Die Gashis sind der Abschiebung nicht entgangen. Nur deshalb, das merken sie bald, hat man sie nach Bamberg beordert, in eine verlassene Kaserne der US-Armee, eine Sammelunterkunft, die nur einen Zweck hat: Asylbewerber unterbringen, deren Bleibechancen verschwindend gering sind. Die Regierung Oberfranken, die die Einrichtung betreibt, spricht von einer "Ankunfts- und Rückführungseinrichtung", kurz ARE. Andere sagen "Abschiebelager". Bisher hat in der Bamberger ARE niemand Bleiberecht in Deutschland erhalten.
Mehr als ein Drittel der Menschen in der ARE kommt aus Albanien, andere aus dem Kosovo, aus Serbien oder Bosnien und Herzegowina. Alles Westbalkanstaaten, die als sichere Herkunftsländer gelten. Wer in die ARE kommt, muss Deutschland aufgrund seiner Staatsangehörigkeit bald verlassen.
Die Verlegung der Familie Gashi ist Teil einer größeren Aktion, die derzeit in ganz Bayern vor sich geht. Die Staatsregierung will Platz schaffen für jene, die ein Recht auf Asyl in Deutschland haben: Kriegsflüchtlinge aus Syrien. So verfrachtet man nach und nach alle Asylbewerber, die aus dem Westbalkan geflohen sind, nach Bamberg, von wo aus sie dann in ihre Heimatländer zurückreisen müssen. 854 sind es derzeit. Bis Ende März sollen es 4.500 werden.
Darunter sind viele, die schon länger in Deutschland leben. Die meisten, die man hier anspricht, können Deutsch. Ihre Kinder gingen bis vor Kurzem auf Regelschulen, hatten Freunde und eine Vorstellung davon, wie ihre Zukunft in Deutschland aussehen könnte. Jetzt kümmern sich zwei Lehrkräfte um 160 Kinder aller Altersklassen, ein einziges Durcheinander, wenn man den Eltern glaubt.
Laut Regierung werden keine Schwangeren oder Schwerbehinderten aus anderen Unterkünften nach Bamberg verlegt. Flüchtlingshelfer berichten aber von Fällen, in denen Familien mit behinderten Kindern betroffen seien. Tatsächlich schiebt eine Frau ein Kind im Rollstuhl durch die ARE. Spricht man sie an, sagt sie nur ein Wort: "Albania".
Nach einem vereitelten Anschlag von Neonazis sind die Sicherheitsvorkehrungen hoch. Helfer dürfen nur vereinzelt in die Einrichtung, Kontakt mit der Bevölkerung gibt es kaum.
"Es geht darum, ein realistisches Bild von Deutschland zu vermitteln – auch in den Herkunftsländern", sagt Stefan Krug von der Regierung Oberfranken. Übersetzt heißt das: Man setzt darauf, dass die Ausgereisten derart abgeschreckt sind, dass sie in ihrer Heimat ein entsprechend negatives Bild von Deutschland verbreiten – und weniger Menschen herkommen. Integration ist hier nicht mehr von Bedeutung.
Mit dieser Strategie trifft Bayern den Kern des neuen Asylkonzeptes der Bundesregierung: Diejenigen, die nicht bleiben dürfen, sollen das auch wissen – und umgehend abgeschoben werden. Dementsprechend hat sich in den vergangenen Wochen die Zahl der Abschiebungen in Deutschland massiv erhöht. Das liege nicht nur an den steigenden Flüchtlingszahlen, sagt Peter Immeler, der die Bamberger Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge leitet. Es werde "insgesamt mehr Wert auf den Vollzug gelegt". Er und sein Team brauchen nur fünf bis zehn Tage für einen Asylbescheid. Das dürfte innerhalb der Behörde Rekordzeit sein.
In Bamberg funktioniert überhaupt alles ziemlich effektiv. Die Verwaltungsmitarbeiter haben ihre Büros ebenfalls in der ARE bezogen. Es riecht nach Industrieteppich. Ein Haus beherbergt hier einen ganzen Asylprozess: Im Erdgeschoss sitzt die Erstregistrierungsstelle, ein Stockwerk darüber die Ausländerbehörde. Immer ein Treppchen höher geht es Richtung Ablehnung, und wer einen Raum betreten möchte, muss an die Tür klopfen. Deutschland in a nutshell.
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