Die Kampfpanzer stehen bereit an diesem warmen Frühlingstag in der Lüneburger Heide. Es sind drei "Leopard 2 A7", die Bundeswehr hat 20 dieser Hightech-Geräte. Beim Übungsschießen in Munster sollen die Besatzungen zeigen, was sie gelernt haben. Im Panzer herrscht drangvolle Enge, es riecht nach Öl und Diesel. Links hat der Ladeschütze seinen Platz, rechts sitzen Fahrer, Richtschütze und Kommandant. "Der A4 war geräumiger", meint der Hauptfeldwebel. "Immer mehr Technik bedeutet immer weniger Platz."
Vor gut 100 Jahren sind erstmals deutsche Panzer eingesetzt worden, in Frankreich während des Ersten Weltkriegs. Am 21. März 1918 rollten die Ungetüme vom Typ "A7V" bei der nordfranzösischen Stadt St. Quentin an die Front. Sie sollten Bewegung in den Stellungskrieg bringen, Maschinengewehre ausschalten und Breschen für die Infanterie schlagen.
Auch damals war es eng. Drinnen drängten sich etwa 20 Soldaten, darunter 12 MG-Schützen und sogar ein Brieftaubenwart, für die Kommunikation. Keine Innenbeleuchtung, bis zu 60 Grad heiß. Ein Modell dieses "A7V" steht heute im Panzermuseum in Munster. "Die Lebensbedingungen in dem qualvoll engen Panzer waren unmenschlich", sagt Museumsleiter Ralf Raths.
Die Deutschen waren aber nicht die Ersten. Die Briten hatten bereits im September 1916 die ersten Panzer überhaupt eingesetzt. Nicht schneller als ein Spaziergänger waren sie zunächst vor allem psychologisch ein Erfolg. Die Gegner fürchteten die stählernen Monster. Später veränderten Panzer den Krieg für immer: Sie ermöglichten Hitlers schnelle Eroberungsfeldzüge zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Und sie rollen immer noch.
Panzer gewinnen wieder an Bedeutung
"Der Panzer ist nach wie vor ein wichtiges Kriegsmittel, wie der Golfkrieg und andere Konflikte gezeigt haben", erklärt Harald Potempa vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat die Bundeswehr die Zahl ihrer Panzer auf einen Bruchteil geschrumpft, sie galten als militärische Relikte des Kalten Kriegs.
Doch sie gewinnen wieder an Bedeutung. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts und der russischen Annexion der Krim fühlen sich vor allem die baltischen EU-Staaten Estland, Lettland und Litauen vom großen Nachbarn im Osten bedroht. Die Nato-Länder rüsten kräftig auf, die Landes- und Bündnisverteidigung rückt wieder in den Mittelpunkt der Sicherheitspolitik, wie damals im Kalten Krieg. Deutsche Panzer stehen zur Abschreckung Russlands im Baltikum.
"Bereits in der letzten Legislatur wurden Trendwenden eingeführt, um die Bundeswehr an die geänderte Sicherheitslage anzupassen", sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Daher sei Anfang 2016 entschieden worden, Ausstattung und Anzahl der Waffensysteme an den Aufgaben der Streitkräfte auszurichten. Dabei komme der Landes- und Bündnisverteidigung ein hoher Stellenwert zu. "Dazu zählte auch, die Anzahl der Kampfpanzer von derzeit rund 220 auf 328 zu erhöhen."
Das Comeback der Panzer stellt die Bündnispartner der Nato vor neue Probleme - die Infrastruktur in Europa etwa. Ende März stellte die EU-Kommission einen Plan vor, Straßen, Brücken und Schienennetze auszubauen. Hintergrund: Panzer und Truppen sollen wegen der wachsenden Spannungen mit Russland künftig deutlich schneller quer durch Europa befördert werden können.
Bundeswehr kämpft mit Ausrüstungskrise
Die Bundeswehr selbst kämpft parallel mit der Einsatzbereitschaft der Panzer, wie mit anderen komplexen Waffensystemen auch. Nach einem Bericht des Verteidigungsministeriums von Februar waren von 244 Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 im Schnitt nur 105 einsatzbereit. Gründe sind die mangelnde Versorgung mit Ersatzteilen und ein hoher Wartungsaufwand. "Die Ausrüstungskrise geht auf die zweieinhalb Jahrzehnte des Sparens und Kürzens nach Ende der Blockkonfrontation zurück", sagt der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels.
Trotzdem gilt der Leopard unter Soldaten als eine Legende auf Ketten - und als von Rüstungsgegnern heftig kritisierter Exportschlager. Der "Leopard 2" sei der weltweit leistungsfähigste Kampfpanzer und werde in 18 Staaten genutzt, wirbt der Hersteller KMW.
Im Gegensatz zu früher sind Panzer heute vernetzt. Der 60 Tonnen schwere "Leopard 2 A7" in der Lüneburger Heide ist ein rollendes Rechenzentrum. Überall Technik, allein drei Funkgeräte, die Daten werden digital angezeigt. Der Kommandant arbeitet mit Joystick, er hat ein Sehrohr mit Rundumblick, kann auf Wärmebild und Nachtsicht umschalten, ein Rechner ermittelt die Flugbahn des Geschosses. Ein Generator versorgt den über 60 Tonnen schweren Koloss mit Strom, auch wenn der Motor nicht läuft.
Eine Kühlanlage für die Technik kommt auch der Mannschaft zugute. Das ist nicht nur in Wüstenregionen wichtig. "Es kann drinnen über 40 Grad heiß werden", sagt Peter Greisinger. Der 50-jährige Oberstabsfeldwebel leitet das Übungsschießen in Munster, dem größten Heeres-Standort. "Technik ist wichtig, aber entscheidend ist die Qualität der gut ausgebildeten Besatzung", betont Georg Küpper, er koordiniert die Ausbildung. Bald solle eine leicht modifizierte Ausgabe kommen, sagt Greisinger, der "Leopard 2 A7V", das "V" stehe für verbessert.
Nach 100 Jahren also wieder ein "A7V". Doch trotz modernster Technik, Kühlanlage und Bildschirm, es ist kein Telespiel. "Auch 100 Jahre nach dem 'A7V' von einst geht es im Ernstfall für die Besatzung noch immer um Leben und Tod, wenn es schlecht läuft, auch um den eigenen", sagt Küpper.
Quelle: n-tv.de
Tags: