Korruption ist ein lautloses Geschäft. Sie lebt von kleinen Gesten, gesenkten Stimmen, wortloser Selbstverständlichkeit. Wer sie demaskieren und öffentlich machen will, muss sich etwas einfallen lassen.
In Kiew hat eine Gruppe Kreativer mit Unterstützung der Europäischen Union den "Korruptionspark" ins Leben gerufen - eine interaktive Ausstellung, die wachrütteln, sensibilisieren, die Bürger widerstandsfähig machen soll. Vor allem Kinder und Jugendliche sind willkommen. "Wir wollen ihnen zeigen, wie Korruption funktioniert, welche Mechanismen ihr zugrunde liegen", sagt der EU-Botschafter in der Ukraine, Hugues Mingarelli.
Im botanischen Garten der Hauptstadt wölben sich neun kugelrunde, aufblasbare Zelte wie Riesenboviste in den Himmel. Im Innern ist es brütend heiß. Wer hinein will, muss sich durch einen schmalen Spalt zwängen und ihn schnell wieder schließen - damit die Druckverhältnisse stabil bleiben. Das ist symbolisch gemeint, wie vieles in der Ausstellung.
Ein Zelt sieht aus wie ein goldener Brotlaib - es erinnert daran, dass im Haus des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch einst ein solch kostbares Backwerk gefunden wurde - in Kitsch gegossenes Edelmetall, Glück und Wohlstand verheißend. Für letzteren sorgte Janukowytsch allerdings mutmaßlich selbst: Während seiner Amtszeit sollen 40 Milliarden Dollar aus der Ukraine ins Ausland abgeführt - kurzum gestohlen - worden sein.
Der Hang korrupter Staatsdiener zum süßen Leben ist bekannt. So zeigt die Ausstellung auch konfiszierte Luxusgüter - vom weißen BMW mit Sonderausstattung über eine 40.000 Euro teure Kristallskulptur bis zum Panzermotor. Per Virtual Reality können Besucher mit den Ermittlern des Antikorruptionsbüros NABU auf Verbrecherjagd gehen. In einem Zelt lauscht man dem "Sound der Korruption", der ab einer Million so hochfrequent ist, dass man ihn nicht mehr hört.
Die Ausstellung versteht sich als "Edutainment", eine Mischung aus Bildung und Unterhaltung. Sie will Fehlentwicklungen aufzeigen, aber auch für die Idee begeistern, dass eine korruptionsarme Gesellschaft möglich ist. Das fällt schwer in einem Land, in dem Bestechlichkeit so tief verwurzelt ist, dass so mancher sie längst als Teil der nationalen Identität empfindet.
Im Ranking von Transparency International liegt die Ukraine auf Platz 130 von 180 - noch hinter Sierra Leone und Iran. Waffenhandel und Schmuggel im Kriegsgebiet Donbass befördern Korruption, die Umsetzung der Antikorruptionsgesetzgebung lässt weiter zu wünschen übrig. Einrichtungen, die Intransparenz bekämpfen sollen - wie etwa die Vergabe öffentlicher Aufträge über das Online-Portal ProZorro - müssen ums Überleben kämpfen.
ProZorro ist das Vorzeigeprojekt des Reformers Maksym Nefyodow. "Seit es in Kraft ist, konnten wir die Korruption halbieren", berichtet der Vize-Entwicklungsminister. "Der Staat hat drei Milliarden Dollar in drei Jahren gespart." Dennoch vergehe keine Woche, ohne dass jemand im Parlament versuchen würde, das Projekt zu stoppen.
spiegel
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