Zwischen Trotz und Kompromiss

  17 Mai 2018    Gelesen: 984
Zwischen Trotz und Kompromiss

Die Staats- und Regierungschefs der EU besprechen in Sofia, wie mit Trumps Iran- und Handelspolitik umzugehen sei. Diplomaten zufolge einigten sie sich auf eine gemeinsame Linie. "Die EU wird nicht mit einer Pistole am Kopf verhandeln."

 

Nach der Abkehr der USA vom Atomabkommen mit Iran halten die 28 EU-Staaten geschlossen dagegen. Die Staats- und Regierungschefs waren sich bei ihrem Treffen in Bulgariens Hauptstadt Sofia am Mittwochabend nach Angaben von Diplomaten einig, an dem Vertrag festzuhalten - solange Iran das auch tue.

Damit geht die EU auf Konfrontationskurs zu US-Präsident Donald Trump. Im Streit um US-Strafzölle winkt sie allerdings mit Zugeständnissen - falls Trump einlenkt und europäische Unternehmen dauerhaft von neuen Schutzzöllen auf Stahl- und Aluminiumprodukte ausnimmt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen hatten bei dem Abendessen in Sofia über Konsequenzen nach Trumps jüngsten Entscheidungen beraten. Dieser hatte die europäischen Verbündeten nicht nur mit der einseitigen Aufkündigung des Iran-Abkommens vor den Kopf gestoßen, sondern auch mit der Abkehr vom Pariser Klimaabkommen, der Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalemund eben den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium.

Gipfelchef Donald Tusk hatte Trumps Kurs vor dem Treffen scharf kritisiert und eine "geschlossene europäische Front" dagegen verlangt. "Wenn man sich die jüngsten Entscheidungen von Präsident Trump ansieht, könnte man denken: 'Mit solchen Freunden, wer braucht da noch Feinde?'", sagte Tusk.

1. Wie sich die EU im Fall Iran verhalten will


Nach dem Treffen hieß es, es herrsche im Kreis der 28 Länder Konsens, dass sich die EU weiter für eine auf Regeln beruhende internationale Politik einsetzen werde und am Iran-Abkommen festhalte. Zudem werde man Schutzvorkehrungen für europäische Firmen vorbereiten, die negativ von der US-Entscheidung betroffen seien. Die Europäer wollen zugleich die Kritikpunkte an dem Abkommen aufgreifen: Dazu zählt, dass Iran trotzdem sein Raketenprogramm vorantreiben kann und der Vertrag eine Befristung einzelner Maßnahmen bis 2025 vorsieht.

Iran zeigt sich grundsätzlich bereit, sich weiter an die im Abkommen festgelegten Auflagen für sein Atomprogramm zu halten; verlangt aber dafür die zugesagten wirtschaftlichen Vorteile. Trump hatte jedoch neue scharfe Sanktionen gegen Iran angekündigt. Davon könnten auch europäische Unternehmen betroffen sein, die sich dort engagieren.

Die EU-Kommission erklärte in Brüssel, sie könnte im Notfall ein älteres Gesetz zur Abwehr von US-Sanktionen reaktivieren, das sogenannte Blocking Statute. Damit könnte es europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die US-Sanktionen gegen Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln, dass die europäischen Unternehmen für etwaige Verluste entschädigt werden. Damit würde die Handelskrise zwischen den USA und der EU aber noch verschärft.

2. Wie sich die EU im Fall der US-Strafzölle verhalten will

Von den US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium sind die EU-Staaten noch bis zum 1. Juni ausgenommen - ohne dass bereits eine dauerhafte Lösung abzusehen ist. "Die EU wird nicht mit einer Pistole am Kopf verhandeln", gaben Diplomaten den Konsens der 28 Länder wieder. Sie verlangen eine dauerhafte Ausnahme von den US-Maßnahmen.

Sollte sich Trump darauf einlassen, könnte man aber über eine tiefere Energiepartnerschaft sprechen, vor allem auf dem Gebiet Flüssiggas, wie die EU-Diplomaten weiter berichteten. Die USA haben großes Interesse, dieses Gas nach Europa zu exportieren und stoßen sich deshalb auch besonders an der Ostseepipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland.

Zudem bieten die Europäer Gespräche über Reformen der Welthandelsorganisation WTO, die Trump ebenfalls ins Visier genommen hat. Auch über einen besseren gegenseitigen Marktzugang für Industrieprodukte einschließlich Autos könne man reden, hieß es.

Für den Fall, dass die USA die vorübergehende Ausnahmeregelung auslaufen lassen, droht die EU mit Vergeltungszöllen auf US-Produkte. Die zuständige EU-Kommission beschloss am Mittwoch, die WTO über entsprechende Planungen zu informieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Vergeltungszölle auf US-Produkte wie Whiskey, Motorräder und Jeans wirklich verhängt werden können. Die sogenannte Notifizierung solle am Freitag erfolgen, hieß es in Brüssel aus Kommissionskreisen.

Eigentliches Thema der Staats- und Regierungschefs ist am Donnerstag die "europäische Perspektive" für die sechs Westbalkanländer Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Albanien und Mazedonien. Dabei soll es weniger um mögliche EU-Beitritte gehen, sondern zunächst um den Ausbau von Straßen, Energieleitungen und Kommunikationsnetzen, um die Länder enger an die EU anzubinden. Die Befürchtung ist, dass sonst China und Russland verstärkt auf dem Balkan investieren.

"Die EU hat Südosteuropa in den letzten Jahren vernachlässigt. In dieses Vakuum sind dann andere Staaten wie Russland, China, die Türkei und die Golfstaaten gestoßen", sagte Österreichs Außenministerin Karin Kneissl der "Welt" unmittelbar vor dem Treffen. Sie kündigte einen verstärkten Einsatz der österreichischen Regierung für die sechs Länder an.

spiegel


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