Zurück zum alten FC Bayern

  21 Dezember 2015    Gelesen: 711
Zurück zum alten FC Bayern
Pep Guardiolas Nachfolger ist kein Fußballphilosoph. Carlo Ancelotti sieht sich als Assistent seiner Stars und als Pragmatiker, ähnlich wie frühere Bayern-Trainer.
In den vergangenen zweieinhalb Jahren erlebten die Zuschauer von Bayern München einen Taktikporno in Endlosschleife. Pep Guardiola und sein Verständnis des Spiels haben den Fußball in Deutschland verändert. Der katalanische Glatzkopf entfachte Debatten um seine Art des Ballbesitzfußballs. Manchmal fühlte er sich missverstanden, aber stets stand er im Mittelpunkt. Selbst wenn Arjen Robben oder Douglas Costa mit dem Ball verrückte Dinge taten, schwenkte die Kamera sofort zu Bayerns Dirigenten an der Seitenlinie.

Auch Carlo Ancelotti, der Pep Guardiola zum Saisonende beerben wird, ist das Blitzlicht gewöhnt. Der Italiener ist jedoch kein Redner, kein Fußballphilosoph, kein Charismatiker, der die Aufmerksamkeit braucht. Er ist ein Erfolgsmensch. Und verkörpert damit in gewisser Weise den alten FC Bayern, der unter Pragmatikern wie Ottmar Hitzfeld und Jupp Heynckes zu großen Titeln kam.

Ancelotti erreichte mit dem AC Milan drei Champions-League-Finals, gewann mit Chelsea und Paris Saint-Germain nationale Titel und schaffte für Real Madrid den lang ersehnten zehnten Triumph in der Königsklasse. Der Weinliebhaber ist ein Erfolgstrainer. Weil er stets flexibel und anpassungsfähig bleibt.

Seine fußballerischen Wurzeln verbirgt er trotzdem nicht. Er ist Schüler des legendären Arrigo Sacchi. Als der in den achtziger Jahren sein Pressingsystem bei Milan einführte, stand Ancelotti als zentraler Spielgestalter auf dem Platz.

Ein fußballerisches Chamäleon

Elemente des Sacchi`schen 4-4-2 tauchten dann wieder in Ancelottis Amtszeit bei Real Madrid auf. Im Halbfinale der Champions League 2014 biss sich Bayern München an dem ausgeklügelten Defensivsystem die Zähne aus und wurde mehrfach von Kontern erwischt. Am Ende stand eine scheppernde 0:4-Heimniederlage. In sieben Duellen mit den Bayern hat Ancelotti nie verloren. Das wird den Verantwortlichen des deutschen Rekordmeisters auch in diesen Tagen in Erinnerung sein.

Anders als Pep Guardiola steht "Carletto" für keine besondere Fußballphilosophie. Er ist kein Verfechter von destruktivem Defensiv- oder bedingungslosem Offensivfußball. Er liebt die Dominanz, doch bleibt ein fußballerisches Chamäleon. "Ich glaube, die zukünftige Entwicklung des Spiels hängt von der Verbesserung offensiverer Lösungen ab", schrieb Ancelotti 1997 in seiner Facharbeit Il futuro del calcio ("Die Zukunft des Fußballs").

In seiner erfolgreichen Zeit als Milan-Trainer von 2001 bis 2009 fand er mit Mittelfeldraute oder Tannenbaumformationen eine perfekte Balance zwischen Defensive und Offensive. In den letzten Monaten der Saisons blühte Milan regelmäßig auf. Das fällt auf: Ancelottis Mannschaften sind zum richtigen Zeitpunkt in Form. Er kann Kräfte konservieren. Genau daran mangelte es zuletzt den Bayern, die zweimal in Folge in der wichtigsten Saisonphase einbrachen.

Ein Meister darin, Fußballer bei Laune zu halten

Nach seiner langen Amtszeit bei Milan wechselte Ancelotti zu Chelsea. Dort passte er sich dem englischen Stil an und legte den Fokus auf den durchschlagskräftigen Angriff rund um Didier Drogba. Im 4-3-3 schossen die Blues in der Saison 2009/10 manchen Gegner aus dem Stadion. Als erste Mannschaft seit den sechziger Jahren schossen sie in der höchsten englischen Spielklasse wieder mehr als hundert Tore, 103 waren es.

Nach einer mediokren zweiten Saison fand Ancelotti in Paris eine neue Aufgabe. Aus einem Haufen Stars, die mit den Millionen des Investors aus Katar in die französische Hauptstadt gelockt wurden, sollte er ein Team machen. Genau darin liegt eine Stärke des Italieners. Er versteht es wie vielleicht kein Zweiter, seinen Stars ausreichend, aber nicht zu viele Freiheiten zu gönnen. Er ist ein Meister darin, hochbezahlte Fußballer bei Laune zu halten.


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