Das Tier

  22 Juni 2018    Gelesen: 1321
Das Tier

Mit einer hochgerüsteten Kleinserie der Limousine XE werden Millionärsträume wahr. Nie zuvor gab es einen Jaguar mit 600 PS. Die Leistung des SV Project 8 bestimmt alles im Wagen - selbst die Position des Lenkrads.

 

Der erste Eindruck: Da steckt viel Testosteron drin! Während der normale XE brav und bieder aussieht, wirkt die neue Variante XE SV Project 8 schrill und aufgepumpt.

Das sagt der Hersteller: Der Jaguar XE SV Project 8 ist ein Traumwagen. Nicht nur für reiche Kunden, sondern auch für die Entwickler, sagt Projektleiter Mark Stanton. Bei der Konstruktion des Autos waren den Ingenieuren kaum Grenzen gesetzt. "Normalerweise müssen wir immer über Kosten diskutieren, über die Komplexität der Produktion oder andere Einschränkungen", sagt Stanton. Für das Project 8 und die ultimative Rennstreckenlimousine jedoch habe es nur eine Losung gegeben: "Gut ist, was schnell macht."

Deshalb habe auch niemand mit der Wimper gezuckt, als die Abteilung "Special Vehicle Operations" anfing, Karosserieteile aus Karbon zu backen, mechanische Verstelldämpfer einzubauen oder eine neue Keramik-Bremse. "Wir haben uns an Rennwagen orientiert und uns nur da zurückgehalten, wo wir die Straßenzulassung riskiert hätten", sagt Stanton. Die Bodenfreiheit lässt sich deshalb genauso variieren wie die Spoilerlippe, die sich für den Renneinsatz, weitab von Fußgängern, um ein paar Fingerbreit weiter herausziehen lässt. Beim Antrieb habe es ohnehin keine Alternative gegeben. Stanton: "Wir haben einfach das größte und stärkste Triebwerk genommen, das wir haben. Und haben es noch etwas weiter optimiert."

Das ist uns aufgefallen: Die kraftvolle Karosserie, die bunte Kriegsbemalung und der Krach aus dem Auspuff - das Project 8 ist ein einziger Schrei nach Aufmerksamkeit. Die hat der Jaguar XE auch bitter nötig. Nicht nur, weil das Grundmodell vergleichsweise bieder und ziemlich unauffällig daher kommt, sondern vor allem, weil man den XE hierzulande kaum wahrnimmt. In der deutschen Zulassungsstatistik jedenfalls spielt das vor drei Jahren gestartete Jaguar-Einstiegsmodell kaum eine Rolle: 2000 Neuanmeldungen waren es im vergangenen Jahr; Konkurrenten wie BMW 3er oder Mercedes C-Klasse erreichen diese Verkaufszahl in weniger als einem Monat.

Beim Project 8 hat Jaguar in der Track-Version die Rückbank aus- und einen Überrollkäfig eingebaut - das spart zwölf Kilo Gewicht. Warum der Wagen dennoch rund 1,8 Tonnen wiegt, erkennt man beim Blick nach vorn. Er hat den großen Touchscreen und das komplette Interieur einer Business-Class-Limousine mit schweren Materialien wie Leder und diversen elektrischen Helfern. Soviel Luxus wiegt schwer.

Sobald der Motor läuft und die achtstufige Automatik auf "D" wie Drive oder, besser noch, auf "S" wie Sport steht, sollte man seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Strecke richten. So sehr der Allradantrieb, die mehrstufig regulierende Traktionskontrolle und der Abtrieb durch den riesigen Heckflügel das Fahren des Wagens erleichtern - besser man hat alle Sinne beisammen bei einem Auto mit 600 PS Leistung und 700 Nm Drehmoment.

Fast explosionsartig erreicht der Wagen Geschwindigkeiten, bei denen kein Assistenzsystem der Welt mehr helfen kann; die Physik fordert ihren Tribut. Es fällt schwer, ja, es ist fast unmöglich, mit diesem Auto langsam zu fahren. Trotzdem spendierte Jaguar dem XE SV Project 8 einen Komfort-Modus, in dem sich die Limousine ohne peinliches Gebrüll aus dem Auspuff durch die Stadt bewegen lässt und das Fahrwerk nicht mehr ganz so knüppelhart ist. Doch im Grunde ringt der Fahrer im XE SV Project 8 ständig damit, Regeln einzuhalten und der plötzlich aufkeimenden Risikobereitschaft nicht nachzugeben. Wenn das Serienmodell nur einen Bruchteil der Leidenschaft und Begeisterung dieser Extrem-Variante transportieren würde, müsste sich Jaguar um den Absatz wohl keine Sorgen machen.

Das muss man wissen: Der XE SV Project 8 ist eine weitere Spinnerei der Abteilung Special Vehicle Operations, in der Jaguar und Land Rover die Experten für Extrawürste zusammengezogen hat. Dort werden, weitgehend von Hand, exakt 300 Exemplare des straßenzugelassenen Rennwagens gebaut, dessen Auslieferung nach den Sommerferien beginnt. Im Zentrum des Umbaus steht der Motor, ein fünf Liter großer V8-Benziner, dem ein Kompressor 600 PS entlockt. Das sind 25 PS mehr als in der bisher potentesten Version, was den XE SV Project 8 zum stärksten Jaguar in der bisherigen Firmengeschichte macht. Unter den Limousinen hält das Auto noch mehr Rekorde: Mit einem Spitzentempo von 322 km/h ist er der schnellste Viertürer der Markenhistorie und mit einer Rundenzeit von 7:21,23 Minuten der aktuelle Rekordhalter auf der Nürburgring-Nordschleife.

So extrem die Eckdaten sind, so exorbitant ist auch der Preis. 182.000 Euro rufen die Briten für das Fahrzeug auf, das damit erheblich teurer ist als Konkurrenzmodelle wie Audi RS4, BMW M3 oder Mercedes-AMG C63. Die Kunden scheint das nicht zu stören. Kaum war der Rundenrekord bestätigt, war auch schon die Hälfte der Autos verkauft.

Das werden wir nicht vergessen: Dass das Auto aus Großbritannien kommt, aber das Lenkrad ausschließlich auf der linken Seite sitzen wird. "Im Rechtslenker hätten wir ohne einen erheblichen Aufwand den Motor nicht unterbekommen. Außerdem macht es auf der Rennstrecke keinen Unterschied, auf welcher Seite das Lenkrad sitzt", sagt Stanton.

Fahrzeugschein
Hersteller:
Jaguar
Typ:
XE SV Project 8
Karosserie:
Limousine
Motor:
V8-Kompressor-Benziner
Getriebe:
Achtgang-Automatik
Antrieb:
Allrad
Hubraum:
5.000 ccm
Leistung:
600 PS (441 kW)
Drehmoment:
700 Nm
Von 0 auf 100:
3,7 s
Höchstgeschw.:
322 km/h
Verbrauch (ECE):
11,0 Liter
CO2-Ausstoß:
254 g/km
Kofferraum:
450 Liter
Gewicht:
1.745 kg
Maße:
4713 / 1954 / 1436
Preis:
182.800 EUR

spiegel


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