Eigener „Eurofighter“ für England: Briten hängen Europa mit Zukunftsjet ab

  19 Juli 2018    Gelesen: 1333
Eigener „Eurofighter“ für England: Briten hängen Europa mit Zukunftsjet ab

Großbritannien hat auf der Farnborough Airshow ein Modell seines künftigen Kampfjets der 6. Generation präsentiert. „Tempest“ soll der Mehrzweckjäger heißen, wie das legendäre Jagdflugzeug im Zweiten Weltkrieg. Die künftige Maschine ist als möglicher Nachfolger des Eurofighters gedacht.

Es ist ein ambitioniertes Programm, keine Frage: Die Briten wollen keinen Kampfjet der 5. Generation entwickeln, sondern springen gleich zur 6. Generation über. Dass sie beabsichtigen, den „Tempest“ („Sturm“) aus eigener Kraft zu bauen, hat auch sachliche Gründe. Die schwierige Geschichte der Eurofighter-Entwicklung und die Erfahrungen mit den gesamteuropäischen Rüstungsprogrammen seit den Achtzigerjahren zeigen: Diese Vorhaben waren nicht nur kostspielig, sondern wurden auch noch sehr langsam umgesetzt. Ein weiteres Gemeinschaftsprogramm birgt für die Briten deshalb das Risiko, dass sie ein Kampfflugzeug der 5. Generation erst dann erhalten, wenn die USA und möglicherweise auch Russland und China schon auf die 6. Generation umsteigen.

Daher also ein eigenes Projekt. Über zwei Milliarden Pfund will die britische Regierung bis 2025 allein in die Forschung und Vorentwicklung des künftigen Flugzeugs investieren. Mit dem Geld sollen Technologien entwickelt werden, die dann in den Bau des Zukunftsjets eingehen – 2035 soll er einsatzreif sein. Der „Tempest“ greift eine Studie des britischen Luftfahrtkonzerns BAE Systems aus den Neunzigerjahren auf. Damals stand die britische Führung vor der Entscheidung, einen eigenen taktischen Kampfjet zu bauen oder die amerikanische F-35von Lockheed Martin zu beschaffen. Mit dem „Replica“ genannten Modell entwarfen die Briten eine Designstudie des Mehrzweckjägers, entschieden sich aber letztlich für das amerikanische Flugzeug.

Ganz auf sich allein gestellt sind die Briten mit dem Bau des „Tempest“ aber nicht: Neben BAE Systems und dem Motorenhersteller Rolls-Royce sind der italienische Flugzeugbauer Leonardo und das europäische Konsortium MBDA am Programm beteiligt. Geplant ist, dass der künftige Kampfjet durch ein auf künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen gestütztes Bordsystem gesteuert wird. Der Pilot soll ein virtuelles Cockpit erhalten – die Anzeigen und Bedienelemente werden auf seinem Helmvisier dargestellt. Bewaffnet wird der „Tempest“ unter anderem mit sog. Directed Energy Weapons, also Waffen, die gebündelte und gelenkte Energiestrahlen einsetzen, um auf Ziele einzuwirken.

Mit getrennten Kräften

Irgendwie scheint der Kampfjet der 6. Generation das Schicksal seiner europäischen Vorfahren der 4. Generation nachzuleben: In den Achtzigerjahren zerfiel das Gemeinschaftsprojekt eines europäischen Kampfflugzeugs in zwei eigenständige Vorhaben: die französische Dassault Rafale und das dadurch schlanker gewordene Eurofighter-Konsortium, aus dem letztlich der „Typhoon“ hervorgegangen ist. Eine ähnliche Situation erleben wir heute.

Deutschland und Frankreich beabsichtigen, gemeinsam einen Mehrzweckjäger der 6. Generation zu bauen: das Future Combat Air System (FCAS), das nicht nur die französischen Rafale und die deutschen Eurofighter ersetzen soll. Auch Spanien zeigt Interesse am Projekt als einem potentiellen Nachfolger für seine amerikanischen F-18. Bis 2040 soll das FCAS fliegen.

Bezeichnend ist, dass Frankreich zuvor angekündigt hatte, gemeinsam mit den Briten ein Flugzeug entwickeln zu wollen. Das, was jetzt „Tempest“ heißt, sollte eigentlich das FCAS werden. Das hat sich nun anders ergeben. Die militärpolitische Allianz, die Frankreich und England seit dem Ende der 2000er Jahre schmiedeten, ist gerissen – Paris ist nun in das traditionelle Führungstandem mit Berlin zurückgekehrt. Offiziell hat sich Frankreich von einer Kooperation mit den Briten zwar nicht losgesagt, faktisch aber hat sich die französische Führung für einen „rein kontinentalen“ Kampfjet entschieden.

Ein vager Entwurf

Was ein Kampfflugzeug der 6. Generation genau sein soll, ist bis heute nicht festgelegt. Es lassen sich nur einige Merkmale des Zukunftsjets nennen. Klar ist, dass es sich um unbemannte Systeme handeln wird: Sie werden von Anfang an als unbemannt konzipiert – eine pilotengesteuerte Version wird es nur als Option geben. Unbemannte Maschinen haben definitiv ihre Vorteile. Das geringere Gewicht und die höhere Belastbarkeit bei Flugmanövern sind nur einige davon. Neue Verbund- und Nanowerkstoffe werden die Festigkeit des Flugzeugrumpfs erhöhen und gleichzeitig dessen Radar- und Infrarotsignatur verringern.

Die 6. Generation muss auch „schwarmfähig“ sein – das heißt, die künftigen Kampfjets werden sich automatisch zu selbstständig agierenden Kampfverbänden vernetzen. In Russland wird auch die Variante geprüfte, dass ein bemanntes „Alpha“-Flugzeug die Führung eines unbemannten Kampfschwarms übernimmt. Und die 6. Generation wird höchstwahrscheinlich eine bi-sphärische – also für den Einsatz in der Erdatmosphäre und im Erdorbit geeignet – sein. Einige mutige Entwickler sprechen sogar davon, dass die künftigen Kampfjets ihre Form während des Fluges werden verändern können. Aber diese Vorstellung ist heute zumindest ganz klar nicht mehr als eine Science-Fiction-Vision.

Besonderes Interesse bei künftigen Kampfflugzeugen gilt natürlich den Bordwaffen, die nach neuen physikalischen Grundsätzen funktionieren sollen: Laser und elektromagnetische Kanonen, die die Bordgeräte gegnerischer Flugzeuge ausschalten – ein klarer Pluspunkt, zumal beim Einsatz jenseits der Erdatmosphäre. Außer den Amerikanern, Europäern und Russen arbeiten gegenwärtig auch die Chinesen an der Entwicklung solcher Systeme.

sputnik.de


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