Das Relegationsrückspiel zwischen Holstein Kiel und dem VfL Wolfsburg war am Montagabend seit zehn Minuten beendet - und dennoch war nur schwer zu erkennen, wer hier eigentlich der Sieger war. Die Wolfsburger standen rechts am Zaun bei ihren 2200 mitgereisten Fans, klatschten ab, gaben High Fives. 150 Meter weiter links war der Applaus jedoch weitaus lauter. Hinzu kamen energische Schlachtrufe. "Nur Holstein Kiel", schallte es aus dem Fanblock. Die Zuschauer feierten ihre Störche, deren Höhenflug letztlich doch nicht ganz bis in die Fußball-Bundesliga gereicht hat. Der Zweitliga-Aufsteiger verlor nach dem 1:3 im Hinspiel auch die zweite Partie gegen den Bundesliga-16. aus Wolfsburg. Robin Knoches Kopfballtreffer in der 75. Minute entschied die Partie zu Gunsten der Niedersachsen, die sich mit diesem 1:0 (0:0) in der Relegation verdient behaupteten.
Doch die Freude darüber war kaum spürbar. Kein einziger Profi jubelte, als Schiedsrichter Daniel Siebert abpfiff. Trainer Bruno Labbadia gab sich mit seinen Assistenten kurz die Hand - das war’s. Es hatte etwas von einem Beamten, der ungewollt Überstunden leisten musste und nun froh war, es endlich überstanden zu haben. Und so fand VfL-Kapitän Maximilian Arnold denn auch deutliche Worte, als er ins weiße Medienzelt vor der Haupttribüne kam. "Wir sind froh, dass wir es gemeistert haben. Und wir, also der komplette Verein, muss sich Gedanken machen. Es kann nicht sein, dass wir zweimal hintereinander Relegation spielen", monierte Arnold.
Rettung vor einem Jahr schwieriger
Vor zwölf Monaten hatte der VfL schon einmal diese extra Dosis Nervenkitzel mitgemacht. Damals, so Arnold, sei die Relegation allerdings schwieriger gewesen. Denn der Gegner war mit Eintracht Braunschweig der ungeliebte Nachbar. "Braunschweig - das geht ja gar nicht schlimmer", so Arnold. Nach den beiden 1:0-Erfolgen hielt Wolfsburg zwar die Klasse, doch es sagt einiges über die seitdem in der Autostadt geleistete Arbeit aus, dass die Niedersachsen nun erneut nachsitzen mussten.
Letztlich habe, sagt Arnold "die spielerische Qualität den Ausschlag gegeben." Für die Kieler kam erschwerend hinzu, dass Spielmacher Dominick Drexler aufgrund von Oberschenkel-Problemen ausfiel. Zwar mühten sich die Schleswig-Holsteiner im wohl wichtigsten Spiel der Vereinsgeschichte, und hatten durch Angreifer Aaron Seydel durchaus ihre Chancen (15. / 47. Minuten), doch so richtig unter Druck geriet die Wolfsburger Abwehr nie. Und mit dem Gästetreffer von Knoche war Holsteins Hoffen auf das Fußballwunder endgültig vorbei. "Wir haben Holstein Kiel, glaube ich, in Deutschland gut präsentiert. Wolfsburg war eine Nummer zu groß, für uns ist das keine Schande", resümierte Trainer Markus Anfang, der Kiel erst im vergangenen Frühjahr nach 36 Jahren wieder in die Zweite Liga geführt hatte.
Labbadia bewirbt sich als Architekt
Anfangs Zukunft ist klar. Der gebürtige Kölner kehrt in seine Heimat zurück, übernimmt Absteiger 1. FC Köln und soll ihn sofort wieder in die Bundesliga bringen. Beim VfL Wolfsburg hingegen scheint die Trainerfrage noch offen zu sein. Zwar gilt, wie so oft in diesem Geschäft, der Retter auch als heißer Kandidat für den Neuaufbau. Und Labbadias Vertrag in Wolfsburg läuft sogar bis 2019. Dennoch ist nicht ganz klar, ob der potenzielle neue Sportdirektor, Jörg Schmadtke, tatsächlich mit ihm plant. So nutzte Labbadia den medialen Mittelpunkt rund um das Relegationsspiel aus, um sich als Architekt zu bewerben, der in Wolfsburg etwas aufbauen will. "Ich habe mir das nicht angetan, um zu sagen, ich überlasse das jetzt einem anderen", betonte der 52-Jährige.
Am 20. Februar hatte er den Klub nach 23 Spieltagen auf Rang 14 übernommen. Rückblickend spricht Labbadia von der "schwierigsten Aufgabe, die ich bislang als Trainer gehabt habe." Von den elf Bundesligapartien gewann Wolfsburg nur zwei, rettete sich erst am letzten Spieltag durch ein 4:1 gegen Absteiger Köln in die Relegation. Er habe immer gewusst, so Labbadia, worauf er sich einlasse. Und letztlich sei er "einfach nur froh, dass wir es geschafft haben."
Vor einem Jahr hieß der Mann, der den Wolfsburger "worst case" verhinderte, Andries Jonker. Doch der Niederländer musste anschließend nach nur vier Punkten aus den ersten vier Spielen und einem daraus resultierenden 14. Platz gehen. Auch Labbadia weiß, dass der Retter-Status natürlich nicht ewig hält. 2015 hatte er den Hamburger SV in der Relegation gegen den Karlsruher SC vor dem Abstieg bewahrt. Rund 15 Monate später musste Labbadia trotzdem gehen. "Jetzt gönnen wir uns ein, zwei Tage, und dann überlegen wir, wie es weitergeht", sagte der Hesse. Glücklich sah er bei diesen Worten jedoch nicht aus. Eher gefasst. Vielleicht war er auch einfach nur geschlaucht nach seiner erfolgreichen Mission.
Quelle: n-tv.de
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