Gigi Gaga Grandezza

  19 Mai 2018    Gelesen: 939
Gigi Gaga Grandezza

Bei Juventus reifte Gianluigi Buffon zum Welttorhüter und Charakterfußballer - jetzt bestreitet er sein letztes Spiel für die Turiner. Eine Würdigung.

Trophäen hat er natürlich auch gesammelt. Neun Meistertitel, die letzten sieben in Serie, fünf Italienpokale, ein Uefa-Pokal, 974 Minuten ohne Gegentor in der Serie A. Und dann: Weltmeister 2006, Rekordnationalspieler, Welttorhüter. Mit Ausnahme der Champions League hat Gianluigi Buffon alles gewonnen, was ein Fußballer gewinnen kann.

Er ist einer der besten Torhüter der Geschichte, auch als 40-Jähriger bestritt er mit Juventus noch eine glänzende Saison, wurde nochmal Meister und nochmal Pokalsieger. Jetzt hört er auf bei dem Klub, wo er vor 17 Jahren anheuerte und den er sechs Jahre lang als Kapitän führte. Der Saisonkehraus gegen Hellas Verona wird sein letzter Auftritt für Juve sein, wie es weitergeht, will Buffon in der nächsten Woche entscheiden.

Vielleicht hängt er noch ein Jahr zwischen den Pfosten dran, attraktive Angebote hat er genug, angeblich auch von Paris St. Germain. Der Lebemann Buffon und der asketische Tuchel, eine lustige Vorstellung. Fest steht: Wie bei Juve wird es nirgends mehr werden. Denn nur in Turin, am Hofe der Industriellenfamilie Agnelli, fand Buffon ideale Bedingungen, um vom vom jugendlichen Wirrkopf zum charismatischen Charakterdarsteller zu reifen - zu Gigi Gaga Grandezza.

"Hier gibt's keine Extrawürste", so wurde der 23-Jährige empfangen, als er 2001 vom Provinzverein Parma zum nobelsten Klub Italiens wechselte. Da hatte Buffon, immerhin schon Nationaltorwart, den Wunsch geäußert, seine alte Trikotnummer 77 behalten zu dürfen: Von wegen, bitte einreihen hinter die Legenden Giampiero Combi und Dino Zoff! Er bekam die 1, wie alle Juve-Schlussmänner vor ihm, und er lernte, was es bedeutet, bei diesem Verein wirklich die Nummer Eins zu sein.

Zuerst kommt der Klub, dann das Mannschaftskollektiv, dann erst kommen die Spieler. Zuerst kommt die Disziplin, dann das Können, erst danach ist Exzentrik erlaubt. Buffon lernte also, erst zu denken, dann zu reden und die Hände beim Sprechen still zu halten. Und siehe da: Aus Gianluigi Buffon, den alle immer nur Gigi nennen, wurde der zeitweise beste, sicher aber schillerndste Torwart der Welt. Eine Galionsfigur des italienischen Calcio, ach was, der italienischste Capitano von allen. Ein Individualist im Dienst der Mannschaft, ungeheuer diszipliniert, aber niemals glatt oder gar duckmäuserisch. Ein unglaublich starker Typ.

Andere, etwa der Spanier Iker Casillas, mochten noch erfolgreicher sein, doch als Kunstflieger im großen Lebensmelodram bleibt Buffon unerreicht. Die Brüche und Eskapaden in seiner Biografie sind mindestens so zahlreich wie die Trophäen. Was daran liegen mag, dass Gigi Buffon stets mehr suchte als die Perfektion zwischen zwei Torpfosten. Nämlich das pralle, bunte Leben.

Ein Leben, zu dem die Depression gehört wie das harte (wenn auch stets legale) Zocken, ein gefälschtes Abizeugnis wie die echten, hart erkämpften Siege und Auszeichnungen. Weder aus dem einen, noch aus dem anderen hat er je einen Hehl gemacht. Buffon hat seine Schwächen und Patzer nie verborgen, er wollte immer beweisen, dass man nicht nur auf dem Platz Talsohlen überwinden und Fehler auswetzen kann. Sein Leben ist ganz großer Sport.

Er stammt aus Carrara, einer Stadt an der Küste der Toskana, in deren Rücken sich die famosen Marmorberge türmen. Michelangelo arbeitete hier, schuf aus diesem Material den David, den Moses, die berühmtesten Statuen der Kunstgeschichte. Jahrhunderte später machten die Arbeiter aus den Marmorsteinbrüchen Carrara zur Wiege des italienischen Anarchismus. Erschöpfend harte Arbeit und radikale Freiheitsideen bewegten die Heimatstadt von Buffon, beides wurde durch Gigi auf das Eindrücklichste verkörpert.

spiegel


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