Letzte Formalien vor dem Freitod: Der lebensmüde australische Botaniker David Goodall wird von Ärzten auf seine Urteilsfähigkeit untersucht, bevor er in der Schweiz eine Freitodbegleitung erhalten kann. "Nur, wenn zwei Ärzte überzeugt sind, dass er hundertprozentig klar in seinem Wunsch ist, findet die Begleitung statt", sagte Erika Preisig, Ärztin und Gründerin des Vereins Lifecircle.
Der Verein hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 73 Menschen in den Tod begleitet und will nun auch den 104-jährigen Goodall in der Schweiz betreuen. Die Ärztin Preisig hält sich im Ausland auf, sie wäre an den Maßnahmen bei Goodall nicht beteiligt.
Der Rentner war von Australien nach Frankreich zu Verwandten geflogen und will kommende Woche in der Nähe von Basel sein Leben beenden. Seine Lebensqualität sei nach einem Sturz und Sehschwierigkeiten nicht mehr akzeptabel, sagt er. Weil er diese Entscheidung in Fernsehinterviews vertritt, hat der Fall weltweit Aufmerksamkeit erregt.
Ein eigensinniger Charakter wie Goodall müsse das Recht haben zu sagen: "Ich will sterben, weil ich genug vom Leben habe", sagte Preising. Sie wirbt dafür, in hoffnungslosen Fällen auf teure Therapien zu verzichten und das Geld in gute Palliativpflege - also schmerzmindernde Betreuung am Lebensende - zu investieren. Die meisten Menschen würden sich dann gegen einen Freitod entscheiden. Nur bei 1,3 Prozent aller Todesfälle in der Schweiz handele es sich um begleiteten Freitod.
Gegner wie der auf Initiative der CDU/CSU gegründete Verein "Christdemokraten für das Leben" sind gegen Sterbehilfe. Angehörige könnten diese aus Kostengründen missbrauchen, andere Wege der Leidensminderung könnten zugunsten der "bequemeren" Lösung verworfen werden, argumentiert der Verein.
"Ich muss das tun"
Goodall gilt als ältester Wissenschaftler Australiens. 2016 war er weltweit bekannt geworden, als ihn seine Universität im Alter von 102 Jahren endgültig in den Ruhestand schicken wollte - obwohl er seit seiner offiziellen Pensionierung unentgeltlich arbeitete.
In einem Interview mit dem australischen Sender ABC bedauerte er, dass er wegen des Sterbehilfeverbots in Australien nicht in seiner Heimat sterben könne. "Ich möchte nicht in die Schweiz, obwohl es ein nettes Land ist", sagte er. "Aber ich muss das tun, um die Möglichkeit zu einem Suizid zu erhalten, die das australische System nicht erlaubt."
Aktive Sterbehilfe, die sogenannte Tötung auf Verlangen, ist in den meisten Ländern nicht erlaubt. Auch in Deutschland ist geschäftsmäßige Sterbehilfe seit 2015 verboten. Wer einem Sterbewilligen ein tödliches Medikament gewährt, kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Zuvor agierten Sterbehilfevereine in einer rechtlichen Grauzone.
spiegel
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