Und das in der EU: Wer Wahrheit über Holocaust enthüllt, wird verfolgt

  30 Mai 2018    Gelesen: 663
Und das in der EU: Wer Wahrheit über Holocaust enthüllt, wird verfolgt

Für die osteuropäischen EU-Länder scheint der Holocaust nicht mehr eine Frage des Gewissens zu sein. So wurde in Litauen die Schriftstellerin Ruta Vanagaite beschuldigt, mit „feindlichen Kräften“ zu kooperieren, und zwar wegen eines Buchs über die Beteiligung von Tausenden Litauern an der Ermordung von Juden.

Ende Mai wurde Ruta Vanagaite, die Autorin des Buches „Mūsiškiai“ („Die Unsrigen“), mit dem Preis des Europäischen Rabbi-Rates „Für die Aufrechterhaltung der Wahrheit über den Holocaust“ ausgezeichnet. Die Zeremonie fand in Brüssel statt, in Gegenwart des EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani und des Ersten EU-Kommissions-Vizepräsidenten Frans Timmermans. Letzterer versprach, die jüdische Gemeinde zu unterstützen. „Ich will, dass Sie wissen: Ich werde immer mit Ihnen und für Sie da sein. Ich werde Ihre Interessen und Rechte verteidigen und alles tun, was ich tun kann“, versicherte er.

Das Schweigen Europas
Einige Minuten später erzählte die Schriftstellerin, wie in Litauen wegen ihres Buchs Hexenjagd auf sie veranstaltet wurde. Und die EU-Parlamentarier wussten nicht, was sie dazu sagen sollten.

In diesem Monat erschien das Buch „Die Unsrigen“ auch in Russland, doch die Autorin kam nicht zu seiner Präsentation. Sie verweigerte auch die Teilnahme an der Sendung des russischen Journalisten Wladimir Posner.

„Ich will nicht den dummen Ultrapatrioten in meiner Heimat einen Anlass für neue Angriffe geben“, betonte Vanagaite. „Ich würde dann den litauischen Propagandisten viel zu viel Freude schenken.“

Im EU-Parlament sagte sie Folgendes: „Es ist schade, dass Litauen nach 28 Jahren Unabhängigkeit weder zur Freiheit noch zur Demokratie noch zur Wahrheit bereit ist. Es ist schade, dass sich heutzutage niemand findet, der es wagen würde, ein Buch, das ich schreibe, zu veröffentlichen (…). Man sagte mir, dass meine Werte anders als die allgemein anerkannten sind.“

„Die Wahrheit lässt sich nicht verbergen“
2014 hatte Ruta Vanagaite erfahren, dass sich ihr Großvater und der Mann ihrer Tante am Holocaust beteiligt hatten. „Sie erschossen zwar niemanden selbst, aber sie waren Teil der bürokratischen Maschinerie, die Morde beging. Entweder erstellten sie Listen der Opfer oder organisierten die Erschießungen – und wurden dafür ausgezeichnet“, sagte die Schriftstellerin.

Und dann begann, so sagte sie, ihre „einsame Wanderung“ durch die Holocaust-Geschichte in Litauen. Gemeinsam mit Professor Ephraim Zuroff vom israelischen Simon-Wiesenthal-Zentrum besuchte sie alle 227 jüdischen Massengräber, befragte die Einwohner dieser Orte und die Augenzeugen der damaligen Ereignisse. Und am Ende schrieb sie ihr Buch, das für das ganze Land zum Schock wurde.

„Viele meiner Mitbürger bewahren bei ihnen zu Hause gute jüdische Dinge auf, und die goldenen Zähne ihrer Großmütter hatten 1941 möglicherweise jemand anderem gehört. Mein Buch zwang sie, das zu begreifen – und das war keine angenehme Entdeckung“, räumte die Autorin ein.

Die litauische politische Elite war über dieses Buch sehr verärgert – Vanagaite wurde quasi vorgeworfen, mit dem Kreml zu kooperieren. Ihr Buch wurde zur „Gefahr für die nationale Sicherheit“ und zum „Projekt“ abgestempelt, „dessen Umsetzung mit feindlichen äußeren Kräften koordiniert wurde“.

Am Ende wurden alle 27.000 Bücher, die zu dem Zeitpunkt nicht verkauft worden waren, 2017 aus dem Verkehr gezogen. Einer der größten litauischen Verlage war mit Vanagaites Position nicht einverstanden, die vermutet hatte, dass der Anführer der Partisanenbewegung „Waldbrüder“ und nationale Held Litauens, Adolfas Ramanauskas-Vanagas, möglicherweise ebenfalls Juden getötet hatte. Dass die Gerechtigkeit wiederhergestellt wird, konnte die Schriftstellerin nicht erreichen.

„Jetzt liegen alle meine Bücher in meiner Garage, und keine einzige Buchhandlung will sie nehmen. Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass der Prozess der Gesundung und Aussöhnung in meinem Land begonnen hat und dass niemand ihn lange ausbremsen kann. Niemand kann den ‚Fluss der Wahrheit‘ stoppen“, betonte die Autorin.

Mit ihr zeigte sich der Vorsitzende des Europäischen Rabbi-Rates, Pinchas Goldschmidt, solidarisch. Nach seinen Worten versuchen manche Kräfte in Europa, tatsächlich die Geschichte umzuschreiben und die Vergangenheit zu vergessen. Und das passiere vor dem Hintergrund der Aktivitäten rassistischer und ultranationalistischer Kräfte in einigen EU-Ländern, betonte er.

„Solche mutigen Menschen wie Ruta Vanagaite, die keine Angst haben, die Wahrheit über die Ereignisse der Vergangenheit zu sagen, machen eine wichtige Sache nicht nur für die historische Gerechtigkeit, sondern auch dafür, dass künftige Generationen wissen, was in Wirklichkeit passierte, und richtige Schlüsse ziehen. Nur so können wir damit rechnen, dass sich die schrecklichen Ereignisse nicht mehr wiederholen“, sagte der Rabbi gegenüber Sputniknews.

„Wenn Frau Vanagaite nach Auffassung der Führung des Landes und der Verleger eine Unwahrheit geschrieben hat, dann hätten sie sie verklagen können. Warum haben sie das aber nicht getan? Weil sie Zensur betreiben“, ergänzte Goldschmidt.

Nazi-Gruß in Litauen
Shimshon Izakson war fast zwei Jahre lang der Oberrabbi von Vilnius. Vor kurzem hat er Litauen aber verlassen. Nach seinen Worten hatte er mit seiner Familie einen Ort gesucht, „wo es angenehm wäre, zu leben und sich gemeinsam mit der Diaspora zu entwickeln“. „Aber Litauen ist kein solcher Ort“, sagte er. Die Angriffe der Politik gegen Ruta Vanagaite kommt für ihn nicht überraschend. „Die Staatsführung und hochrangige Diplomaten begreifen voll und ganz die Holocaust-Tragödie und wollen die Fehler ihres Volkes einräumen. Aber die Gesellschaft kann sich im Laufe von nur 70 Jahren so verändern. Einfache Litauer, die sich nicht für Söhne oder Enkelkinder von Mördern halten wollen, sind dem Verlag, der Vanagaites Bücher aus dem Handel gezogen hat, wohl dankbar.“

Vor dem Zweiten Weltkrieg war die jüdische Diaspora in Litauen eine der bekanntesten auf der ganzen Welt. Die Nazis tötetem aber mehr als 210.000 Menschen, 96 Prozent der gesamten jüdischen Bevölkerung des Landes. Die Behörden hatten lange verschwiegen, dass Litauer am Holocaust teilgenommen hatten. 1995 räumte der damalige Präsident, Algirdas Brazauskas, das zwar offiziell ein, aber die wirkliche Wahrheit blieb vom „Schutzschirm“ von politischen Erklärungen verdeckt.

„In Litauen hat man natürlich die Beteiligung seiner Mitbürger am Juden-Völkermord eingeräumt – sonst wäre das Land wohl nicht in die EU aufgenommen worden“, so der Rabbi weiter. „In Vilnius gibt es ein Holocaust-Museum, das aber klein und unauffällig ist – wohl damit es nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und gleichzeitig wurde in Litauen der Mythos über den ‚sowjetischen Holocaust gegen Litauer‘ verbreitet.“

Deshalb sei Antisemitismus im Alltag ziemlich üblich, fuhr Goldschmidt fort. Er selbst sei öfter damit konfrontiert gewesen. So habe er einmal seine Tochter in den Kindergarten gebracht, und ein Mann auf der Straße habe ihn mit dem Hitler-Gruß begrüßt. Über diesen Zwischenfall schrieb der Rabbi auf Facebook und bekam von einigen Diplomaten die Versicherung, dass man sich mit dieser Frage „beschäftigen“ würde.

„Einer von meinen Lehrlingen muss sich immer wieder anhören: ‚Man hat alles richtig getan, dass man euch umbrachte‘ oder ‚Es ist ja schade, dass nicht alle Juden vernichtet wurden‘. So ist aber nun einmal die Realität in Litauen“, ergänzte Izakson.

sputniknews


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