20. Juni, im Weißen Haus. "Es geht darum, Familien zusammenzubehalten", sagt Donald Trump. Der US-Präsident zückt seinen Stift und fügt hinzu: "Ihr werdet eine Menge glücklicher Menschen sehen." Dann setzt er seine Unterschrift unter Dekret 13.841.
Nach Wochen heftiger Proteste gibt der US-Präsident dem Druck der Öffentlichkeit gegen seine "Null Toleranz"-Zuwanderungspolitik nach. Unter seiner Führung hatten die US-Behörden an der Grenze zu Mexiko Familien auseinandergerissen, Eltern als illegale Einwanderer eingesperrt und Kinder in teils gefängnisähnlichen Betreuungseinrichtungen verwahrt. Bilder weinender Jungen und Mädchen, die sich vergeblich an die Beine ihre Eltern krallen, während diese abgeführt werden - das war dann auch für Trump zu viel.
Die Nachwirkungen seiner rigorosen Politik verfolgen den US-Präsidenten trotz seines Dekrets allerdings noch immer. Am 26. Juli spitzt sich die Lage weiter zu.
Seit jenem 20. Juni sperren US-Grenzschützer Familien wieder zusammen ein, bevor sie abgeschoben werden oder ihr Asylverfahren beginnt. Doch Hunderte Familien hat die Trump-Regierung längst getrennt. Und nur Tage nach Trumps Auftritt im Weißen Haus verordnete Bundesrichter Dana Sabraw, dass die Regierung Eltern und Kinder wieder zusammenführen muss - nicht irgendwann, sondern binnen 30 Tagen. Die Frist läuft an diesem Donnerstag ab.
Mehr als 400 Eltern ohne Kinder abgeschoben
Trumps Bilanz bei der Wiedervereinigung ist bisher durchwachsen. Die US-Regierung verlautbarte am Dienstag (Ortszeit) kurz vor Ende der Frist, sie sei auf Kurs. Rund 1000 von gut 2500 Kindern seien ihren Eltern zurückgegeben worden. Hunderte weitere würden bis zum Ende der Deadline folgen. Richter Sabraw bewertete das zwar als "beachtenswerte Leistung". Doch von echter Begeisterung konnte bei ihm keine Rede sein. Und das nicht nur, weil rund 1500 Kinder in kaum 48 Stunden ziemlich ambitioniert wirken. Schon eine frühere Deadline für Kinder unter fünf Jahren hielt Trump nicht ein. Besonders brisant ist aber: Die US-Regierung hat 463 Eltern offenbar längst abgeschoben, obwohl ihre Kinder noch in den USA sind.
"Das ist die Realität dieses Falles, das ist die Realität einer Politik, die eine große Zahl an Familien trennte, ohne darüber nachzudenken, wie diese wieder zusammengeführt werden und im Blick gehalten werden können", sagte Richter Sabraw vor Reportern im Gericht.
Die Trump-Regierung versichert, dass all jene Eltern, die schon außer Landes sind, den Bedingungen ihrer Abschiebung schriftlich zugestimmt hätten. Das Formular, das die US-Behörden den Einwanderern vorgelegt haben, ist aber mindestens verwirrend. Gemäß dieses einseitigen Papiers haben die Eltern nur zwei Optionen. Die erste: Einwilligung in die Zusammenführung mit ihren Kindern mit gleichzeitiger Einwilligung in die gemeinsame Abschiebung. Die zweite Option: Einwilligung in die eigene Abschiebung ohne ihr Kind.
Eltern müssen sich also entscheiden: Halten sie ihre Familie zusammen - außerhalb der USA? Oder geben sie zumindest ihrem Kind eine Chance auf einen längeren Aufenthalt in den Vereinigten Staaten? Eine schwere Entscheidung.
Menschenrechtler suchen Kontakt zu Betroffenen
Menschenrechtsorganisationen bezweifeln überdies, dass die Unterschrift vieler Eltern wirklich im vollen Bewusstsein ihrer Konsequenzen erfolgte. Taylor Levy von der Einrichtung Annuciation House in El Paso sagte der "New York Times" über die Entscheidung einiger Eltern, das Land ohne ihre Kinder zu verlassen: "Sie dachten, die einzige Möglichkeit, ihre Kinder wiederzusehen, ist, wenn sie der Abschiebung zustimmen." Andere Organisationen deuten an, dass viele Migranten insbesondere aus Honduras auch die spanische Übersetzung des Formulars gar nicht hätten verstehen können.
Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union fordert, dass Eltern erst mit ihren Kindern zusammengeführt werden sollen, bevor sie über ihre Abschiebung entscheiden und dann ausreichend Zeit bekommen, um sich über ihre Rechte zu informieren. Und sie will von der Trump-Regierung wissen, welche Eltern das umstrittene Formular schon unterschrieben haben, um sie ausreichend juristisch beraten zu können. ACLU-Anwalt Lee Gelernt bezeichnet die Versuche der Familienzusammenführung der Regierung als "chaotisch".
Die "glücklichen Menschen", die Trump vor einem Monat bei der Unterzeichnung von Dekret 13.841 ankündigte, sind bislang nicht zu sehen.
Quelle: n-tv.de
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