Anklage gegen mutmaßliche Betreiber von Kinderporno-Plattform

  15 Mai 2018    Gelesen: 1053
Anklage gegen mutmaßliche Betreiber von Kinderporno-Plattform

Auf "Elysium" trafen sich Menschen, die sehen wollten, wie Kinder missbraucht werden: Die Plattform im Darknet zählte mehr als 100.000 registrierte Nutzer. Nun wurde Anklage gegen die vier mutmaßlichen Drahtzieher erhoben.

In der griechischen Sagenwelt gilt das "Elysium" als Insel der Glückseligen. Im Darknet war es gut anderthalb Jahre ein Forum des Bösen. Eine professionell erstellte Plattform, auf der Pädophile anonym Bilder und Videos tauschen konnten, die schwersten Missbrauch zeigen - auch von Kleinkindern und Babys. In Chats unterhielten sich Nutzer auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch.

Im Frühjahr vorigen Jahres flog das Netzwerk auf, die Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA) nahmen 16 mutmaßliche Verantwortliche und Mitglieder fest. Vor dem Landgericht Limburg hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main jetzt Anklage erhoben gegen die vier mutmaßlichen Köpfe. Zuständig sind die spezialisierten Staatsanwälte der Zentralstelle zur Bekämpfung von Internetkriminalität (ZIT) in Gießen.

Der Fall ist einer der größten Schläge gegen die weltweite Kinderpornoszene der vergangenen Jahre. Und er ist ein Novum. "Es ist die erste Anklage in Deutschland gegen eine Tätergruppe wegen des Verdachts des Betriebs einer kinderpornografischen Plattform im Darknet", sagt ZIT-Sprecher Georg Ungefuk. Die vier deutschen Angeschuldigten sitzen seit ihrer Festnahme in U-Haft:

Frank M., 40, Betreiber einer KfZ-Werkstatt in Hessen
Joachim P., 58, Vertriebler für Geräte zur Textilherstellung, aus Baden-Württemberg
Bernd M., 57, Hilfsarbeiter aus Baden-Württemberg
Michael G., 62, Grafiker aus Bayern
Den Männern wirft die Staatsanwaltschaft bandenmäßige Verbreitung und Besitz von Kinderpornografie vor. Michael G. soll darüber hinaus zwei Kinder im Alter von vier und sechs Jahren missbraucht haben. Er saß bereits in den Neunzigerjahren wegen Missbrauchs mehrere Jahre im Gefängnis. Den Angeschuldigten drohen bis zu zehn Jahre Haft, bei G. dürfte es auch um anschließende Sicherungsverwahrunggehen.


Frank M. und Joachim P. sollen die Plattform technisch aufgezogen haben. Bernd M. und Michael G. sollen Chats moderiert haben. Grafiker G. etwa soll die Optik saisonal angepasst haben - etwa zur Weihnachtszeit.

Mehr als 110.000 Nutzer-Accounts

Auf die Schliche kamen die BKA-Ermittler den Männern offenbar durch einen Fehler bei der Programmierung einer Datenbank. So konnten sie Frank M. identifizieren, der den "Elysium"-Server in seiner Werkstatt betrieben haben soll. Die Spur führte zu Bernd M. und Michael G. Erst nachdem BKA und ZIT Anfang Juli 2017 "Elysium" bekannt gemacht hatten, fassten sie Joachim P. Er hatte sich offenbar durch Chateinträge verraten, in denen er den Fall kommentierte.

"Elysium" war innerhalb kurzer Zeit rasant gewachsen. Am Schluss zählten die Ermittler mehr als 110.000 registrierte Nutzer-Accounts. Darüber hinaus stellten sie 1866 Diskussionsbäume sicher. (Mehr über die Plattform lesen Sie hier).

Der Zugang war einfach - eine so genannte "Keuschheitsprobe" wurde nicht verlangt. Bei anderen Plattformen im Darknet müssen Nutzer selbst Missbrauchsbilder hochladen, um Zutritt zu erhalten. "Elysium" ließ sich über den Tor-Browser ansteuern, mit dem Nutzer ihre Identität verschleiern.

Erst im Laufe der Ermittlungen, so ZIT-Sprecher Ungefuk, ließen sich die Hintergründe der mutmaßlichen Täter entschlüsseln. Demnach hatten sich alle offenbar bei der Kinderpornografie-Plattform "The Giftbox Exchange" (TGE) kennengelernt, die zuletzt 67.000 Nutzeraccounts hatte. Sie wurde von zwei Amerikanern betrieben und Ende 2016 von ausländischen Ermittlern gesprengt.

Offenbar verabredeten sich daraufhin zunächst Frank M. und Joachim P., eine Kopie der Plattform zu erstellen - der Startschuss für "Elysium". Besonders Joachim P. war demnach für die technische Umsetzung verantwortlich, er soll bereits bei TGE eine führende Rolle gespielt haben.


Den ersten Hinweis darauf, dass bei "Elysium" ein Deutscher die Fäden ziehen könnte, erhielt die ZIT um den Jahresbeginn 2017 von einer ausländischen Behörde. Woher genau wollte ZIT-Sprecher Ungefuk nicht sagen. Künftige Ermittlungen könnten sonst gefährdet werden.

Es ist zu erwarten, dass das Gericht die Anklage zulässt. Schon jetzt ist klar, dass ein Prozess für die vier Angeschuldigten eine Überraschung bergen wird: Sie werden sich vor Gericht zum ersten Mal sehen. Im wahren Leben.

spiegel


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