„Das Strategische Luftkommando hatte eine Liste von 1.200 Städten im Ostblock, von Ostdeutschland bis nach China zusammengestellt und die Prioritäten festgelegt. Moskau und Leningrad standen in der Liste ganz oben. In Moskau wurden 179 Ziele festgelegt, in Leningrad waren es 145“, erläutern die Vertreter der NGO, die den Plan zu sehen bekamen.
Der Großteil der offengelegten Dokumente mit einem Gesamtumfang von 800 Seiten besteht aus Listen mit Zielen und Kennkodes aus Zahlen und Buchstaben. Der Plan sah die „systematische Vernichtung von städtischen und Industriezentren des Ostblocks vor und setzte völlig konkret und klar die Vernichtung der Bevölkerung in allen Großstädten, darunter in Peking, Moskau, Leningrad, Ostberlin und Warschau zum Ziel“.
„Die planmäßige Vernichtung der Zivilbevölkerung stand als solche in einem direkten Widerspruch zu den internationalen Normen von damals, welche unmittelbare Angriffe auf Menschen verboten (im Gegensatz zu Objekten, die direkt neben bewohnten Gebieten lagen)“, unterstreichen die Analytiker vom Archiv für die nationale Sicherheit.
Hinter dem Plan verbarg sich eine bestimmte Vorgehensweise: Das Strategische Luftkommando plante in erster Linie, die sowjetischen Luftstreitkräfte zu vernichten, bevor sowjetische Bomber Schläge auf Ziele in Amerika und Westeuropa fliegen konnten – ballistische Interkontinentalraketen gab es damals ja noch nicht. Als prioritär wurden mehr als 1.000 Flugplätze vermerkt, von denen die ersten die Basen der Tu-16-Bomber bei den weißrussischen Städten Bychow und Orscha waren.
Die US-Führung ging davon aus, den Ostblock mit mehr als 2.200 B-52- und B-47-Bombern, RB-47-Aufklärungsflugzeugen und Begleitjägern F-101 angreifen zu können. Außerdem standen den USA damals 376 mit Kernköpfen bestückte Flügel- und Luftwaffenraketen mittlerer Reichweite zur Verfügung. Jedoch wurde in dem Plan zusätzlich vermerkt, dass diese „wenig Chancen haben, die Ziele zu vernichten“. Als wichtigste Waffe galten damals die bemannten Bombenflugzeuge.
Nach der Vernichtung der sowjetischen Fliegerkräfte, sollten, falls die Seiten zu diesem Zeitpunkt noch kampffähig wären, sowjetische Industriebetriebe sowie „eine riesige Anzahl friedlicher Bürger“ vernichtet werden, unterstreicht der Autor.
Weil die Amerikaner die gegnerischen Fliegerkräfte vernichten wollten, sollten die H-Bomben nicht in der Luft, sondern auf dem Boden explodieren, um mittels der Druckwelle trotz den Nebeneffekten eine maximale Zerstörungskraft freizusetzen.
„Es wurden Einwände gegen die Bodenexplosionen sowie die Möglichkeit einer Strahlenverseuchung der eigenen Truppen in Betracht gezogen, jedoch hatte die Forderung, in der Luft zu dominieren, den Vorrang und stand daher über allen sonstigen Überlegungen“, so eine Erläuterung im Plan des Strategischen Luftkommandos.
Die „sowjetische Luftwaffenstruktur“ wurde von den US-Militärs sehr frei definiert: Dazu wurden etwa „alle Verwaltungs- und Industriezentren gezählt, welche eine Luftkampagne der Russen auf irgendeine Weise versorgen könnten“, so der Artikel.
Moskau sei zum Beispiel auf die Liste gesetzt worden, weil sich dort Kommandostellen, Flugzeug- und Raketenbetriebe sowie Labors befanden, in denen Atomwaffen und Ölraffinerien entwickelt wurden: „Trotz des Atomzeitalters erinnerte die Strategie des Strategischen Luftkommandos eher an die US-Bombardements Deutschlands und Japans im Laufe des Zweiten Weltkrieges, als an Methoden des 21. Jahrhunderts“, so „The National Interest“.
Und das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass der Befehlshaber der Strategischen Kräfte der US-Luftwaffe in den Jahren 1948 bis 1957 Curtis Lemay war, der während des Zweiten Weltkrieges die massierten Bombenschläge auf japanische Städte geplant und ausgeführt hatte.
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