Die Vorstellung ist brutal, aber nehmen wir mal an, Sie könnten mit Ihrem Smartphone nur noch telefonieren. Keine Apps, keine Fotos, keine Musik, keine Spiele - nur noch reine Telefonie. Ungefähr so ist Autofahren mit dem Dacia Duster.
Mit ihm kann man beschleunigen, lenken, bremsen. Und bleibt dabei trocken und warm. Das war's. Eigentlich gibt es solche Autos gar nicht mehr, schon gar nicht als Testwagen für die Presse, denn die sind meist angedickt mit allem, was die Ausstattungsliste hergibt. Nicht so der Duster, den uns Dacia zur Verfügung stellte: Der war tatsächlich das Basismodell, Ausstattungsniveau "Access", zum Preis von 11.490 Euro. Billiger wird kein fabrikneuer SUV in Deutschland angeboten.
Der Wagen steht selbstbewusst auf der Straße, das Design wirkt kraftvoll und robust. Erst bei genauerem Hinsehen merkt man, dass dem Wagen womöglich etwas fehlen könnte: Schwarze Kunststoffkappen dort, wo bei den teureren Typen die Nebelscheinwerfer sitzen, 16-Zoll-Stahlfelgen statt schicker Alus, Außenspiegelgehäuse und Klapptürgriffe in schwarz anstatt in Wagenfarbe und auf dem Dach keine Reling.
Das sind natürlich völlig unbedeutende Details, die aber zeigen, wie ausgebufft die Autohersteller inzwischen darin sind, Überflüssiges als unbedingt Notwendiges zu verkaufen und dafür ordentlich Aufpreis zu verlangen.
Dacia mischt in diesem Spiel um Ansprüche und Erwartungen geschickt mit. "Mehr Wichtiges. Weniger unnötige Extras" so lautet die "Philosophie" der Marke, die in Wahrheit auch nur ein Werbeslogan ist, der mit Einfachheit und Bescheidenheit lediglich kokettiert. Denn es gibt ja neben dem Einstiegslevel drei weitere Ausstattungsniveaus, in denen der Duster unter anderem mit 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, abgedunkelten Fond- und Heckscheiben, Rückfahrkamera und Kunstlederlenkrad sowie einem Multimediasystem hochgerüstet wird zu einem SUV wie viele andere auch. Und nebenbei wird das Auto dann ein paar Tausender teurer.
Radio? Nicht in der Basisausstattung
Zurück zum Basismodell mit dem Basismotor, dem 1,6-Liter-Benziner mit 114 PS, mit Fünfgang-Schaltgetriebe und Frontantrieb. Das Geräuschniveau im Auto ist niedrig, Lenk-, Schalt- und Federungskomfort sind ordentlich, die Maschine sorgt für fröhliches Vorwärtskommen. So macht Sparen Spaß, denkt man sich, möchte die heitere Stimmung durch etwas Musik unterfüttern - und greift ins Leere. Richtig, in der Grundausstattung sind weder Radio noch Navigationssystem an Bord, es gibt lediglich die dafür vorgesehenen Norm-Einbauschächte, die man bestenfalls als Mini-Ablagen nutzen kann.
Während man noch darüber nachdenkt, ob fehlende Musikberieselung nun ein Vor- oder Nachteil ist beim Autofahren, melden die Kinder eine Entdeckung aus dem Fond: An den Türen gibt es schwarze Plastikkurbeln, mit denen sich die hinteren Scheiben öffnen lassen. So etwas kennen nach dem Jahr 2000 geborene nur noch aus alten Filmen oder älteren Gebrauchtwagen - also eigentlich gar nicht. Schön, dass der Duster dank der Fensterkurbeln Gelegenheit bietet für einen kurzen Exkurs in die Autohistorie und die vielen Dinge, die einst manuell erledigt wurden, und die heute elektronische Selbstverständlichkeiten sind. Ein anderes Beispiel sind die Außenspiegel, die im Dacia Duster "Access" per Einstellnippel von Hand justiert werden müssen.
Was der Dacia Duster ebenfalls sehr eindringlich klar machen kann ist, dass moderne Autos uns inzwischen dermaßen verhätscheln, dass wir uns kaum noch ums Fahren kümmern müssen, sondern immer öfter und immer länger anderes tun können. Im Duster Baujahr 2018 geht das nicht. Das Ding erfordert nach wie vor die ungeteilte Aufmerksamkeit der Person hinterm Lenkrad - und so sind übrigens auch noch die allermeisten Menschen auf der Welt unterwegs: Etwa in Marokko oder im Libanon, in Chile, Brasilien, Indien oder Russland, wo der Duster als robuster Mittelklasse-SUV erfolgreich ist (und teilweise unter dem Markennamen Renault verkauft wird).
Kann man im Autoland Deutschland mit einem Dacia Duster in Grundausstattung glücklich werden? Ohne Zweifel, sofern einem jegliches Brimborium um Autos egal ist. Dann fährt man mit dem Wagen ähnlich flott und bequem von A nach B, wie das alle anderen auch tun. Ausreichend Laderaum gibt es auch, der Kofferraum fasst zwischen 445 und 1478 Liter, wobei man wissen muss, dass im Basismodell die Rücksitzlehne nur als Ganzes umgeklappt werden kann.
11.490 Euro für einen Neuwagen mit gutem Platzangebot, passablem Sicherheitsstandard (sechs Airbags, ABS, Bremsassistent und ESP sind serienmäßig an Bord) und ausreichenden Fahrleistungen - da lassen sich die bis auf ein Start-Stopp-System fehlende Spritspartechnik, die nicht vorhandene Vernetzung und der karge Komfort verschmerzen. Man kann eben nicht alles haben. Ein Extra übrigens hatte unser Testwagen dann doch, es befand sich ganz hinten unterm Auto: ein Ersatzrad. Das kostet 100 Euro extra und wenn man die Sache mit dem Sparen konsequent durchzöge, könnte man auch darauf noch verzichten.
spiegel
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