Fregatte ,Hessen’ mit einem amerikanischen Flugzeugträgerverband ist schon seit langem geplant. Auch die Verlegung in das Mittelmeer hat ihre Ursache nicht in der aktuellen politischen Entwicklung”.
Der russische Generalleutnant Viktor Poznikhir sagte der Nachrichtenagentur Tass, dass die Battle Group unter Führung des Flugzeugträgers USS Harry S. Truman in Richtung des Persischen Golfs aufgebrochen sei und die Gewässer im Mai 2018 erreichen werde. „Das ist eine etablierte Praxis der Präsenz der US-Marine in der Region”, meint er.
Britische Marine (Royal Navy)
Die britische Royal Navy hat drei U-Boote der Astute-Klasse, die in Richtung Syrien fahren könnten: Die HMS Ambush, HMS Artful und HMS Astute. Ihre Tomahawks haben eine Reichweite von 1600 Kilometern, was bedeutet, dass die U-Boote vor der Küste Syriens, Libanons oder Israels liegen müssen, während sie auf den Befehl zum Angriff warten. Jedes U-Boot kann 38 Raketen tragen.
Die Alternative wäre, eines von drei Angriffs-U-Booten der Trafalgar-Klasse zu schicken, die seit dem Kalten Krieg im Einsatz sind und bis zu 30 Raketen tragen können.
Großbritannien verfügt über sechs Kampfflugzeuge der Klasse Typhoon, acht GR4 Tornado-Flugzeuge und einen Luft-zu-Luft-Tanker (Voyager), die allesamt in Akrotiri auf Zypern stationiert sind, so die Financial Times.
In der Region operieren auch bewaffnete Aufklärungs-Drohnen und ein Zerstörer der Royal Navy des Typs 45.
Das britische Kriegsschiff HMS Albion fungiert derzeit im Mittelmeer als Flaggschiff der NATO Maritime Group 2. Das geht aus einer Mitteilung der britischen Marine hervor. Weiterhin befindet sich bereits der Zerstörer HMS Duncan im östlichen Mittelmeer. Diese Schiffe sind im Rahmen des ständigen maritimen Einsatzes der NATO im Mittelmeer aktiv.
Frankreichs Marine (La Marine nationale française)
Im östlichen Mittelmeer befindet sich aktuell die französische Fregatte der Klasse „Aquitaine”. Die „Aquitaine” ist mit 16 Marschflugkörpern und 16 Boden-Luft-Raketen ausgestattet. Sie operiert derzeit vor der libanesischen Küste neben US-Schiffen als Teil des französischen Kontingents beim Kampf gegen die Terror-Miliz ISIS, so The Daily Mail.
Die türkische Marine (Türk Deniz Kuvvetleri)
Im östlichen Mittelmeer befinden sich nach Angaben von Admiral a.D. Cem Gürdeniz 24 türkische Fregatten und Korvetten, 19 Flugkörperschnellboote und zwölf U-Boote. Die Türkei hat als Anrainerstaat des östlichen Mittelmeers eine ständige Präsenz vor der Küste.
Die russische Marine (Morskaja pechota Rossii)
Russland hat derzeit etwa 15 Kriegs- und Logistikschiffe der Schwarzmeer-Flotte im Mittelmeer, darunter die Fregatten Krasnodar, Smetlivy, Admiral Grigorovich und die Admiral Essen, die mit Cruise Missiles bestückt sind. Weiterhin befinden sich im östlichen Mittelmeer die Landungsschiffe Caesar Kunikov, Nikolay Filchenkov und Azov. Doch auch der nukleare Raketenkreuzer heavy nuclear missile cruiser Pyotr Velikiy und der Flugzeugträger Kuznetsov sind in den Gewässern.
Im östlichen Mittelmeer operieren auch die russischen U-Boote Kolpino und Veliky Novgorod, berichtet Naval Today. In Latakia befindet sich ein russischer Luftwaffenstützpunkt und in Tartus ein russischer Marinestützpunkt.
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