Frostiger Antrittsbesuch in Moskau

  11 Mai 2018    Gelesen: 715
Frostiger Antrittsbesuch in Moskau

Bei seiner ersten Visite in Moskau wird Außenminister Heiko Maas ziemlich kühl empfangen. Seinen schärferen Kurs gegenüber Russland sieht man hier als Affront. Der Weg zu einem konstruktiven Dialog ist noch weit.

Auf den ersten Blick beginnt die die erste Russland-Reise von Außenminister Heiko Maas am Donnerstagmorgen fast wie ein ganz normaler Besuch. Bei strahlendem Sonnenschein eilt er vom Flughafen zum Ehrenmal des unbekannten Soldaten. An der Westmauer des Kreml legt er einen Kranz nieder für die Millionen russischen Soldaten, die in den Weltkriegen fielen. Erst ertönt getragene klassische Musik, dann hält Maas inne für eine Schweigeminute.

Natürlich aber ist nichts normal an diesem Besuch. Vielmehr ist es der Versuch, die mehr als verkanteten deutsch-russischen Beziehungen so weit zu kitten, dass man wenigstens wieder reden kann. Deswegen wartete Maas nicht lange. Gleich nach der Vereidigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin machte er sich auf, um seinen Amtskollegen Sergej Lawrow zu treffen. Der ist zwar noch nicht offiziell als Mitglied der neuen russischen Regierung vereidigt, es gilt aber in Moskau als sicher, dass er weitermacht.

Moskau zeigt sich irritiert vom neuen Außenminister

Lawrow ist einer der erfahrensten und gewieftesten Diplomaten weltweit. In seiner Amtszeit hat er deutsche Außenminister kommen und gehen gesehen. Mit Guido Westerwelle stritt er gern. Mit den Nachfolgern Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel, beides Sozialdemokraten, pflegte er trotz vieler Konflikte eine Art Raufbold-Freundschaft. Mit Steinmeier trank er trotz endloser Debatten über die Ukraineoder Syrien trotzdem gerne mal ein Bier und rauchte eine Zigarette dazu.

Seit Maas' Amtsantritt ist an solche Gesten erstmal nicht zu denken. Dass der SPD-Minister eine Kurskorrektur in der Russland-Politik vornahm, Moskaus Politik im SPIEGEL als "zunehmend feindlich" bezeichnete, wurde im Kreml aufmerksam wahrgenommen. Man reagierte mit einer gezielt platzierten Einschätzung über Maas.

Die staatliche Nachrichtenagentur Tass veröffentlicht kurz vor seinem Besuch einen Bericht mit Bezug auf eine nicht näher benannte Quelle, in dem es heißt, Moskau sei irritiert und enttäuscht über die antirussische Rhetorik des neuen Ministers. Der Artikel enthält auch eine Warnung: Der deutsche Außenminister irre sich sehr, wenn er davon ausgeht, "dass solcher Druck die Außen- sowie Innenpolitik unseres Landes beeinflussen kann", heißt es.

Der Beitrag wird selbst von optimistischen Diplomaten als klare Botschaft aus dem Kreml interpretiert, dass man die Maas' Äußerungen als Affront begreift. Detailliert kommentiert der Artikel nicht nur den neuen Kurs des Chef-Diplomaten Maas, sondern thematisiert auch die innenpolitische Debatte über diese Russlandpolitik. So sei besonders enttäuschend, dass Maas der SPD angehört, die habe bisher für eine "durchdachte und ausgeglichene Vorgehensweise zu Russland plädiert." Damit sei es nun wohl vorbei.

Emotionslose Glückwünsche und Beton-Mimik

Die Verstimmung bekommt Maas im großen Sitzungssaal des Gästehauses des russischen Außenministeriums zu spüren, Lawrow schaut seinen Gast über den Tisch nicht mal richtig an. Ohne jede Regung rattert er vor den Kameras emotionslos Glückwünsche zum neuen Amt runter. "Wir suchen jetzt wieder das offene Gespräch, das ist doch besser als Mikrofon-Diplomatie." Später wird er die kritischen Maas-Äußerungen als "emotionale Verallgemeinerung" veräppeln.

Bei der Pressekonferenz danach wird es nicht viel freundlicher. Immer wieder lehnt sich Maas zu Lawrow herüber, sucht einen Blickkontakt, eine diplomatische Normalität selbst unter nicht eng befreundeten Ministern. Lawrow aber lässt sich nicht locken, starrt stoisch nach vorne, blinzelt seinen Beratern in der ersten Reihe zu oder ordnet seine Notizen. Ob er überhaupt richtig zuhört, was Maas sagt, ist aus der Beton-Mimik des Russen kaum abzulesen.

Inhaltlich kommen die beiden kaum voran. Zwar kritisiert man den Ausstieg der USA aus dem Atom-Abkommen für Iran. Ob Moskau aber wirklich ein Partner dabei sein will, Teheran von einer schnellen Wiederaufnahme seines Nuklear-Programms abzuhalten, lässt Lawrow offen. Viel lieber lästert er darüber, dass Washington mit dem einseitigen Bruch seine Ignoranz gegenüber internationalen Verträgen bewiesen habe. Dann warnt er davor, dass die USA andere Staaten bestrafen, die das Abkommen am Leben halten wollen.

Auch in der Ukraine-Krise ist man weit auseinander. Maas berichtet, er wolle bald zu einer Ministerrunde der Länder laden, die den Minsker Friedensvertrag ausgehandelt hatten, am liebsten in Berlin. Lawrow entgegnet nur, man werde das Angebot prüfen, bei den Themen sei man sich noch nicht einig. Zu Syrien will er sich gar nicht konkret einlassen, belässt es bei Floskeln über den Militärschlag der USA, Frankreichs und Großbritanniens, den er erneut scharf verurteilt.

Uneinigkeit auch im Fall Skripal

Einknicken aber will Maas nicht. Er formuliert erneut seine Kritik, nennt die Hackerangriffe auf das Auswärtige Amt, die man Russland zuordnet, "alles andere als gastfreundschaftlich". Im Fall des Nervengift-Anschlags auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal sei Moskau zu wenig zur konstruktiven Aufarbeitung bereit gewesen. In vielen Themen habe man "keinerlei Übereinstimmung gefunden", sagt Maas am Ende, trotzdem müsse man weiter im Gespräch bleiben.

Lawrow reagiert mit seinen berüchtigten Gegenreden. Er höre das erste Mal davon, dass eine Gruppe in Russland für einen Cyberangriff in Deutschland verantwortlich gemacht werde. Warum Berlin kein Rechtshilfeersuchen gestellt habe? Im Fall Skripal sei es genau umgekehrt, bei den Ermittlungen werde Moskau ausgeschlossen. Für seine Verhältnisse aber hält sich Lawrow knapp, verzichtet auf minutenlange Belehrungen. "Immerhin hat er ihn nicht angeschrien", sagt ein Beobachter, der ihn schon lange kennt.

Freunde werden Lawrow und Maas wohl nicht. Immer wieder sagt der deutsche Außenminister in verschiedenen Formulierungen, man müsse sich unter Partner auch Kritik offen ins Gesicht sagen können. Ganz zum Schluss sendet er noch ein Signal an seine Kritiker in der SPD, die ihm eine Beschädigung der deutsch-russischen Beziehungen vorwerfen. "Auch vor meiner Zeit hat es offene Differenzen gegeben."

Nach dem kurzen Stopp in Moskau deutet alles darauf hin, dass sich daran nichts ändern wird.

spiegel


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