Im Moment beträgt der Anteil amerikanischen Flüssiggases auf dem europäischen Gasmarkt ein Prozent. Dies soll sich schnell ändern, wie von EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump vergangene Woche in Washington beschlossen wurde. In den nächsten Jahren sollen auf EU-Kosten neun bis elf neue Terminals für „Liquified Natural Gas“ (LNG, dt. Flüssigerdgas), speziell für amerikanisches Fracking-Gas gebaut werden.
Doch selbst wenn die EU sämtliche Infrastruktur zur Annahme, Umwandlung und Verbreitung von Flüssiggas stellt, bleibt der Preis für dieses Gas noch immer substantiell höher als der für nicht-komprimiertes russisches Erdgas, das über Röhren auf direktem Weg, ohne zusätzliche Umwandlungs- und Transportkosten nach Europa gelangt.
Einbruch bei LNG-Import um 13 Prozent
Ungeachtet dessen, dass im Moment in Europa ein Überangebot sowohl an Pipeline-Erdgas als auch an Flüssiggas herrscht, ist der Preis für LNG-Gas dieses Jahr in der EU noch einmal gestiegen. Grund sind eine vermehrte Nachfrage in Asien und parallele Reparaturarbeiten bei diversen Flüssiggas-Anbietern. Dies führte zwischen Januar und Juli 2018 zu einem Einbruch beim Import von Flüssiggas in die EU um 13 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die russische Zeitung „Kommersant“ auf Grundlage der Auswertung von Daten aller europäischen LNG-Terminals.
Diese Zahlen überraschen. Viele Experten waren davon ausgegangen, dass die Preise für Flüssiggas stetig sinken würden, vor allem aufgrund der immer besseren Angebotslage auf dem Weltmarkt und der mit schon jetzt 26 LNG-Terminals gut ausgebauten Infrastruktur zur Aufnahme der Flüssiggas-Tanker in Europa. Dadurch sollte das Flüssiggas konkurrenzfähiger gegenüber russischem Pipeline-Erdgas werden.
Reparaturen und Gashunger
Während im vergangenen Sommer eine Einheit LNG in Europa um die sieben Dollar kostete, betrug der Preis im Juni 2018 11,45 USD. Ein Grund für diesen starken Preisanstieg waren gleichzeitige, ungeplante Reparaturen Ende Mai bis Anfang Juni in LNG-Werken bei allen Weltmarktführern: in Katar, Nigeria, Malaysia, den USA, Indonesien, Australien und Russland (bei Jamal LNG). Dies führte im Juni zu einem bedeutend geringeren LNG-Angebot auf dem Weltmarkt.
Der so entstandene Preisknick dürfte im Laufe des Jahres wieder ausgeglichen werden, zumal weitere Flüssiggas-Anbieter auf den Markt drängen. Die Nachfrage wächst allerdings auch weiter – vor allem in Asien. Den größten Gashunger haben hier China und das vollständig auf die Tankerversorgung mit Flüssiggas angewiesene Japan. Allein China hat seinen LNG-Import im ersten Halbjahr 2018 um 50 Prozent auf 23,8 Millionen Tonnen erhöht.
Flüssiggas-Flaute – außer in Belgien und Polen
In Europa sank der LNG-Import dagegen fast überall. Von den zehn EU-Ländern, die über LNG-Terminals verfügen, konnten nur zwei – Polen und Belgien – Zuwächse beim Flüssiggas verzeichnen. Polen hat in diesem Jahr nach Lettland als zweites EU-Land begonnen, Fracking-Gas aus den USA zu importieren. Und nach Belgien wurde erstmals Flüssiggas vom russischen Projekt Jamal LNG importiert. In Spanien, dem größten Flüssiggas-Importeur in Europa, sank die Einfuhr von LNG dagegen im ersten Halbjahr 2018 um 15,6 %, wie die Kollegen von „Kommersant“ ausgerechnet haben. Aufgrund der preislichen Vorteile haben die Spanier dieses Jahr verstärkt Pipeline-Erdgas über die Leitung aus Tunesien importiert.
Großbritannien hat die LNG-Einfuhr sogar um 45 Prozent gedrosselt und ist auf Röhren-Erdgas aus Norwegen umgeschwenkt.
Vor allem Gazprom profitiert
Der Rest Europas, außer Belgien und Polen, hat in diesem Jahr auch überwiegend Röhrengas bezogen, und zwar in erster Linie aus Russland. Vor allem Italien und Österreich haben hier stark zugelegt. Davon profitiert der russische Konzern Gazprom. So ist die Gaslieferung der Firma nach Österreich im ersten Halbjahr 2018 um erstaunliche 52 Prozent gestiegen. Allerdings hatte auch Italien Anteil an diesem Anstieg:Das Land bezieht russisches Gas über den Hub im österreichischen Baumgarten.
Dies schlägt sich auch in Gazproms Gesamtbilanz nieder, wie „Kommersant“ berichtet. So konnte der Markführer seinen Export nach Europa bis Juli 2018 um 5,8 Prozent erhöhen. Ende des Jahres könnte Gazprom einen Export von rund 200 Milliarden Kubikmetern Gas nach Europa erreichen.
Angesichts dieser Zahlen dürfte LNG-Gas konventionelles Röhren-Erdgas aus Russland noch lange nicht ablösen. Nachdem jedoch die europäischen Erdgasversorger ihre Fördermengen bedeutend senken (Norwegen) oder ganz einstellen (Niederlande), wird der Gesamtbedarf an Gasimporten in die Europäische Union steigen. Welches Gas die einzelnen Länder beziehen, wird dabei vor allem vom jeweiligen Preis der jeweiligen Gas-Art abhängen.
sputniknews
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