Am 4. März 2018 wurden der russische Ex-Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julija bewusstlos auf einer Parkbank in Salisbury entdeckt. Sie waren mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet worden. Etwa vier Monate später gibt es nun einen zweiten Fall.
In Amesbury, elf Kilometer nördlich von Salisbury, wurde am Samstagabend ein Paar bewusstlos in einem Wohnhaus aufgefunden. Der 45-jährigen Mann und seine 44-jährige Frau schweben in Lebensgefahr. Nach einigen Stunden war klar: Auch sie wurden mit Nowitschok vergiftet.
Was ist das für ein Stoff?
Hinter dem Begriff verbirgt sich eine Gruppe sehr wirksamer Nervengifte. Die Nowitschok-Gifte wurden in den Siebziger- und Achtzigerjahren in der Sowjetunion entwickelt. Auch deshalb machen viele Politiker Russland für den Angriff auf die Skripals verantwortlich. Derzeit ist unklar, ob der Giftstoff, der nun verwendet wurde, aus der gleichen Charge stammt wie im Fall des Doppelagenten.
Dass die Sowjetunion gegen Ende des Kalten Krieges eine neue Gruppe Nervengifte hergestellt hatte, sollte eigentlich niemand wissen. Der Plan war, die Substanzen so zu konzipieren, dass sie sich mit den damaligen Standardnachweismethoden nicht aufspüren lassen. So sollten internationale Waffenabkommen umgangen werden. Schließlich berichteten Anfang der Neunziger jedoch zwei Chemiker von der Entwicklung der Stoffe. Bislang ist ein militärischer Einsatz von Nowitschok nicht bekannt.
Wie giftig ist Nowitschok?
Die Giftgruppe besteht aus ungefähr hundert verschiedenen Stoffvarianten. Einigen von ihnen wird nachgesagt, sie seien fünf bis acht Mal tödlicher als das Nervengift VX, mit dem etwa der Halbbruder des nordkoreanischen Staatschefs Kim Jong Un ermordet worden sein soll. Im Vergleich zu VX und Sarin lassen sich die Nowitschok-Stoffe schlechter nachweisen, können aber mittlerweile trotzdem aufgespürt werden.
"Nowitschok-Gifte erweitern die Möglichkeiten des Einsatzes von Nervengiften deutlich", sagt Andrea Sella, Chemiker am University College London. Bei als Waffen eingesetzten Nervengiften handele es sich meist um farblose Flüssigkeiten, die nach der Aufnahme innerhalb von Minuten töten. Nowitschok-Substanzen sind dagegen ultrafeine Puder. "Sie wirken langsamer, dadurch hat man mehr Kontrolle", sagt Sella.
spiegel
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