Für den damaligen US-Präsidenten George W. Bush war die Sache klar. Neben dem Irak gehörten aus seiner Sicht der Iran und Nordkorea zur "Achse des Bösen". Alle drei Länder strebten nach Massenvernichtungswaffen und müssten gestoppt werden.
Seit Bush im Januar 2002 seine "Axis of Evil"-Rede hielt, ist einiges passiert. Die Vorwürfe gegen den Irak haben sich als erfunden herausgestellt, was Bush nicht davon abhielt, das Land ein Jahr später anzugreifen. Der Iran und Nordkorea arbeiteten unterdessen tatsächlich an Atomwaffen - wohl auch, um zu verhindern, dass es ihnen ebenso ergeht wie dem abgesetzten Regime des irakischen Machthabers Saddam Hussein.
2016 stellte der Iran sein Atomwaffenprogramm nach langen Verhandlungen ein. Damals trat ein internationales Abkommen in Kraft, das dem Land diverse Auflagen macht und im Gegenzug die internationalen Sanktionen beendete. Anders Nordkorea: Seit 2006 testete das Land sechs Atomsprengkörper, zuletzt vor acht Monaten. Die US-Geheimdienste gehen davon aus, dass Diktator Kim Jong Un über bis zu 60 Atomsprengköpfe verfügt. Damit nicht genug: Das Land soll über die Technik verfügen, diese Sprengköpfe klein genug herzustellen, um sie auf Raketen zu montieren. Erst im November demonstrierte ein Test, dass nordkoreanische Interkontinentalraketen "jedes Ziel auf der Welt" erreichen können, wie US-Verteidigungsminister James Mattis sagte. Also auch die USA.
Gespräche mit "Little Rocket Man"
US-Präsident Donald Trump reagierte auf die nordkoreanischen Raketentests und Atomwaffenversuche mit rhetorischer Aufrüstung. Er nannte Kim einen "Verrückten" und beschimpfte ihn als "Little Rocket Man". Im September 2017 drohte er Nordkorea mit völliger Zerstörung. Wenn die USA gezwungen würden, sich oder ihre Verbündeten zu verteidigen, sagte Trump in einer Rede vor den Vereinten Nationen, "haben wir keine andere Wahl, als Nordkorea total zu vernichten. Rocket Man ist auf einer Selbstmordmission für sich und sein Regime." In derselben Rede sprach Trump auch über den Iran. Er nannte das Land einen "Schurkenstaat", der "Gewalt, Blutvergießen und Chaos" exportiere. Das Atomabkommen sei "eine Peinlichkeit" für die USA.
Dem einen Land drohte Trump mit Vernichtung, dem anderem mit dem Ausstieg aus einem Vertrag. Von der Zerstörung Nordkoreas spricht er mittlerweile nicht mehr. Dafür scheint das Ende des Iran-Abkommens zu kommen. Ein 2015 vom US-Kongress verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass der Präsident den Vertrag regelmäßig bestätigen muss. Zwei Mal hat Trump das gemacht, danach weigerte er sich. Formal ausgestiegen sind die USA bislang nicht, denn die Sanktionen blieben ausgesetzt. Im Januar jedoch verkündete Trump ein Ultimatum: Sollte es bis zum 12. Mai keine substantielle Verbesserung des Iran-Abkommens geben, würden die US-Sanktionen wieder gelten.
Zwölf Tage bleiben, dann ist der Stichtag erreicht. Nach einer Einigung sieht es nicht aus, im Gegenteil: Irans Präsident Hassan Ruhani erklärte das Abkommen für "nicht verhandelbar", und weder Emmanuel Macron noch Angela Merkel haben es bislang geschafft, Trump umzustimmen. Nach dem Treffen mit der Bundeskanzlerin sagte Trump, er spreche nicht darüber, ob er das Militär einsetzen werde, um den Iran zu hindern, Atomwaffen zu entwickeln. Aber: "Sie werden keine nuklearen Waffen kriegen, darauf können Sie sich verlassen."
"Gewalt, Blutvergießen und Chaos"
Ganz anders klingt Trump mittlerweile, wenn es um Nordkorea geht. Bei der Pressekonferenz mit Merkel sagte er zwar, "der maximale Druck" auf Nordkorea werde fortgesetzt. Aber militärische Drohungen wiederholte er nicht: Er freue sich auf das Treffen mit Kim. "Es wird sicherlich sehr interessant werden."
Es gibt mehrere Gründe, warum Trump die beiden Länder so unterschiedlich behandelt. Zunächst einmal hat Nordkorea offenbar bereits die Atombombe - und sein Ziel erreicht, auf Augenhöhe mit den USA zu verhandeln. Doch selbst ohne nukleare Bedrohung wären die Folgen eines Kriegs gegen Nordkorea zu verheerend, um ernsthaft in Betracht gezogen werden zu können. Es gebe 25 Millionen Gründe, warum die USA das Land noch nicht angegriffen hätten, schrieb die "Washington Post" vor einem Jahr. So viele Menschen leben in Seoul und Umgebung, in Reichweite der nordkoreanischen Artillerie. Jede US-Regierung habe stets gesagt, dass eine militärische Lösung dieses Konflikts denkbar sei, sagte der Nordkorea-Experte Carl Baker der Zeitung. "Aber das stimmt nicht. In Wirklichkeit haben wir keine militärische Option."
Der Iran dagegen hat bislang keine Atomwaffen. Allerdings befeuert das Land zahlreiche Regionalkonflikte. "Das Regime heizt Gewalt, Blutvergießen und Chaos im ganzen Nahen Osten an", wiederholte Trump beim Auftritt mit Merkel. "Wo immer man im Nahen Osten ist, ist der Iran." Soll heißen: Hinter allen Problemen der Region steckt Teheran.
Auch Israel und Saudi-Arabien lehnen das Atomabkommen ab
Da ist durchaus was dran: Dem Assad-Regime hilft der Iran im syrischen Bürgerkrieg mit Waffen und Kämpfern, im Jemen unterstützt er die schiitischen Huthi-Rebellen, im Libanon die Hisbollah. Auch die palästinensische Hamas, die wie die Hisbollah-Miliz von der EU als Terrorgruppe eingestuft wird, ist mit dem Iran verbündet. Israel hat Teheran mehrfach vorgeworfen, bewaffnete Gruppen im von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen mit Raketen auszustatten.
Vor allem drei Punkte kritisiert Trump am Atomabkommen mit dem Iran: dass es nur bis 2025 läuft, dass es das Raketenprogramm des Iran nicht berücksichtigt und dass es den Einfluss des Landes in der Region nicht eindämmt. Mit seiner harten Haltung gegen den Iran entspricht Trump nicht nur den Interessen Israels, sondern auch denen von Saudi-Arabien. Geht es nach Riad, hätten die USA dem Atomabkommen nie zugestimmt: In ihrer Lesart verhinderten die internationalen Sanktionen, dass der Iran eine ernsthafte Gefahr für ihren eigenen Anspruch werden konnte, regionale Hegemonialmacht zu sein. Tatsächlich hat Saudi-Arabien es seit dem Ende der Sanktionen mit einem erstarkenden Konkurrenten zu tun - in Syrien, im Jemen und im Libanon.
Der gemeinsame Feind führte sogar zu einer Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel. Anfang April sagte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman der US-Zeitschrift "The Atlantic", er erkenne das Recht des jüdischen Volkes auf einen eigenen Staat an - ein ungewöhnlicher Schritt für einen arabischen Staatsmann. Dem Iran warf er eine "Ideologie des reinen Bösen" vor. Trumps Vorgänger Barack Obama habe gehofft, mit dem Iran-Abkommen dafür zu sorgen, dass das Land sich verändere, so Mohammed bin Salman. "Aber ein Regime, das auf einer solchen Ideologie basiert, wird sich nicht so bald ändern."
Während Merkel und Macron davon sprechen, es sei besser, ein nicht perfektes Iran-Abkommen zu haben als gar keines, glauben Israel, Saudi-Arabien und die USA, dass es besser sei, den Iran mit Sanktionen dauerhaft klein zu halten. Das ist der Unterschied zu Nordkorea: Im Konflikt mit Pjöngjang dienen Sanktionen lediglich dazu, das Land zu Verhandlungen zu bewegen, um dann eine Einigung zu erreichen. Dies scheint, weil China mitspielt, zu funktionieren. Beim Iran dagegen wäre aus Trumps Sicht mit der Verhängung von Sanktionen das Ziel schon so gut wie erreicht.
Quelle: n-tv.de
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