Eine strahlende Figur innerhalb des europäischen Kontextes sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik sei Deutschland unter der Kanzlerschaft Merkels nicht mehr, sagte der Politologie-Professor im Interview mit Sputnik. „Macron hat dagegen in Washington klare Worte gefunden. Er hat sich gegen den Nationalismus und Isolationismus gestellt und eine starke multilaterale Verbindung zwischen den großen westlichen Staaten USA, Frankreich, Großbritannien und natürlich auch Deutschland hergestellt.“
Schulze glaubt, dass sich hier eine Art von Kraftkonstrukt innerhalb der atlantischen Strukturen herausbildet, und Frankreich sich unter Macron in eine Führungsposition hineinmanövriert habe. „Er wird auch von Washington anerkannt.“
Russland-Politik des Westens
Der Politikwissenschaftler sieht keine neue und klare Strategie der Atlantischen Gemeinschaft gegenüber Russland. „Es läuft weiter, sogar noch mit einer gewissen Verschlechterung.“ Den Wechsel der deutschen Außenpolitik von Sigmar Gabriel hin auf Heiko Maas, keinen gewieften Diplomaten und Außenpolitiker, wertet der Russlandexperte als eine Abkehr von der alten sozialdemokratischen Ostpolitik hin zu einer wesentlich stärker auf die USA orientierten Politik.
Das habe Widersprüche innerhalb der SPD hervorgerufen, so Schulze. „Aber wir wissen nicht, wie stark sich der Unmut an einem solchen Richtungswechsel der deutschen Politik auswirken wird. Frankreich und die USA haben keine spezifische Ostpolitik bzw. keine Russlandpolitik. Es geht weiter wie bisher, mit der einzigen Einschränkung, dass Deutschland, das immer so eine Art von Brückenfunktion oder ein Verbindungsglied zwischen den auseinanderdriftenden Interessen des Westens und Russlands gewesen war, schwächer geworden ist.“
Das sehe man schon daran, so der Experte weiter, „dass es auf der einen Seite kritisiert und auf der anderen Seite immer wieder gesagt wird, ohne Russland gehe es nicht. Zwischen diesen beiden Polen schwankt auch die deutsche Politik und wird unter Heiko Maas nicht auf eine Wiedergewinnung einer vernünftigen und moderaten Ostpolitik ausgerichtet.“
Ist Lockerung antirussischer Sanktionen in Sicht?
Ohne dass die USA das vorgeben würden, werde es das von der europäischen Seite nicht geben, ist sich Schulze sicher. „Weder von Paris noch von Berlin. Die einzige Hoffnung in dieser Hinsicht liegt darin, wenn z.B. die Balkan-Staaten, Österreich, Ungarn oder die Tschechische Republik einfach,nein‘ sagen würden. Es genügt ein einziges EU-Land, um die Sanktionen aufzuheben. Aber das passiert nicht, solange Berlin eine vor allen Dingen wirtschaftliche Dominanz innerhalb der EU noch hat, aber sich nicht für eine Lockerung der Sanktionen ausspricht. Und bei Frankreich selbst sehe ich keine große Bewegung, obwohl innerhalb des politischen Spektrums eine größere Bereitschaft zur Lockerung und Aufhebung der Sanktionen in Frankreich existiert, als beispielsweise in Deutschland.“
Was die Nahost- und Syrien-Problematik betrifft, so sieht Schulze in der europäischen Politik keine großen Vorstellungen. „Da sind sie sowohl vom Iran als auch von Russland und der Türkei wesentlich konkreter. Trotzdem hat Macron in Washington Eis gebrochen, und der amerikanische Kongress war eigentlich auch nicht dafür, die 2000 amerikanischen Soldaten aus der Region zurückzuziehen. Sie werden wahrscheinlich auf geraume Zeit noch dort bleiben, vor dem Hintergrund, dass man befürchtet, dass sich der Einfluss des Irans weiter verstärken wird. Das ist der Faktor, der Macron und Trump zusammengebracht hat.“
Es liege im europäischen und beziehungsweise im französischen Interesse, hier eine Art von Containment, Eindämmungspolitik gegenüber dem Iran zu machen, führt der Experte aus. „Da haben sich die amerikanische und die französische Position getroffen. Allerdings gibt es hinsichtlich des Irans selbst große Divergenzen zwischen der europäischen (französischen) Position und den USA. Zwar Eindämmung, aber auf keinen Fall soll an dem Nuklearabkommen gerüttelt werden.“
Schulze betrachtet es als eine Illusion, das neue Abkommen auf die Schiene zu geben. „Der Iran würde sich strikt weigern, einer neuen Auflage der Verhandlungen, die ja nun auch Jahre gedauert haben, zuzustimmen. Dies ist auch nicht im europäischen Interesse, vor allen Dingen auch nicht im deutschen Interesse. Das war ein Vorpreschen von Macron, um die USA dazu zu bringen, am 12. Mai den Vertrag nicht zu verlassen.“
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