Guardiola in Manchester: Paradise City

  25 Dezember 2015    Gelesen: 763
Guardiola in Manchester: Paradise City
Josep Guardiola soll sich für Manchester City entschieden haben. Nur des Geldes wegen? Nein. Wie beim FC Bayern gibt es auch viele andere Gründe für seine Wahl.
"Wir haben ein gutes Image. Wenn es nur ums Geld gegangen wäre, hätten wir überhaupt keine Chance gehabt." Das waren die Worte von Karl-Heinz Rummenigge 2013 bei der Vorstellung Josep Guardiolas als neuer Bayern-Trainer. Und jetzt? Wechselt dieser Trainer wahrscheinlich zu Manchester City, wo er nach Medienberichten doppelt so viel Geld verdienen wird wie in München.


Ist Guardiola jetzt schwach geworden? Ging es diesmal "nur ums Geld"? Trotz der gewaltigen Summe von 25 Millionen Euro, über die die "Bild"-Zeitung berichtet, sprechen tatsächlich andere Argumente für City.
Seit Bekanntwerden seines Abschieds aus München zum Saisonende ranken sich Gerüchte um Guardiolas zukünftigen Arbeitgeber. Schon 2013 soll sich City um ihn bemüht haben. Damals gab er Bayern München den Vorzug. Aktuell schienen auch Chelsea und United in Frage zu kommen. Bei den Londonern wurde José Mourinho vergangene Woche entlassen, bei Manchester ist Louis van Gaal umstritten und hat sich zudem mit der Presse überworfen.

Gegen Chelsea spricht allerdings einiges: Der Kader wurde größtenteils von Mourinho zusammengestellt und spielte unter dem Portugiesen einen defensiven Fußball, der denkbar weit von Guardiolas Philosophie entfernt ist. Außerdem hat die Ungeduld von Besitzer Roman Abramowitsch die Herausbildung nachhaltiger Strukturen verhindert, und die volle Kontrolle über den sportlichen Bereich, wie Guardiola sie schätzt, hatte dort noch nie ein Coach.

United würde schon eher passen, doch auch dort gibt es starke Figuren wie Alex Ferguson im Hintergrund, die sich immer wieder einmischen. Darauf kann Guardiola gut verzichten. Der Fußball der Red Devils ist zwar ballbesitzorientierter als der Chelseas, aber es ist kaum vorstellbar, dass der Katalane mit dem aktuellen United-Kader glücklich würde.

Große Trainertreue

Das alles sieht bei City viel attraktiver aus. Entgegen dem Image, ein von Investoren blind zusammengekauftes Starensemble zu sein, wird im Osten von Manchester nachhaltig gearbeitet und ein klarer, langfristiger Plan verfolgt. Seit die Abu Dhabi United Group im August 2008 den Klub übernahm, haben die Eigentümer um Khaldoon al-Mubarak nur zweimal den Trainer gewechselt und nur einmal während einer laufenden Saison, als Roberto Mancini 2009 Mark Hughes ablöste. Im europäischen Spitzenfußball war nur Arsenal in dieser Phase treuer gegenüber seinem Dauertrainer Arsène Wenger.

Der Spielstil Citys unter Trainer Manuel Pellegrini ist, verglichen mit anderen Top-Teams der Premier League, auf Ballbesitz, Spielkontrolle und Dominanz ausgelegt. In den beiden vergangenen Saisons erzielte die Mannschaft jeweils die meisten Tore der Liga. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass Citys Stil es mit dem von Barcelona oder des FC Bayern aufnehmen könnte. Dafür fehlt ein entscheidender Aspekt: das Gegenpressing.

Eine der großen Qualitäten von Guardiolas Mannschaften bestand stets darin, auf eigene Ballverluste perfekt vorbereitet zu sein und so gegnerische Konter verhindern zu können. Obwohl City in der Premier League die wenigsten gegnerischen Torschüsse pro Spiel zulässt, liegt die Mannschaft in der Defensivtabelle nur auf dem siebten Platz - ein Indiz dafür, dass Ballverluste nicht abgesichert sind und der Gegner zu vielversprechenden Torchancen kommt.

Es gibt also einiges zu tun, aber das könnte sogar attraktiver sein als die Ausgangslage bei den Bayern, wo Jupp Heynckes vor Guardiolas Amtsantritt alles gewonnen hatte, was zu gewinnen war. Dass viele deutsche Medien nicht erkennen, wie sehr Guardiola die Bayern weiterentwickelt hat, dass der Meistertitel und das Halbfinale der Champions League als Scheitern aufgefasst werden, das droht Guardiola in England nicht. Die Liga ist viel ausgeglichener, es gibt nicht einen Titelkandidaten, sondern vier bis sechs, und im Europapokal wird nicht alles jenseits des Champions-League-Titels als Versagen interpretiert.

Schon jetzt hat City mit Sergio Agüero, David Silva, Kevin de Bruyne und Raheem Sterling viele Spieler, mit denen Guardiola seine Ideen umsetzen könnte. Bisher ist die Mannschaft allerdings zu abhängig von Agüero in der Offensive und dem verletzungsanfälligen Kapitän Vincent Kompany in der Defensive. Doch es sind Transfers jeder Größenordnung vorstellbar, wenn sogar Lionel Messi mit einem Wechsel nach Manchester in Verbindung gebracht wird.

City investiert aber nicht nur in Beine, sondern auch in Steine. Das vor einem Jahr eröffnete neue Trainings- und Jugendakademiezentrum nahe dem Stadion soll 270 Millionen Euro gekostet haben und sucht in Europa seinesgleichen. 2027 will der Klub so weit sein, verpflichtend einen festen Prozentsatz der Mannschaft nur mit Spielern aus der eigenen Jugend zu besetzen. Das mag man als PR-Maßnahme abtun, abschrecken dürfte es Guardiola jedenfalls nicht.

Ebensowenig wie die Präsenz von Sportdirektor Txiki Begiristain und CEO Ferran Soriano, die der Trainer aus Barcelona kennt. Fast wirkt es so, als sei in Manchester die paradiesische Idealvorstellung eines Klubs geschaffen worden, in dem Josep Guardiola es für 25 Millionen ein paar Jahre aushalten könnte.


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