Nikab nicht abgelegt. Polizisten geschlagen. Haftstrafe

  22 Dezember 2015    Gelesen: 615
Nikab nicht abgelegt. Polizisten geschlagen. Haftstrafe
Belgien 2012: Polizisten fordern eine Frau auf, den verbotenen Nikab abzunehmen. Sie weigert sich, wird aggressiv, verletzt Beamte. Nach ihrer Festnahme gibt es Krawalle. Jetzt fällt das Urteil.
Der Brüsseler Stadtteil Sint-Jans-Molenbeek ist in diesen Tagen zum Synonym für islamistischen Terror geworden. Mindestens zwei der Attentäter von Paris wohnten hier, am Rande der belgischen Hauptstadt. Und die Welt entdeckt plötzlich, dass Belgien eine Hochburg des Dschihadismus europäischer Art ist. Tatsächlich gedeiht der radikale Islam in dem kleinen Land schon seit einigen Jahren prächtig. Das ist anhand eines aktuellen Prozesses jetzt wieder zu besichtigen.

Ein Brüsseler Gericht verurteilte die 27 Jahre alte belgische Muslimin Stephanie D. am Dienstag zu 18 Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 900 Euro. Außerdem muss sie mehreren Polizisten Schmerzensgeld zwischen 2500 und 7200 Euro zahlen und der Polizeiwache Brüssel-West Schadenersatz von 607 Euro. Noch im Gerichtssaal wurde die Frau verhaftet.

Der Hintergrund: Am 31. Mai 2012 hatten Polizisten Stephanie D. an einer Bushaltestelle in Jette im Westen Brüssels aufgefordert, ihren Nikab abzulegen. Vollverschleierung, also das Tragen einer Burka oder eines Nikab in der Öffentlichkeit, ist in Belgien schon seit 2010 verboten. Doch D. weigerte sich, woraufhin die Beamten sie mit auf die Wache in Sint-Jans-Molenbeek nahmen.

Schon auf dem Weg wurde D. gewalttätig, versetzte einer Polizistin einen Kopfstoß. Auf der Wache weigerte sie sich weiter, den Schleier abzulegen, und wurde zunehmend aggressiver. Schließlich kam es zu einer Prügelei, und es gelang D., zwei Polizistinnen zu verletzen, bevor sie überwältigt wurde. Allerdings wurde D. dabei auch selbst verletzt – sie verklagte später die beteiligten Beamten. Sie habe bei dem Handgemenge eine Gehirnerschütterung erlitten, gab sie an. Die Klage wurde aber nicht zugelassen, auch eine Revision hatte keinen Erfolg.

Das Ganze eskalierte eine Woche später

Nach dem Vorfall auf der Wache wurde D. ins Krankenhaus gebracht und vorläufig freigelassen. Doch damit war die Sache noch lange nicht vorbei. Denn die Nikabträgerin war eine Anhängerin von Sharia4Belgium, einer salafistischen Terrorgruppe, deren Ziel es war, Belgien zu einem muslimischen Staat umzubauen und die Scharia einzuführen. Mittlerweile ist die Organisation verboten, ihre Mitglieder wurden zu langen Haftstrafen verurteilt.

2012 aber war Sharia4Belgium noch aktiv – und rief zu Protesten gegen die Behandlung von Stephanie D. auf. "Sie muss sich als Muslimin verteidigen können", sagte der Sprecher der Organisation, Fouad Belkacem, auf einer Pressekonferenz, bei der D. im Nikab neben ihm saß. Tatsächlich, so kam es später heraus. betrachtete er D. als eine seiner Ehefrauen. Die beiden hatten sich in einer religiösen Zeremonie trauen lassen – staatlich anerkannt ist die Ehe jedoch nicht, zumal Belkacem gleich mehrere Frauen "geheiratet" hatte.

Viele radikal eingestellte Muslime folgten dem Aufruf Belkacems. Vor der Polizeiwache in Sint-Jans-Molenbeek demonstrierten Islamisten mit salafistischen Flaggen, es brachen Krawalle aus. Das Ganze eskalierte eine Woche später in einem Gewaltakt an der Molenbeeker U-Bahn-Station Beekkant: Brahim B., ein Islamist aus Paris, attackierte am 8. Juni 2012 drei Polizisten mit einem Messer und verwundete zwei von ihnen. Er gab später an, er sei extra für die Tat aus Frankreich angereist. Seine Hoffnung war, von den Polizisten erschossen zu werden und als Märtyrer zu fallen – aus Protest gegen das Verschleierungsverbot in Belgien und den Afghanistan-Einsatz.

Obwohl Brahim B. später Reue zeigte, wurde er im Jahr 2013 zu 17 Jahren Haft wegen dreifachen Mordversuchs aus terroristischen Motiven heraus verurteilt. Auch Stephanie D. muss jetzt ins Gefängnis. Doch zeigt ihre Geschichte: Erstens haben Frankreich und Belgien schon lange ein gemeinsames Problem. Und zweitens ist es noch lange nicht gelöst. Denn immer wieder kommen Extremisten nach. Stephanie D. selbst, in Brüssel aufgewachsene Tochter eines belgischen Vaters und einer kamerunischen Mutter, war erst als Erwachsene vier Jahre vor ihrer Festnahme

Tags:


Newsticker